Michelle Obama kann es. Eigentlich steht Gelb nicht jedem. Aber die amerikanische First Lady sah wirklich umwerfend aus, als sie Anfang April in London mit ihrem Mann zum Nato-Gipfel abreiste. Als sie aus dem Flugzeug stieg, trug sie ein leuchtend gelbes Kleid.
Gelb gilt als heikel, gelb ist Geschmackssache. Aber glaubt man den diversen Farbtheorien, dann ist es eigentlich keine so üble Farbe. Schließlich ist sie das Symbol der Sonne, der Erkenntnis und des Optimismus. In China gilt sie als Symbol von Glückseligkeit, Ruhm und Weisheit. Nur Kaiser und Mönche durften safrangelbe Kleider tragen.
Wer es nicht so mit Esoterik hält, kann sich auch einfach an den chromatologischen Tatbestand halten, dass Gelb zu den Grundfarben zählt. Und insofern eine legitime Dasein
e legitime Daseinsberechtigung hat. Auch in dem, was man das „politische Spektrum“ nennt. Sogar eher als die Mischfarbe Grün.Jedenfalls war die FDP nicht wirklich schlecht beraten, als sie vor Jahrzehnten der Einflüsterung irgendeiner Agentur nachgab, und Gelb zu ihrer Erkennungsfarbe wählte. Der gelbe Pullover, den Hans-Dietrich Genscher damals so demonstrativ auftrug, wie später nur noch Walter Momper seinen roten Schal, war mitnichten der Ausweis irgendeines verspäteten Poppertums.Gelb wird bei Umfragen konstant von sechs Prozent der Männer und fünf Prozent der Frauen als Lieblingsfarbe angegeben. Angesichts der Wahlergebnisse der FDP in den siebziger Jahren schien Gelb also eine ebenso passende wie realistische Farbwahl.Wärmender EffektVor allem aber beherzigte der ehemalige Bundesaußenminister mit diesem stilbildenden Outfit eine wichtige Erkenntnis. In seiner Farbenlehre schwärmte niemand geringeres als der Geheimrat von Goethe von dem „wärmenden Effekt“ des Gelb: „Das Auge wird erfreut, das Herz ausgedehnt, das erheiterte, eine unmittelbare Wärme scheint uns anzuwehen“. Mit Gelb avancierte Genscher zum beliebtesten Politiker der Republik.Zugegeben: Beim Anblick ihres heutigen Spitzenkandidaten hatte man dieses heimelige Gefühl nie. Guido Westerwelle schien immer wie die Inkarnation dessen, was man im Französischen dss „rire jaune“ nennt – ein unsicheres, gezwungenes, eben gelbes Lachen.Und irgendwie war man ja auch immer bereit, ihm alle symbolischen Nebenwirkungen des Gelb anzudichten: Lüge, Neid, Geiz, Egoismus, Gift und Galle. Vielleicht erklären diese Beigaben ja die schlechte Laune bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und FDP.Trotzdem hat er es mit dieser zwiespältigen Wirkung doch tatsächlich geschafft: Einst wollte Walter Scheel ganz „Hoch auf den gelben Wagen“. Jetzt hat Guido Westerwelle dort Platz genommen.Die eigentlichen Probleme mit Gelb beginnen bei der Kombination. Blau, die zweiten (Grund-)Farbe der FDP, geht ja noch. Denn das Blau-Gelb-Sehen gehört, wie das Schwarz-Weiß- und das Rot-Grün-Sehen zu den physiologischen Konstanten jedes Menschen. Anders kann der Wähler quasi gar nicht sehen. Auch Vincent van Gogh malte Gelb oft mit der Komplementärfarbe Blau. Und verband die Kraft des Lebens mit der schöpferischen Energie.Eine Kombination, wie gemacht für die leistungsbereiten Scheinselbstständigen, die den Kern der Kreativen Klasse ausmachen, der neuen Zukunftshoffnung des Kapitalismus. Die darf der bisherige FDP-Kultursprecher Hans-Joachim Otto jetzt als Staatssekretär für die Kreativwirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium seines Parteifreunds Rainer Brüderle ködern. Nur von Zahnärzten kann auch eine 15-Prozent-Partei nicht leben.Hässliche TrübungRichtig schwierig wird es mit Gelb erst zusammen mit Schwarz. Nicht nur, weil sich beim instabilen Gelb jede Schattierung mit einer anderen Farbe sofort als hässliche Trübung bemerkbar macht und graue Schatten wirft. Jenseits von diesen Mischungsverhältnissen beginnt das Unbehagen, dass uns anweht, wenn wir nach den Folgen der neuen Berliner Farbenlehre für die Politische Kultur im Lande fragen.Lassen wir den Kalauer beiseite, dass Schwarz-Gelb die Blindenabzeichen ziert. Irgendetwas stört an den schwarz-gelben Streifen auf dem Koalitionsvertrag der Frischvermählten. Wie eine Mischung aus schickem Designerschwarz und Michelle Obama wirkt er nicht gerade. Das starre, alles schluckende CDU-Schwarz will nicht so recht zu dem grellen Optimismus des FDP-Gelb passen.Und bei Regelungen wie der Pflegeversicherung meint man, hinter der „heiter setzenden“ Eigenschaft des Gelb, die Johann Wolfgang Goethe noch so beschwingte, die giftigen Pigmente durchscheinen zu sehen, mit denen man früher Gelb überhaupt erst so strahlend machen konnte.Vielleicht ist das ungute Gefühl, das selbst Wohlmeinende bei Schwarz-Gelb befällt, aber auch nur ein Kulturproblem. In China jedenfalls wäre mit dieser Farbkoalition Staat zu machen. Nach der chinesischen Symbolik wird Gelb aus Schwarz geboren, wie die gelbe Erde aus den Urgewässern entstand. Gelb und Schwarz sind dort sozusagen zwei Seiten einer Schöpfungsmedaille. Eine Welt ohne Steuern haben ihre deutschen Wiedergänger aber nicht geschaffen.Wir halten uns an die kulturellen Traditionen hierzulande: Da gilt für die die gelb-schwarze Kombi die Faustregel: Optimale Fern-, aufdringliche Nahwirkung. Und jeder Gorleben-oder Asse-Demonstrant weiß, was die schwarz-gelben Warnhinweise meistens signalisieren: Lang nachwirkende Gefahrstoffe.