Steinzeit-Spot

Frauensache Warum können Frauen nicht einfach Fußball gucken? Die "Sportschau"-Werbung zelebriert männliche Klischees – und das, wo laut ARD jeder dritte Zuschauer weiblich ist
Steinzeit-Spot

Illustration: Otto

Ein Neandertaler fläzt sich selig im Sessel, im Steinzeit-TV kommt Fußball. So beginnt ein animierter Knetmännchen-Werbespot, mit dem die ARD zum Bundesligasaisonbeginn an die Rückkehr der Sportschau erinnert. Kaum sitzt das Knetmännchen, fängt die Frau aber schon an zu nerven. Sie will Rat bei der Kleiderwahl, präsentiert sich in Leoparden-Mini und Tigerfell-Bustier vor dem Fernseher. Der Neandertaler-Mann versucht verzweifelt an ihr vorbei auf den Bildschirm zu starren. Erst mit einem Bikini aus zwei Fußballhälften kann die Steinzeit-Frau seinen Blick auf sich ziehen. „Neandertaler“, seufzt sie. „Männer waren schon immer so, jedenfalls samstags“, erklärt dazu eine Stimme aus dem Off.

Natürlich soll das Ganze lustig sein, ist es nur leider nicht. Der Spot zelebriert einfach Geschlechterklischees für die Zielgruppe männlicher Fußballfans. Und das, wo laut ARD jeder dritte Sportschau-Zuschauer weiblich ist. Viele Frauen interessieren sich für das, was auf dem Rasen passiert – nicht nur für den Mann im Sessel. In der öffentlichen Wahrnehmung kommt das aber immer noch nicht richtig an. In diesem Denken kommen Frauen beim Fußball höchstens als schönes Anhängsel vor. So erinnert die Steinzeit-Blondine an junge Frauen, die auf den Fanmeilen im Bikini posieren oder sich den Busen mit Deutschlandfarben bemalen. Ihre männlichen Begleiter nehmen sie dann auf die Schultern, und die Bild druckt Fotos von ihnen auf Seite eins.

Abseits der Fanmeilen gilt das aber als prollig. Dort gibt es einen anderen Kodex. Hier werden Frauen fast nur als Fans ernst genommen, wenn sie sich wirklich gut – also besser als viele Männer – mit Fußball auskennen. Nur was ist mit dem Rest, der den wohl größten Teil der weiblichen Fußballinteressierten ausmacht? Ich selbst schaue gerne Fußball. Nicht nur Länderspiele, auch mal Bundesliga, auch mal Champions League. Ich merke mir die Namen von Spielern, die gut spielen, nicht von denen, die gut aussehen. Den Kicker habe ich zwar nicht abonniert, aber ich trage keine Fußballbikinis und maße mir trotzdem an, beim Public Viewing Kommentare abzugeben, die ich für zumindest durchschnittlich qualifiziert halte – genau wie viele Männer eben auch. Frauen werden dafür nur bis heute meist belächelt. Vielleicht waren Männer schon immer so. Oder sie bleiben es dank Steinzeit-Werbespots.

Irene Habich hat als Kind jeden Tag mit den Nachbarjungen Fußball gespielt. Heute sieht sie sich die Spiele lieber im Fernsehen an

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