Der Grundton unserer Gesellschaft

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Der große Mythos der Menschheit heißt: der Mensch ist der End- oder Zielpunkt der Evolution! Mit dem Menschen ist die Entwicklung des Planeten abgeschlossen. Der Mensch als solcher kann zwar noch besser werden, aber nach ihm kann nix mehr kommen. Wir sind die Krone der Schöpfung (obwohl die ja irgendwie abgeschafft ist).

Daraus folgt zwangsläufig die Vorstellung der Mensch stehe als Subjekt dem Rest der Welt als Objekt gegenüber. Jede Kultur, die sich als gleichberechtigter Teil der Mitwelt begreift und das in seiner Art zu leben ausdrückt, wird von den „zivilisierten“ Menschen bestenfalls belächelt, schlimmstenfalls ausgerottet. Der aufgeklärte moderne Mensch ist natürlich von funktionellen Überlegungen geprägt, der Gedanke an Respekt gegenüber einem Objekt wirkt irgendwie bizarr – es sei denn man ist religiös.

Aus der Verobjektivierung der Welt folgt quasi direkt die gnadenlose Ausbeutung derselben. Der dabei zugrundeliegende Kernsatz lautet in etwa: es ist alles für euch da. Schließlich heißt es im Schöpfungsmythos der jüdisch-christlichen Leitkultur „macht euch die Erde untertan!“

Und das tut der Mensch in jeder Hinsicht. Er beutet die Ressourcen der Erde gnadenlos aus und hinterlässt dabei Kraterlandschaften, die auf unvorstellbare Zeiten verseucht sind. Und damit das auch technisch besser zu bewältigen ist, wird die Erde nach den Vorstellungen des Menschen gestaltet. Pflanzen, Tiere und sogar ganze Landschaften werden den technischen Möglichkeiten angepasst. Das ist sein gutes Recht, die Erde gehört ja ihm und die Natur muss beherrscht werden.

Für die Menschen untereinander geht es dann nur noch um die „angemessene“ Verteilung. Und die erfolgt vermittels des „Recht des Stärkeren“ (solange sind wir von den Bäumen dann doch noch nicht runter), abgefedert durch einzelne Sozialmaßnahmen und Hilfsprojekte.

Um als nicht so ganz Starker auch Essen zu dürfen ist Anpassung des einzelnen ans System erforderlich. Dabei kommt es nach und nach auch zu einer Verobjektivierung des Menschen, insbesondere seiner Arbeit. Der Mensch wird zu einer Funktionseinheit, in „globalen Zeiten“ noch dazu zu einer recht leicht ersetzbaren, zu einem Objekt.

Damit verliert er vollends seine Würde und führt ein Leben, das in weiten Teil nicht als lebenswert erfahren wird. Um das auszuhalten, muss die ursprüngliche Einheit des Lebens (und der Lebenszeit) zerfallen in Arbeit und Freizeit. Und obgleich die (bezahlte) Arbeit auch als genauso entwürdigend erlebt wird, wie sie tatsächlich oft genug ist, wird sie zum Objekt der Begierde, zum Wert an sich, noch schlimmer: zu dem, was dem Menschen seinen Wert verleiht.

All das schwingt unterschwellig mit im allgemeinen Lebensgefühl, wird nicht thematisiert oder gar hinterfragt, ist selbstverständlich – der Grundton unserer Gesellschaft, ein Brummen, das wir schon gar nicht mehr wahrnehmen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ismene

Kein Mensch ist freiwillig schlecht.Aber es sind schon viele ganz komisch unterwegs.antigone@weibsvolk.org

Ismene

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