Pünktlich um halb zehn fahren wir mit dem amal-bus chinesischer bauart in gemütlichen sitzen ab richtung el-hassakeh. Das innendesign des busses bereitet mir kopfschmerzen. Selten ein so missglücktes und verschrobenes design sehen müssen. Im bus läuft als film der mitschnitt eines regierungskritischen (!) politischen kabarets. Angenehmer kontrast zu den sonst laufenden unterirdischen ägyptischen klamaukfilmen oder den grässlichen amerikanischen schmonzetten, die gewöhnlich bei busreisen hier gezeigt werden und einem die laune verderben. Das logo des filmes (senders?) zeigt ein xp (den kurdischen buchstaben x!) in den farben kurdistans. Fast schon zu viel des oppositionellen. Allerdings kann man sich nicht auf den film konzentrieren, da man die ganze zeit damit befasst ist, sich den klimatischen schwankungen gemäß angemessen zu kleiden. Die temperaturen im innenraum des busses (ich vermute, dass sie außen recht stabil waren) schwankten zwischen 15 und 32 grad celsius. Das war für eine angemessene garderobe eine echte herausforderung.
Auf einer raststätte, werde ich von einem jugendlichen toilettenjungen gefragt: „Ajnabil m’alim?“, was so viel heißt, wie „bist du ausländer, meister?“. Die kombination aus diesen beiden worten ist schon seltsam, wenngleich mir das wort ajnabil hier häufiger und ganz offenbar nicht in abwertender weise, sondern häufig einfach als frage von kindern entgegengebracht wird. Bei der gleichen pause begegnet und ein junger mann, den ich schon aus dem hamam in damaskus kenne und der nun auf dem weg ist, seine familie zu besuchen. Wir plaudern etwas, tauschen nummern und so. Das hotel, welches wir problemlos finden ist zentral gelegen, angenehm, sauber und nicht zu teuer. Das publikum ist mäßig langweilig, was ja aber auch eine ruhige nacht ohne party verspricht. Ahmad, der uns hier eigentlich empfangen wollte, ist verhindert, da es einen spontanen trauerfall in seiner familie gegeben hat. Er wird und inscha’allah morgen die aufwartung machen.
El-hassakeh ist eine moderne stadt. Viele armenier, christen (angeblich neben den obligatorischen sekten diverser katholischer und orthodoxer gruppierungen sogar protestanten!) und viel modernes volk. Da es viele christen gibt, gibt es hier auch ein büro der christlichen großsyrischen partei, die mir im libanon schon ob ihres an ein hakenkreuz gemahnenden logos aufgefallen ist. hier war sie ja so lange verboten, bis sie von entscheidenden inhalten abgerückt ist (anerkennung der grenzen zum beispiel und aufgabe der idee eines groß-syrischen reiches). Sie kann wohl hier nun nicht mehr wirklich als fascho-partei gelten, wengleich das logo zumindest mich als deutschen arg daran erinnert. Es wäre auch fragwürdig, wenn ein ehedem sozialistisches land eine solche partei zulassen würde. Aber die partei scheint wohl eher konfessionell orientiert zu sein. Christen sind offenbar ihre bevorzugten parteigänger. Ansonsten fallen die vielen herumstehenden taxis auf. Es scheint ein überangebot an personenbeförderungsmitteln zu geben. Ich kann mir nur schwerlich vorstellen, dass es zeiten gibt, wo alle taxis im einsatz sind. Als unser bus ankam, standen dort in etwa dreißig taxis, von denen lediglich zwei gebraucht wurden. Achtundzwanzig taxis standen danach immer noch dort, wer weiß wie lange? Im prinzip sieht man auch nur leere taxis herumfahren. Es kann ja sein, dass es immer noch erfolgversprechender ist, in einem taxi auf einen job zu warten, als an einer straßenecke herumzulungern. Aber es ist eben doch auch ungleich teurer, denn das motorisierte gefährt muss nicht nur angeschafft, sondern auch gewartet und betankt werden. So ganz allein für den chauffeur kann sich das unterfangen doch nicht lohnen.
Am abend erstehe ich noch eine art rumkugel ohne rum. Sie heißt, wie bei uns schoko-küsse nicht mehr heißen dürfen – sogar schlimmer: ras el abed. Abed ist dabei ein name: abdul: sklave. Sklave und „neger“ sind ganz offenbar im arabischen ein und das selbe wort! Der ras el abed ist ein negerkopf, oder eben ein sklavenkopf. Zu meinem erstaunen erfahre ich, dass es sklaverei in saudi-arabien (wohl als letztem arabischen land) noch bis zu einem gesetz des königs bis ca. 1960 (!) gegeben haben muss. Da müsste ich mich – sobald ich im rahmen zivilisatorischer strukturen wieder an einen internetanschluss komme – noch mal genauer informieren.
Kommentare 6
Lieber isam almatlub,
hier per c/p ein Kalenderblatt des DeutschalndRadios von 2003:
2.6.2003
Vor 40 Jahren
In Saudi-Arabien wird die Sklaverei offiziell abgeschafft
Uwe Golz
Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.
So steht es in Artikel 3 der UNO-Menschenrechtserklärung. Doch selbst die systematische Missachtung dieses Rechtes, die Sklaverei, ist bis heute nicht überwunden. Was sich geändert hat, ist die Einstellung gegenüber der Sklaverei: Noch vor rund 200 Jahren waren Sklaverei und Leibeigenschaft weltweit akzeptiert; erst die Französische Revolution legte mit ihren Idealen von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit in Europa die Grundlage für die Ächtung der Sklaverei. 1815 wandte sich der Wiener Kongress in einem Beschluss gegen die Sklaverei.
In vielen afrikanischen und arabischen Staaten änderte sich an der Sklaverei bis ins 20. Jahrhundert wenig. Als 1932 das Königreich Saudi-Arabien gegründet wurde, gehörte die Sklaverei - wie in allen arabischen Staaten - zum Alltag. Von den Briten auf den Thron gehoben hatte Ibn Saud, ein Beduinenführer und Anhänger der puritanischen islamischen Wahabitensekte, für die britischen Kolonialansprüche und gegen Bezahlung eine Reihe von Kriegen quer über die arabische Halbinsel geführt - mit großer Brutalität. Die Köpfe geschlagener Gegner wurden auf die Pforten eroberter Städte gespießt, die Mädchen und jungen Frauen versklavt.
Die Versklavungen gehörten nicht zu den besonderen Grausamkeiten des saudischen Herrschers. Denn im ganzen arabischen Raum war der Sklavenhandel bis ins 19. Jahrhundert einer der wichtigsten Wirtschaftszweige.
Erst 1963 wurde die Sklaverei in Saudi-Arabien per königlichem Dekret abgeschafft - offiziell. Den Schritt hatte das Königshaus auf Druck aus dem Westen unternommen, die offizielle Abschaffung blieb aber letztlich ein Lippenbekenntnis. Tatsächlich leben immer noch viele Menschen im arabischen Königreich in Sklaverei. Die "Werkstatt Ökonomie", 1983 im Ökumenischen Netz Baden gegründet und in Deutschland einer der engagiertesten Vereine im Kampf gegen Kinderarbeit und -sklaverei, stellte fest:
Am Beginn des 21. Jahrhunderts gibt es mehr Sklaven in aller Welt, als in den vergangenen Jahrhunderten aus Afrika verschleppt wurden.
Heute wird die Gesamtzahl der Sklaven auf 27 Millionen Menschen geschätzt.
Die moderne Form der Sklaverei, in Saudi-Arabien weit verbreitet, ist die sogenannte "Contract Slavery". Mit betrügerischen Verträgen und großen Versprechungen werden Menschen in unterentwickelten Ländern angeworben. Einmal im "Land der Verheißung" angekommen werden die Verträge vom neuen Herrn zerrissen, für ungültig erklärt und die Reisepässe abgenommen.
Die modernen Sklaven Saudi-Arabiens kommen als sogenannte Gastarbeiter aus Pakistan, Indien, Südkorea, Indonesien, den Philippinen und Nigeria. Sie werden für einfache und - wenn überhaupt - schlecht bezahlte Arbeiten eingesetzt:
"Teaboys", Putzpersonal, Packer, Müllmänner, Straßenkehrer, Verkaufs- oder Hauspersonal.
Unter den Ausländern in Saudi-Arabien ist diese Gruppe die größte und zugleich rechtloseste und gefährdetste. Die Gastarbeiter müssen an die Vermittlungsagenturen eine Gebühr zahlen und ihre Reisekosten nach Saudi-Arabien selbst tragen. Wer das Geld nicht aufbringen kann, muss seine Schulden in Raten abzahlen. In der Praxis bedeutet das, dass die Gastarbeiter rund zwei Jahre unbezahlt arbeiten müssen. Hinzu kommt die restriktive Haltung der saudischen Ausländerpolizei. Während sich westliche Bürger relativ frei im Land bewegen dürfen, ist die Bewegungsfreiheit dieser Gastarbeiter eingeschränkt. Sie dürfen die Stadt, in der sie arbeiten, nicht verlassen, sonst droht ihnen die Verhaftung. Die Arbeitszeit beträgt bis zu 14 Stunden täglich. Nur der Freitag ist frei. Urlaub wird in den ersten beiden Jahren nicht gewährt.
Begünstigt wird diese moderne Form der Sklaverei durch die saudischen Gesetze. Kein Ausländer - egal, ob Tourist, Geschäftsmann oder Gastarbeiter - kann ohne saudischen Sponsor einreisen. Für die Gastarbeiter ist der Arbeitgeber der Sponsor, der auch für die Aufenthaltsgenehmigung sorgt. So sind die Menschen aus den armen Ländern ihrem Sponsor ausgeliefert.
Ohne seine Zustimmung können sie nicht den Arbeitgeber, die Unterkunft oder den Wohnort wechseln, geschweige denn in ihre Heimat zurückkehren. Für die vom Arbeitgeber abhängigen Gastarbeiter gibt es keinen Schutz. Der Arbeitgeber legt die Löhne nach Gutdünken fest. Zwar könnten die Lohnsklaven - theoretisch - die Arbeitsgerichte anrufen, aus Angst vor Deportation beschreiten aber nur wenige diesen Weg. Für Hausangestellte bleibt nicht einmal dieser Weg - das saudische Arbeitsrecht gilt nicht für sie. Amnesty international berichtet:
Es ist nicht unüblich, dass sich die Arbeitgeber weigern, Löhne oder andere Leistungen auszuzahlen. Weibliche Arbeitskräfte sind besonders gefährdet, die gerade als Haushaltshilfen von der Familie des Arbeitgebers hemmungslos ausgenutzt und auch missbraucht werden: Sie werden im Haus eingesperrt, erhalten keine Nahrung, werden körperlich misshandelt und vergewaltigt. Wenn ausländische Arbeitskräfte verhaftet werden, werden sie oft gezwungen, Geständnisse auf Arabisch zu unterschreiben, obwohl sie die Sprache nicht verstehen.
Auch wenn die Sklaverei in Saudi-Arabien seit vierzig Jahren offiziell abgeschafft ist, ist sie noch lange nicht überwunden.
www.dradio.de/dlr/sendungen/kalender/126470/
als kleinesDankeschön.
@hardob
"Mit betrügerischen Verträgen und großen Versprechungen werden Menschen in unterentwickelten Ländern angeworben. Einmal im "Land der Verheißung" angekommen werden die Verträge vom neuen Herrn zerrissen, für ungültig erklärt und die Reisepässe abgenommen."
und
"Ohne seine Zustimmung können sie nicht den Arbeitgeber, die Unterkunft oder den Wohnort wechseln, geschweige denn in ihre Heimat zurückkehren. (...) Der Arbeitgeber legt die Löhne nach Gutdünken fest. Zwar könnten die Lohnsklaven - theoretisch - die Arbeitsgerichte anrufen, aus Angst vor Deportation beschreiten aber nur wenige diesen Weg."
Stichwort: Zwangsprostituierte
Ort: Deutschland
Zeit: heute
ja ihr Lieben, dafür gibt es keine Galeeren mehr, und das ist doch nun wirklich ein Fortschritt
Ja, das stimmt.
Und bei manchen Baustellen, auch bei öffentlich finanzierten will man auch gar nicht so genau nachschauen oder nehmen wir die Waren der Billigsttextilanbieter, die in Bangladesh hergestellt werden, unter welchen Bedingungen?
www.glocalist.com/news/kategorie/soziales/titel/kampagne-rechte-fuer-menschen-regeln-fuer-unternehmen/
danke fuer diesen klasse eintrag! da kann ich mir muehsames suchen sparen. super und merci (bzw. schukran)
rum war offenbar keiner drin in den kugeln, die man hier so nennt und dort anders. aber sie hatten es in sich.
wahrscheinlich hatte der alte brite shakespeare doch unrecht mit seinem spruch: What's in a name? a rose is a rose.
danke für die erklärung arabischer wörter und namen, isam.