Bio-Supermärkte an jeder Ecke und ein zunehmend sensibles Verbraucherverhalten täuschen darüber hinweg, dass die heimische Produktion von ökologischen Agrargütern seit Jahren lahmt. Gerade mal 5,1 Prozent der Anbauflächen befanden sich 2007 in Händen von Ökobauern, und auch der Anteil der Biohöfe an der Gesamtzahl landwirtschaftlicher Betriebe dümpelte bei müden fünf Prozent. Damit befindet sich Deutschland noch Meilen von dem Ziel der früheren Agrarministerin Renate Künast entfernt, bis 2010 20 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen ökologisch zu bewirtschaften. Dabei verzeichnet der hiesige Biomarkt bereits im vierten Jahr in Folge ein zweistelliges Wachstum, und die Nachfrage an Bioprodukten in Deutschland
and wächst weiterhin. Die Biolebensmittelbranche fuhr im letzten Jahr Umsätze von rund 5,3 Milliarden Euro ein, das bedeutet ein Plus von satten 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.Verantwortlich für die immer weiter auseinanderklaffende Schere von Angebot und Nachfrage sei, so Uli Zerger von der Stiftung Ökologie Landbau (SÖL), vor allem die chaotische Subventionspolitik: Seit 1989 gibt es im Zuge des europäischen Extensivierungsprogramms auch in Deutschland finanzielle Hilfe für Biobauern oder Landwirte, die auf Ökolandbau umstellen. Auf diese Weise sollten die nötigen Investitionen, etwa für den Umbau von Ställen, ausgeglichen und Anreize für einen Wechsel geschaffen werden. Doch in den Jahren 2004 bis 2006 wurden die Prämien in den meisten Bundesländern immer wieder ausgesetzt oder zumindest massiv heruntergefahren.Seit vergangenem Jahr zahlen - mit Ausnahme des Saarlands - alle Bundesländer wieder, jedoch auf niedrigerem Niveau. "In den letzten Jahren gab es keine klaren politischen Signale", konstatiert Zerger. "Das hat zu einer großen Verunsicherung bei den Bauern geführt." Denn wer auf Biobetrieb umstellen möchte, muss planen können: Waren es früher eher Höfe, die sowieso schon naturnah wirtschafteten, ehe sie auf Ökolandbau umstellten, fallen heute, etwa bei einer Geflügelfarm, enorme Investitionssummen für den Umbau an. Und obwohl der angehende Biobauer während der zwei Umstellungsjahre schon nach den Richtlinien ökologischer Landwirtschaft arbeitet, realisiert er die höheren Einnahmen für seine Bioprodukte erst später.Das Hickhack um das neue Gentechnikgesetz und die Unsicherheit, ob der Bioboom anhalten wird, haben konventionelle Bauern ebenfalls davon abgehalten, ihre Betriebe umzustellen. Erfolgversprechender wirkt es da für manch einen, zum Energiewirt umzusatteln. Mit dem steigenden Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen wächst die Zahl derer, die Raps für den Autotank oder Getreide zur Speisung von Blockheizkraftwerken anbauen.Auch die Preisexplosion für konventionelle Lebensmittel hemmen den Bio-Anbau. Denn wenn man mit der herkömmlichen Produktion gut verdienen kann, fehlt der Anreiz, auf ökologische Landwirtschaft umzustellen. Schon seit Jahren ist es meist nicht mehr Einsicht oder Überzeugung, die konventionelle Landwirte zu Ökobauern werden lässt, unter ihnen wächst vielmehr die Zahl kühl rechnender Pragmatiker.Jürgen Heß, Professor für Biolandbau an der Universität Kassel-Witzenhausen, sieht ein weiteres Problem in Wissensdefiziten, zum Beispiel beim Gemüsebau ohne Pflanzenschutz und leichtlöslichen Mineraldünger. Ähnlich verhalte es sich bei Bauern, die in die ökologische Puten- oder Schweinezucht einstiegen, Tiere also, die aus ideellen Gründen im Biolandbau lange Zeit kaum gehalten wurden. "Die konventionellen Betriebe in dieser Richtung sind alle so spezialisiert, dass es enormes Know how erfordert, solche Betriebe umzustellen", sagt Heß.Die Bundesregierung hat mittlerweile erkannt, dass sie das von Künast gesteckte Ziel bis 2010 nicht mehr erreichen wird. Streichen möchte sie es aus ihrer Nachhaltigkeitsagenda zwar nicht, doch der Zeitpunkt, bis zu dem es erreicht werden soll, ist nun offen. Vor allem bei den Umweltverbänden stößt dies auf scharfe Kritik: "Damit verkommt das Nachhaltigkeitsziel zu reinem Wortgeklingel", echauffiert sich die Agrarexpertin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Reinhild Benning. Gerade in Zeiten des Klimawandels ist ein schnelles Erreichen der 20-Prozentmarke wichtiger denn je. Der britische Wissenschaftler Pete Smith kommt in seiner Studie für Greenpeace zu dem Ergebnis, dass bis zu 32 Prozent aller Treibhausgase weltweit aus der Landwirtschaft stammen. Außerdem tragen Biobetriebe zu nachhaltiger Entwicklung ländlicher Regionen und zur Artenvielfalt bei.Eine Lösung für die immer weiter auseinanderklaffende Schere sieht der BUND in einer parteiübergreifenden Politik, die den Ökolandbau unterstützt. Positiv bewertet die Organisation dabei Vorschläge auf EU-Ebene: Danach würden Agrarhilfen zugunsten derer umgeschichtet, die Umweltschutzkriterien erfüllen und Bauern mit Grünland bevorzugen. "Dabei handelt es sich um konkrete Maßnahmen, mit Hilfe derer man den Anteil des Ökolandbaus bis 2015 auf 20 Prozent anheben könnte", so Benning. Doch die Blockadehaltung Horst Seehofers zeige einmal mehr, welchen Rückhalt Chemiekonzerne und Großbauern in der Regierung genössen. Und so werden deutsche Bioläden und Supermärkte auch zukünftig erstmal kräftig ausländische Ökoprodukte dazukaufen müssen.