Würden Sie diesem Mann eine Akademie anvertrauen? Mehr als einer hatte diesen spöttischen Spruch auf den Lippen, als Klaus Staeck vor drei Jahren überraschend als Nachfolger des Schweizer Autors Adolf Muschg zum Präsidenten der Akademie der Künste in Berlin gewählt worden war.
Die Sottise war anzüglich gemeint. Und spielte auf ein Plakat an, das Staeck 1971 in Umlauf gebracht hatte. Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten? konnte man da unter einen Foto lesen, auf dem Albrecht Dürers ausgemergelte alte Mutter auf einer Radierung ihres Sohnes zu sehen war. Passend zum Dürer-Jahr hatte der 1938 geborene Staeck, der 1956 der DDR den Rücken gekehrt hatte, die Probleme von Unterprivilegierten auf dem Wohnungsmarkt aufs Korn genommen. Mit seiner raffinierten Konversion der Reklame vom psychologischen Agenten der Ware zum Agenten eines aufklärenden Bewusstseins hatte Staeck nicht nur Kunstgeschichte geschrieben. Sondern auch politischen Wirbel erregt: Parallel zur Tagung der Haus- und Grundbesitzer hatte Staeck die Collagen in der Heimatstadt Dürers plakatieren lassen.
Und dieser Streetfighter des Kunstbetriebs sollte nun die prestigeträchtige Akademie in der Hauptstadt leiten, eine Institution, der schon der Grandseigneur Max Liebermann, der Vorzeigeintellektuelle Walter Jens und der Kosmopolit György Konrad vorgestanden hatten?
to the point
Drei Jahre später muss man sagen: Für jemand, der „noch nie nur einen Tag eine Akademie von innen gesehen hat“, wie Staeck einmal seine „Karriere“ charakterisierte, hat der Mann seine Sache wirklich gut gemacht. Was angesichts eines nicht übermäßig gesellschaftskritisch veranlagten CDU-Kulturministers auch eine Leistung ist. Staeck ist kein Pathetiker der universellen Moral, sondern ein sarkastischer Kritiker to the point, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Damit hat er nicht nur der Akademie eine unverwechselbare Stimme gegeben. Mit ihm ist auch ein intellektuelles Modell wieder zu Ehren gekommen, das in Zeiten der Postmoderne als Auslaufmodell galt: Das Modell der „kritischen Einmischung“.
Wo die Jünger der ironischen, reflexiven Modernisierung lange diskutieren, ob Widerstand überhaupt noch sinnvoll ist, ergreift Staeck die Gelegenheit beim Schopf: Off Limits for Google pinselte er vergangenen Herbst auf das Dach der Akademie, um dagegen zu protestieren, wie ein allseits gefürchteter Krake den öffentlichen Raum kartiert – ein Lieblingsthema des Citoyens Staeck.
Der Nachteil dieses manchmal etwas plakativen Aktionismus: Das große Ganze ist Staecks Sache nicht. „Visionen, wenn ich das Wort schon höre, werde ich sowieso allergisch“, entfuhr es Staeck diese Woche auf der Pressekonferenz nach seiner Wiederwahl als Präsident. Doch von einer „Künstlersozietät“ wie der Akademie, die der 71-Jährige nun noch einmal drei Jahre lang leiten soll, erwartet man mehr als 1.000 Expertenrunden zu Streifragen der Zeit. Zumal in einer Stadt, in der es von utopiesüchtigem Kreativpotential und Möchtegernkünstlern aus aller Welt nur so wimmelt. Die helmutschmidtmäßige Abneigung gegen Visionen sollte sich Staeck vielleicht noch einmal überlegen. Nichts gegen seine schicke Akademie am Pariser Platz. Aber die beliebteste Akademie in Berlin haust auf einem schäbigen Floß am Ende des Kreuzberger Landwehrkanals. Bis in den frühen Morgen geht dort täglich der Betrieb unter einer bunt illuminierten Trauerweide. Sie trägt den schönen Namen Club der Visionäre.
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