Im Preis inbegriffen

Marketing Lebensmittelkonzerne wie Unilever reagieren mit Mini-Packungen darauf, dass viele Kunden sparen müssen. Vor allem in Griechenland und Spanien will man so Kunden binden
Solche verkleinerten Versionen von Originalpackungen gibt es im Kinderkaufladen - und bald wohl auch in Griechenland
Solche verkleinerten Versionen von Originalpackungen gibt es im Kinderkaufladen - und bald wohl auch in Griechenland

Foto: der Freitag

Die europäische Krise sorgt für neue Kreativität bei Lebensmittelkonzernen – zumindest was ihre Marketingstrategien betrifft. So versucht das Unternehmen Unilever seine Marken wie Knorr oder Langnese nun über Mini-Packungen zu verkaufen. Weil vor allem Käufer in Südeuropa knapper bei Kasse sind als noch vor einigen Jahren, bietet Unilever dort kleinere Packungen an. Für die Griechen gibt es Instant-Kartoffelbrei in Kleinstportionen, Spanier können Waschmittel jetzt in Päckchen kaufen, die für gerade mal fünf Waschgänge reichen.

Der niederländisch-britische Konzern will so auch Käufer bei der Stange halten, die jeden Euro umdrehen müssen. Mit derselben Idee sind Unilever und andere Lebensmittelkonzerne seit Jahren in Schwellenländern erfolgreich. Auch in Afrika werden Markenprodukte so verkauft: Die Maggi-Würfel von Nestlé gehen dort einzeln über die Theke. Bei genug Masse geht für Konzerne diese Strategie auf, aber haben Kunden auch etwas davon?

Wie Einkauf auf Raten

„Das ist klassisches Marketing“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Für den Verbraucher bietet es zunächst keine Vorteile.“ Kleine Packungsgrößen erschienen zwar günstiger, seien im Verhältnis aber teurer. Es sei aufwendiger, sie herzustellen und zu vermarkten. Das sei wie beim Unterschied zwischen Groß- und Wochenmarkt: „Es ist leichter, eine Kiste Tomaten zu verkaufen als jede Tomate einzeln.“ Also erhöht sich bei kleineren Einheiten der Preis.

Kunden würden diese Preissteigerung aber oft nicht wahrnehmen, denn die scheinbar niedrigere Summe auf dem Etikett sei psychologisch ein Kaufanreiz. „Kaufentscheidungen werden innerhalb von Sekunden getroffen“, sagt Valet. Artikel zu 99 Cent würden als Sonderangebote angesehen, man greife sofort zu, ohne den Grundpreis zu vergleichen. Das Prinzip gleiche einem Kauf auf Raten. Dass man nicht sofort eine hohe Summe bezahlt, macht das Produkt ja nicht günstiger.

Auch Unilever-Sprecher Konstantin Bark will nicht ausschließen, dass die kleinen Packungen unter dem Strich mehr kosten: „Grundsätzlich versuchen wir aber, diese so günstig wie möglich anzubieten.“ Der Endpreis werde ohnehin nicht von Unilever bestimmt, sagt er, sondern vom Handel, also den Märkten, die die Produkte verkaufen. Ein Argument, mit dem Konzerne sich laut Verbraucherschützer Valet gerne herausreden, wenn es um versteckte Preiserhöhungen geht.

Valet ist überzeugt, dass heimlich verhandelt wird, beweisen ließe sich das aber nicht. Im Falle der Kleinpackungen von Unilever hätten Supermärkte sicher kein Interesse, sie allzu günstig anzubieten. Denn wenn sie sich gut verkaufen, werden sie weniger von ihren Eigenmarken los.

Als Spar-Gelegenheit will Unilever-Sprecher Bark die Kleinpackungen auch nicht bewerben. Man wolle vielmehr „Verbrauchern mit geringem Einkommen die Gelegenheit bieten, sich etwas zu gönnen“. Mit anderen Worten: Das Unternehmen will Kunden in Krisenländern ködern, die eigentlich sparen müssen. Eine Rechnung, die anderswo bereits aufgeht. Unilever-Europa-Chef Jan Zijderveld hat sich vor Kurzem etwas deutlicher in der Financial Times Deutschland dazu geäußert: „In Indonesien verkaufen wir Einzelpackungen Shampoo für zwei bis drei Cent und verdienen trotzdem ordentliches Geld.“

Gezielt kleine Mengen anzubieten sei ein bewährtes Mittel, Käufer mit kleinem Geldbeutel zu erreichen, bestätigt Jutta Rietschel. Die Diplom-Psychologin forscht am Institut für Marktpsychologie (IFM) in Mannheim. Dort werden Unternehmen bei der Entwicklung von Marketingstrategien beraten. Eine weitere Variante seien die altbekannten Promotion-Aktionen à la „drei Packungen zum Preis von zweien“. Mit denen will man Kunden an die Marke binden. Eine weitere Option sei es, günstige Produktlinien anzubieten, die sogenannten Handelsmarken. Unternehmenssprecher Bark bestätigt, dass Unilever mit der Linie Elais in Griechenland griechische Margarine, Öl, Mayonnaise und Tomatensoße vertreibt – heimische Produktion zu bewusst niedrigen Preisen. Auch das Geschäft mit regionalen Billigmarken will man nicht anderen überlassen.

Bei Waschmaschinen nutzlos

Marktpsychologin Rietschel sieht aber selbst bei Kleinpackungen Vorteile für die Kunden. „Geringe Mengen einzukaufen, kann helfen, sich das Produkt besser einzuteilen“, das heißt, weniger zu verbrauchen. Ein Effekt, den auch Verbraucherschützer Valet für möglich hält. Bei Produkten wie Waschmittel sei der allerdings nutzlos. „Entweder man stellt eine Maschine an oder nicht“, sagt Valet.

Aber selbst wenn Käufer die kleinen Mengen besser dosieren – um zu sparen, müssten sie den höheren Grundpreis ausgleichen. Psychologen von der Technischen Universität Lissabon haben sogar einen gegenteiligen Effekt beobachtet: Teilnehmer einer Studie aßen mehr Kartoffelchips, wenn diese in kleinen Tüten serviert wurden. Sie griffen öfter zu, weil die Hemmschwelle niedriger war. Das erhofft sich auch Unilever: Dank der Kleinpackungen sollen sich Griechen und Spanier häufiger für die Konzernprodukte entscheiden.

Nur wie kann man den psychologischen Fallen entgehen? Armin Valet rät grundsätzlich zu No-Name-Produkten. Die seien unabhängig von der Füllmenge günstiger als Marken und schneiden in Qualitätstests gut ab. Fertigprodukte bei Lebensmitteln sollten Verbraucher ohnehin lieber im Regal stehen lassen: Sie kosten in der Regel mehr als eine selbstgekochte Mahlzeit. Frische regionale Waren statt Kartoffelbrei aus der Tüte? Dann bräuchte Unilever einen ganz neuen Plan.

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