Was haben die Ukrainer vom EU-Freihandel?

Die Wohlstandsmär. Die Ukraine ist reich an Rohstoffen. Mit dem EU-Abkommen und den Privatisierungsfeldzügen werden die Menschen auf der Strecke bleiben. Gewinner sind wieder die Multis.

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Bei manchen EU-Vertretern als Dienstleister der Finanzindustrie dürfte der Anblick einer holländischen Tomate nach dem Referendum sicher erheblichen Brechreiz auslösen. Von Populismus bis hin zu fehlgeleiteten Irrlichtern, die die Wohltaten der EU einfach nicht zu schätzen wissen, ist jetzt mal wieder die Rede. Am liebsten würden sie die undankbaren Völker mit ihrem NEE einfach wegbeamen, denn sie durchkreuzen die Pläne der Reichen und Schönen. Sparprogramme in Portugal und Spanien, in Griechenland das Tafelsilber in Form der Flug- und Handelshäfen abverkauft. Jetzt ist es Zeit für "Frischfleisch" und das soll die Ukraine sein. Gut fünf Prozent der weltweiten Eisenerzvorkommen stehen zur Disposition. Hinzu kommen Bauxit, Blei, Chrom, Speckstein, Gold, Quecksilber, Nickel, Titan, Uran und Zink. Auch das Schwarze Meer lädt nicht nur zum Bade, sondern ist ein willkommener Lieferant ungeahnter Erdöl- und Erdgasreserven.

Jeder will ein Stück vom großen Kuchen. So verwundert es auch nicht, dass der gut 135 Milliarden US-Dollar-schwere US-amerikanische Rohstoffmulti Cargill seine Zelte bereits in der Ukraine aufgeschlagen hat. Sein Geschäftsmodell umfasst alles, was mit den Vertrieb von Getreide, Getreideprodukten und anderen landwirtschaftlichen Handelswaren zu tun hat. Hinzu kommen der Nutztierhandel sowie Produktion und Vertrieb von Futtermitteln einschließlich Inhaltsstoffen von verarbeiteten Lebensmitteln bis hin zu pharmazeutischen Hilfsstoffen. Und in einem Land, in dem kontaminierte Böden dreißig Jahre nach Tschernobyl kein Thema mehr sind, spielt der Umweltschutz auch keine wirkliche Rolle mehr. Sollte der Verbraucher Zweifel anmelden, lassen sich sich die EU-Grenzwerte jederzeit bequem nach oben korrigieren. Der Freihandel blüht, der Euro rollt.

Eines nicht so fernen Tages werden sich die einfachen ukrainischen Bürgerinnen und Bürger fragen, was sie denn persönlich von den Handelsbeziehungen, Zöllen, Steuern und Abgabenharmonisierungen haben. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, wann auch sie zu den Opfern der Europäischen Partnerschaftsabkommen und des IWF werden. Da tun sich Parallelen zu Ghana auf. Ein reiches und interessantes Land an Rohstoffen. Daher hat man auch alle Kredite an ein "Economic Recovery Program" gekoppelt. Man nennt es auch Strukturanpassungsprogramm, das nach den Regeln marktwirtschaftlicher Prinzipien funktioniert: Stärkung der Privatwirtschaft, Reduzierung aller staatlichen Leistungen, Privatisierung der Energie- und Wasserversorgung und anderer ehemals verstaatlichter Betriebe, Einbindung in den Weltmarkt, also Öffnung der Märkte durch Herabsenken der Zölle, Erleichterungen von ausländischen Direktinvestitionen, Ausbau des Exports bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Produktion für den heimischen Markt. Mit dem Export der Rohstoffe landet die eigentliche Wertschöpfung bei den reichen Abnehmerländern. Und da sitzen die Finanzmogule. Mittlerweile zählt Ghana übrigens zu den ärmsten Ländern der Welt. Mehr als dreißig Prozent seiner Bürger leben mit weniger als einem Dollar pro Tag. Die Folge: die Menschen verlassen das Land.

Die Völker dieser Erde haben leider erst teilweise verstanden, dass Abkommen nicht für Menschen, sondern vorrangig für Waren gemacht werden. Als kleine Zugabe würzt man die Ausbeutungsabkommen mit schönen Worten wie Demokratie, Menschenrechte und visafreiem Reisen etwas nach. Fertig! Wann und ob es einen neuen Majdan geben wird, wird in der Ukraine letztenendes von der Intensität des Aderlasses abhängen.

Ein NEE ist immer ein NEE zu diesem Raubtierkapitalismus und dem Kriegsschauplatz ARM gegen REICH. Solange die Politiker nicht die Seiten wechseln, wird es noch viele Abkommen, Opfer und durchaus berechtigte NEEs geben.

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Geschrieben von

initiative146

Die Initiative 146 wirbt für eine Verfassung in Deutschland und hat dazu bereits einen ausformulierten Verfassungsvorschlag ins Netz gestellt.

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