Einreiseverbot für kritischen Journalisten

Sotschi 2104 Der Auslandskorrespondent der türkischen Zeitung Radikal hat von Rußland ein fünfjähriges Einreiseverbot erhalten. Zuvor hatte er sich kritisch zu Sotschi 2014 geäußert

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Es ist nicht alles Gold, was glänzen soll
Es ist nicht alles Gold, was glänzen soll

Foto: ARIS MESSINIS/AFP/Getty Images

Fehim Taştekin ist ein renommierter türkischer Journalist bei der linksliberalen Tageszeitung Radikal. Arbeitsschwerpunkt von Taştekin sind Artikel zu Geschichte und Gegenwart des Kaukasus. In einem seiner jüngsten Beiträge, dem Artikel vom 16.9.2013, hatte er die russische Machtpolitik im Nahen Osten und dem Kaukasus analysiert und war dabei auch auf die Olympischen Spiele eingegangen. Er hatte die außerordentlichen Sicherheitsmaßnahmen für die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 als Ausdruck einer „Kaukasus-Paranoia“ der russischen Machthaber kritisiert und in diesem Zusammenhang das extrem abgeschirmte Olympiagelände als „Olympia-Konzentrationslager“ bezeichnet.
Wie am vergangenen Samstag und Sonntag u.a. von Radikal und Hürriyet berichtet wurde, ist Taştekin am von russischen Behörden am Flughafen von Sotschi die Einreise verweigert worden. Taştekin hatte, wie es die offiziellen russischen Einreisebestimmungen für Abchasien vorsehen, über den Flughafen von Sotschi nach Abchasien weiterreisen wollen, um dort als offizieller Staatsgast an den Feierlichkeiten am 30. September 2013 zur Unabhängigkeit Abchasiens teilzunehmen. Am Flughafen wurde der Journalist von den russischen Behörden informiert, daß eine fünfjährige Einreisesperre gegen ihn verhängt worden sei.
Eine Begründung für ihr Vorgehen haben die russischen Behörden bisher offenbar nicht geliefert - auch nicht gegenüber dem nächstgelegenen türkischen Konsulat in Novorossijsk. Laut Taştekin wäre eine solche Einreisesperre für ihn als Koresspondenten mit Arbeitsschwerpunkt Kaukasus beruflich „tödlich“, wie er gegenüber der Zeitung Hürriyet betonte. Der Journalist will demzufolge nach eigener Aussage Schritte ergreifen und hierfür notwendige Anträge bei den zuständigen türkischen Behörden einreichen Laut Hürriyet waren die Rückflüge in die Türkei ausgebucht, so daß Taştekin auf dem Flughafen von Sotschi festsaß und muß bis Montag warten, um beim türkischen Konsulat in Novorossijsk einen entsprechenden schriftlichen Gesuch stellen zu können.
Tscherkessische Verbände in der Türkei haben gestern abend in Solidarität mit Fehmi Taştekin vor dem russischen Konsulat in Istanbul demonstriert und eine Presseerklärung verlesen, in der auch die fortgesetzte Weigerung des russischen Staats, sich der Vergangenheit zu stellen und den Völkermord an den Tscherkessen anzuerkennen, verurteilt wurde. Erol Karayel, Sprecher der Çerkes Hakları İnisiyatifi (“Initiative für tscherkessische Rechte“), kritisierte den aktuellen Vorgang gegenüberTaştekin mit harschen Worten:
Rußland ist bestrebt, die in der Vergangenheit begangenen Verbrechen zu vertuschen und greift demzufolge wie ein tollwütiger Hund jeden an, der seiner Vergangenheit einen Spiegel vorhält. Diejenigen, die gegenüber den Diskursen des KremlsPosition beziehen, läßt dieser entweder in einer stillen Ecke von seinen Auftragsmördern umbringen, oder sie werden auf schwarze Listen gesetzt, um ihnen dann bei der erstbesten Gelegenheit, bei der sie in seine Hände fallen, den Weg abzuschneiden.
Der Journalist Fehim Taştekin, Leiter des Auslandsressorts der Zeitung Radikal, ist somit das jüngste Beispiel derjenigen, denen ihr Weg versperrt wird.“
Fehim Taştekin twittert unterdessen vom Flughafen Sotschi und bemüht sich, seinen unfreiwilligen Aufenthalt dort mit Humor zu nehmen. Seinen letzten tweets und einer Notitz in der Zeitung Radikal zufolge, in der er das Vorgehen der russischen Behörden, die Situation am Flughafen wie auch die Bedeutung der Einreisesperre für seine jouranlistische Arbeit erläutert, befindet er sich mittlerweile auf der Rückreise nach Istanbul.
Nachtrag:
Weitere Fälle von Repressionen gegen Intellektuelle und Aktivisten, die sich mit der kolonialen Vergangenheit des Westkaukasus und den Olympischen Winterspielen in Sotschi kritisch auseinandersetzten, thematisiere ich auf meinem blog unter http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.com/. Bisher sind hier einzelne Informationen zu Repressionen bzw. Drohungen gegenüber dem Aktivisten Kuban Kural wie auch gegenüber dem (nun ehemaligen) Direktor des adygischen Nationalmuseums Almir Abregov nachzulesen. Meine eigenen Erfahrungen mitrepressivem Vorgehen innerhalb Deutschlands habe ich hier im Freitag sowie in einem Interview mit der Analyse-Webseite German Foreign Policy geschildert, alternativ dazu sind sie nachzuhören in einem Audiomitschnitt eines Vortrags, den ich im Juni diesen Jahres anläßlich einer Ausstellung des Whistleblower-Netzwerkes im Verdi-Haus in Karlsruhe gehalten habe. Auf meinem blog wird diese Woche ein ausführlicheres Interview mit Abrek Gendargno, Aktivist der NoSochi 2014 Kampagne und Neffe des oppositionellen tschetschenischen Politikers Medet Önlü, der im Mai 2013 in seinem Büro in Ankara ermordet wurde, folgen.
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