Sie organisiert Festivals, legt in Clubs auf und dreht eben auch mal einen Porno. Dieses Jahr ist Sky Deep für den PorYes-Award nominiert, einen Filmpreis für feministische Pornos, der am 21. Oktober in Berlin verliehen wird. Im Gespräch erzählt die US-Amerikanerin davon, wie sie es schafft, eine Brücke zwischen Popkultur und Erotik zu schlagen.
der Freitag: In den meisten Biografien werden Sie als Musikerin, Produzentin und DJ bezeichnet. Ist Pornoproduktion Neuland für Sie?
Sky Deep: Ich bin mit Unterbrechungen seit Ende der 1990er Jahre in die Sexindustrie verwickelt, ich war bloß nie daran interessiert, selbst vor der Kamera zu stehen. 2006 habe ich angefangen, Erfahrungen im Bereich Mainstream-Film zu sammeln, hauptsächlich in den Bereichen Tontec
sammeln, hauptsächlich in den Bereichen Tontechnik und Produktionsassistenz. Als ich nach Berlin kam, habe ich alle Jobs angenommen, die ich kriegen konnte, und weil ich schon Teil der queeren Szene war, brauchten eben Menschen manchmal eine Tontechnikerin für ihre queeren Pornos. Es hat unheimlich viel Spaß gemacht, sich um die Sexgeräusche zu kümmern. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es schwer ist, unabhängig zu arbeiten, deswegen wollte ich die queere Community in Berlin unterstützen und gleichzeitig kennenlernen. Ich wurde häufiger gefragt, ob ich nicht selbst vor der Kamera stehen will, habe es jedoch immer wieder verneint, weil ich meine Karriere nicht negativ beeinflussen wollte.Placeholder infobox-1Irgendwann haben Sie dann doch entschieden, selbst einen Porno zu drehen, die Sorge um Stigmatisierung und den Einfluss auf Ihre Musikkarriere war dann kein Thema mehr?Doch, klar. Ich musste eine Entscheidung treffen. Will ich mich verstecken und den Film unter einem anderen Namen produzieren oder benutze ich meinen bekannten Künstlerinnennamen? Ich entschied mich für die selbstermächtigende Richtung und blieb bei meinem bekannten Namen. Ich bin es leid, mich zu verstecken. Ich bin zu alt dafür. Es passiert garantiert, dass ich deswegen manche Aufträge nicht bekomme, aber ich habe mich dafür entschieden, dass mir das egal ist.Ihr Debütfilm „Enactone“ ist eine thematische Geschmacksexplosion. Wie kommt man dazu, einen Porno über schwarze, queere Vampire zu drehen, der diverse Körper zeigt und Bezüge zu Sklaverei in der Geschichte Amerikas herstellt?Ich liebe Vampirfilme. Ich will sie alle sehen und kriege nicht genug davon. Das Spannende an Vampirfilmen ist, dass jeden Charakter eine tiefgreifend historische Geschichte prägt. Das hat viel Potenzial. Die Idee, einen Vampir-Porno zu drehen, entstand mehr oder weniger aus einem Witz, ich solle doch einen queeren Vampir-Porno drehen. Das fand ich so gut, dass ich es umsetzen musste. Dass es ein Porno wird, war nicht geplant. Der Film sollte in erster Linie sexy werden und eine queere Besetzung haben. Er ist sehr intim geworden. All die Themen spiegeln einen Teil meines Lebens wider. Queerness ist mein Leben. Schwarzsein ist mein Leben. Und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper ist mein Leben. Davor hätte ich meinen Körper niemals vor der Kamera offengelegt, ich hätte mich nicht einmal vor meiner eigenen Mutter umgezogen. Während der Dreharbeiten habe ich erst versucht, es sehr dezent zu halten. Ich wollte nur mein Oberteil ausziehen und mehr nicht. Später mussten wir das Drehbuch erweitern, weil wir nicht genug Material hatten. Meine Co-Produzentin Marit Östberg schlug vor, eine große Sex- oder Fetisch-Szene zu integrieren. Bis dahin fehlte uns nämlich noch ein Höhepunkt im Handlungsverlauf, um die Geschichte zu einem Ende zu bringen. Ich hätte an dieser Stelle auch aufhören können, dann wäre es ein Avantgarde-Kurzfilm geworden. Für mich war die Geschichte wichtig, also entschied ich mich für den Sex. Ich habe sehr viel recherchiert und historische Fakten über das Jahr 1914 gesammelt. Der Film wird dadurch sehr politisch. Er hat mit Menschen wie mir zu tun, Menschen, die zwar so aussehen wie ich, aber im Jahr 1914 gelebt haben. Mein Charakter im Film wird 1914 zu einem Vampir, in der Folge ist es nur realistisch, dass ich auch die Geschichte aus die-ser Zeit in meinem Film erzähle.Das hört sich intensiv an, war der Film für Sie auch ein Stück weit therapeutisch?Auf jeden Fall! Damals konnte ich noch nicht abschätzen, welche Auswirkungen der Film auf meine psychische und physische Verfassung haben würde. Ich zeige meinen Körper der ganzen Welt und noch dazu mein Gesicht beim Sex, dafür erfahre ich Anerkennung. Doch Filmmachen ist kein Allheilmittel. Ich kämpfe immer noch mit meinem Körpergefühl, besonders jetzt, wo ich viel in der Öffentlichkeit stehe.Und der Name, wie kam der zustande?Ich liebe Wortspiele, deswegen setzt sich der Name aus den Wörtern „enact“ (inszenieren) und „atone“ (für etwas büßen) zusammen. Mein Plan war es, einen religiösen Vampirfeiertag zu inszenieren. Es ging mir darum, dass bestimmte Dinge, die sie aus ihrer Vergangenheit beschäftigen, inszeniert oder nachgespielt werden sollen. „Atone“ bedeutet, dass man es bereut und im religiösen Sinne Buße zahlt. Das bedeutet, dass du deine Sünden beichtest und danach dich ändern willst. Im Film besuchen wir in Vampirzeremonien traumatische Erfahrungen aus unserer Vergangenheit und versuchen, sie irgendwie umzukehren, wiedergutzumachen, aufhören zu töten. Eines der Grundkonzepte im Film ist, wenn wir nicht töten müssen, wieso tun wir es trotzdem? Ist es ein Vampirinstinkt oder ist das Blut so gut, dass wir nicht widerstehen können?Wie sehen die Reaktionen auf den Film aus?Immer wieder fragen mich Menschen, wieso ich Sex und Sklaverei miteinander in Verbindung bringe. Nicht jeder Mensch kann dieser Herangehensweise etwas abgewinnen. Und hin und wieder wird mir gesagt, dass die Vampirszenen gewaltvoll wirken. Ich kann das verstehen, der Vampir wird zubeißen und du weißt nicht, wann. Doch jede Szene in dem Film beruht auf Konsens und es gibt viele Menschen, die eben solche Fantasien haben. Und es gibt Menschen, die zu mir kommen und sich bedanken, weil sie sich zum ersten Mal auf der Leinwand in einem Moment des Begehrens repräsentiert fühlen.Die Preisverleihung steht vor der Tür, wie fühlt sich das an?Ich bin ziemlich überrascht, aber es fühlt sich auch überragend an. Vorhin habe ich gesagt, dass ich mir Anerkennung wünsche, und ich hoffe, dass die Preisverleihung mehr Menschen auf den Film aufmerksam macht. Ich muss mich damit auseinandersetzen, was das für meinen Alltag bedeutet. Menschen erkennen mich häufiger auf der Straße oder machen Fotos von mir. Dann frage ich mich, wieso sie mich anschauen. Vielleicht gibt es keinen bestimmten Grund, vielleicht freuen sie sich einfach mich zu sehen, trotzdem bin ich schnell verunsichert und beziehe es immer wieder auf meinen Körper. Muss ich jetzt permanent so aussehen wie eine Entertainerin, selbst wenn ich nur auf dem Weg zum Supermarkt bin? Ich würde gerne sagen, dass es mich nicht interessiert, aber ich schätze, es beschäftigt mich schon. Letzten Endes habe ich mich da-für entschieden, jetzt muss ich sehen, wie ich damit umgehe.
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