Making-of zu den Wahlwerbegeschenken

Was noch passierte Wie kamen die Giveaways in die Redaktion? Und vor allem: Was lösten sie dort aus? Unsere ehemalige Praktikantin Irene Habich erzählt von ihrem letzten Auftrag

Das erste Geschenk-Paket kommt von der SPD. Ein großer Karton voll mit roten Wahlwerbeartikeln, neudeutsch Giveaways. Schnell rollt das gesamte Alltagsressort die Bürostühle heran. Wir wühlen uns durch die SPD-Box und amüsieren uns über seltsame Slogans, die auf biegen und brechen zu den Artikeln passen sollen ( „Ohne Konservativenstoffe“ steht auf einem Brausepulver, auf einem Flaschenöffner „Offen für Neues“).

Doch es liegt noch etwas anderes in der Luft. Es gibt etwas umsonst. Und davon will jeder ein bisschen abhaben, auch wenn es Arbeitsmaterial ist, gewissermaßen Redaktionseigentum. Die Ressortleiterin muss bald einen Riegel vorschieben. Eine kleine rote SPD-Quietscheente für jeden, dann wird der Rest ins Regal verfrachtet.

Mein letzter Praktikanten-Auftrag, Wahlgeschenke der Parteien zusammenzutragen, scheint geeignet mir noch in der letzten Woche Sympathiepunkte zu sammeln. Auch wenn ich zunächst wenig begeistert war von folgender Aufforderung: „Ruf mal alle Parteien an und frag, ob die nicht etwas umsonst für uns haben“. Ich soll fremde Menschen bitten, mir etwas zu schenken, das mag ich nicht. Ist aber natürlich die falsche Einstellung – sollen sich doch freuen, die Parteien, wenn wir über sie berichten, lasse ich mir von den Redakteuren erklären.

Bloß nicht unseriös erscheinen

Um nicht unseriös zu erscheinen, sollte ich allerdings nicht von einem spaßigen Artikel reden. Ich habe mich für folgende Formulierung entschieden: „Wir machen einen Artikel über Wahlwerbung der verschiedenen Parteien. Was es da für unterschiedliche Methoden gibt. Insbesondere interessieren wir uns für die kleinen Geschenke, die sie den Wählern machen“ ( genau genommen nur für die, die wollen wir haben am liebsten alle und umsonst. ) „Was macht gerade ihre Partei da Besonderes?“ ( damit versuche ich zu erreichen, dass sie nicht nur Kulis schicken ).

Vor den ersten Anrufen stöbere ich im Internet. In den Online-Shops der Parteien gibt es „Streuware“ und Werbemittel zu kaufen, die wir haben wollen. Doch kaufen wollen wir ja nichts. Ich rufe zunächst die Grünen an, deren Shop sich nur registrierte Mitglieder ansehen können. Man ist freundlich und verspricht mir schnell ein Paket zusammen zustellen. Genauso einfach und schnell geht es bei SPD und der Linken.

Die CDU ist skeptisch

Bei der CDU hingegen ist die Frau, zu der ich über Umwege durchgestellt werde, irritiert. Sie betont, dass die Ortsverbände die Artikel ja schließlich auch KAUFEN, und es fehlt eigentlich nur, dass sie mir vorschlägt, das ebenso zu tun. Ich könne mir das ja im Internet ansehen, sagt sie. Umsonst gibt es hier erstmal nichts. Liegt das zögerliche Verhalten der CDU etwa an der politischen Ausrichtung unserer Zeitung? Vielleicht wollte die Frau ihre guten Kugelschreiber nur nicht an Journalisten verschenken, von denen sie glaubt dass sie die CDU sowieso nicht mögen, überlege ich mir. Ich überprüfe spontan meine eigene politische Gesinnung mit einem Test, über den ich während der Recherche auf der Seite der Berliner CDU gestoßen bin. Er heißt: „Soll ich CDU Mitglied werden?" Der Test fällt ein hartes Urteil „Das war leider nichts. Bei der CDU sind Sie bestimmt nicht richtig aufgehoben.“ Vielleicht hat die Frau das instinktiv bemerkt und wollte mir deshalb keine Kulis geben?

So schlimm kann es aber doch nicht sein, denn im zweiten Anlauf erwische ich auch bei der CDU einen kooperativen Gesprächspartner, der mir wie die anderen Parteien eine Giveaway Sammlung zuschicken will. Fehlt nur noch die FDP. Ich bin etwas nervös. "Die wirtschaften bestimmt knallhart", denke ich mir. In den Telefonaten fällt aber vor allem auf, dass es dort stärkere Hierarchien in der Giveaway-Verteilung zu geben scheint. Die erste Person, mit der ich spreche, ist prinzipiell nicht abgeneigt und möchte schon einmal etwas zusammensuchen. Ich soll mich später aber nochmal bei Herrn Soundso melden.

Das fertige Paket scheint während des nächsten Telefonats neben meinem neuen Gesprächspartner zu stehen, muss aber noch von ihm „freigegeben“ werden. Ich verhandele mit ihm, ohne zu verstehen wo genau das Problem liegt. Wenn der Geschäftsführer alles geprüft hat, werde ich meine FDP Giveaways bekommen, sagt er schließlich, na also. Ich bin gespannt. Und finde es schade. Denn ich stelle mir vor wie in der Redaktion endlich gelbe Quietscheenten, grüne Kondome und orangefarbene Bonbons eintreffen und ich nicht mehr dabei sein werde. Mein Praktikum geht heute zu Ende.

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