Lebenslanges Lernen schützt vor Alzheimer

Bildung und Demenz. Wie die amerikanische "Nonnenstudie" belegt, schützt ein höherer Bildungsgrad vor Altersdemenz. Ein Grund mehr, endlich in die Wissensgesellschaft zu investieren.

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Nach einer Studie des Fritz-Beske-Instituts für Gesundheits-System-Forschung, Kiel, wird sich die Anzahl der Alzheimer-Patienten bis zum Jahr 2050 auf gut 2,2 Millionen verdoppelt haben. Um die Kostenlawine in Grenzen zu halten, bleibt den Gesundheitsexperten nichts anderes übrig als auf den medizinischen Fortschritt zu setzen. Und so hoffen alle auf eine Wunderpille der Pharmakonzerne, damit auch das Nicht-Vergessen zu einem lukrativen Geschäft werden kann.

Es könnte aber auch anders gehen. Wie die amerikanische "Nonnenstudie" sowie das separat angelegte Forschungsprojekt von Dr. Horst Bickel im Angerkloster München bewiesen hat, ist Bildung eine der besten Präventionsarten, dementielle Erscheinungen zurückzudrängen. Bei fast allen Probanten konnte Alzheimer nachgewiesen werden. Dennoch gehen alle Nonnen uneingeschränkt ihren Lehrtätigkeiten nach, weil sie über einen hohen Bildungsgrad verfügen. Plakativ ausgedrückt, verbleibt trotz altersbedingter Abnahme der Gehirnleistung soviel übrig, dass Ausfälle bequem abgefedert können. So hat sich die Hypothese verfestigt, dass Menschen, die über eine geringe Schulbildung verfügen, nie gefordert werden und ihr ganzes Leben lang nur einfache Arbeiten verrichten müssen, demenzanfälliger sind als etwa geistige Überflieger.

WER KEINE DEMENTE GESELLSCHAFT WILL, MUSS DER MARKTKONFORMEN BILDUNG EINE ABSAGE ERTEILEN

Unter diesem Aspekt ist unsere derzeitige Bildungspolitik vollständig in Frage zu stellen. Mit dem Niedergang des sozioökonomischen Status, der sich über ganze Bevölkerungschichten ergießt, erfahren die nachfolgenden Generationen Armut, Ausgrenzung, Leistungsversagen bis hin zu kognitiven Defiziten. Der Hartz-IV-Bildungsgutschein als gewollte Bildungspolitik. Der Zugang zur Universität ist längst wieder zu einer Frage des Geldbeutels geworden. Adé 68iger und ihre Ideen der Chancengleichheit, die von den Schillys und Schröders im Keim erstickt wurden.

Dazu passt auch der Wegweiser des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der vor einigen Jahren die Förderung des "bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmen in Deutschland" vorantreiben wollte. Unter dem Begriff CSR (Corporate Social Responsibility) sollen zunehmend Bildungsaufgaben auf die Wirtschaft selbst verlagert werden. Wörtlich heißt es dort, Unternehmer sollten sich zunehmend in den Bereichen Bildung und Soziales, Sport, Erziehung, Kultur und Ökologie engagieren. ,,Philantropisch motivierte Unternehmerpersönlichkeiten" werden aufgefordert, sich ,,spontan und freigiebig mit ihren persönlichen Vorstellungen von einer «guten Gesellschaft»" einzubringen. Daher wundert es auch nicht, dass die ersten wirtschaftsfreundlichen Schulbücher die Klassenzimmer erobert haben. Rittersport bestreitet bereits indirekt den Unterricht und erklärt es als wissenschaftlich bewiesen, das Schokolade glücklich macht. Lehrer werden aufgefordert, einen Riegel ihren Schülerinnen und Schülern zu reichen. Was für eine gute und glückliche Gesellschaft, in der das Vergessen fast zur Tugend werden könnte.

Und so schließen wir mit Wilhelm Busch: Ach ja, die Welt ist so geräumig. Und der Kopf ist so beschränkt.

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Geschrieben von

initiative146

Die Initiative 146 wirbt für eine Verfassung in Deutschland und hat dazu bereits einen ausformulierten Verfassungsvorschlag ins Netz gestellt.

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