Mort pour la France

erster Weltkrieg Eine französische Gedenkstätte für die Gefallenen des ersten Weltkrieges. Ein Soldatenfriedhof.

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Ich gehe nicht auf Friedhöfe. Ich meide sie nicht, finde sie als eine Art "Parkanlage" oft sehr schön, aber sie sind für mich persönlich keine Orte des Gedenkens. Darum habe ich auch nie einen Soldatenfriedhof besucht. Bis zu diesem Sommer.

Was mir ziemlich bald auffällt in den Vogesen, wohin uns der diesjährige Urlaub führte, sind die vielen kleinen und größeren Gedenkstätten für die Opfer des ersten Weltkrieges. Gedenkstätten gibt es bei uns auch in jedem Dorf, meist bei der Kirche, aber hier wird der Gefallenen beider großen Kriege gedacht. Dort aber gibt es viele Gedenkstätten für den Gefallenen des ersten Weltkrieges.

Vielleicht liegt es daran, dass der Faschismus in Deutschland ein so großes Trauma ist, dass die vorangehende Katastrophe in den Hintergrund tritt und kein eigenes Thema wird.

Vielleicht aber auch daran, dass die meisten Kämpfe eben in Frankreich stattfanden, das damals ja noch deutsch war - Ortnamen wie Col de la Schlucht sind ja nicht wirklich genuin französische Namen. Hier gibt es einfach nichts, was übrig blieb von den Kämpfen. Dort schon und nicht zu knapp.

Und während wir so ein einer Gedenkstätte nach der anderen vorbeifahren, merke ich: ich weiß - vor allem emotional - viel weniger von jender Zeit als vom Faschismus. Klar, Eckdaten und Stichworte sind geläufig - Sarajewo, Verdun, Knochenmühle, Giftgas, erste Tanks, Versailler Vertrag - aber im Großen und Ganzen ist dieses furchtbare Gemetzel mir doch eher als Vorspiel und eine Mitursache des Faschismus im Kopf.

Also besuchen wir den Hartmansweilerkopf, einen Berg in den Vogesen, wo - so weiß mein Mann zu berichten - noch vieles zu sehen ist.

Vom Parkplatz aus geht man zunächst über einen Soldatenfriedhof. Das erste, was mir auffällt, ist der Fahnenmast, der sogar von weitem unglaublich hoch ist, 15 Meter, vielleicht 20. Wir wissen es nicht, aber es ist beeindruckend. Ordentlich geplanzter Buchsbaum begrenzt kurzen Rasen, auf dem eben diese Kreuze stehen. In amerikanischen Filmen sind die immer weiß, hier sind sie grau. An den Seiten gibt es insgesamt sechs Ossarien mit den Gebeinen von je 64 Gefallenen. Woher man so genau weiß, dass es 64 sind, geht mir durch den Kopf. Aber eigentlich ist das egal. Mir wird bewusst, da liegen menschliche Überreste, die zum Teil als solche nicht mehr wirklich zu erkennen waren. Eine unwirkliche Vorstellung.

Es ist sehr still, kaum Besucher und die Anlage bietet auch Vögeln kaum Raum. Wenige Kreuze heben sich hervor. Vor einem liegen Blumen, an einem anderen ist ein kleiner Plastikteddy festgebunden. Besonders berühren mich die Kreuze mit ganz neuen Aufschriften. Das sind die Soldaten, die erst vor kurzem identifiziert wurden, sagt mein Mann. Was muss das für ein Gefühl sein, den Vater nach sovielen Jahren sicher begraben zu wissen?

Aber auf allen Gräber steht neben Name, Dienstgrad und den üblichen Daten "MORT POUR LA FRANCE".

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Diejenigen, die da nicht mittun wollten, haben sie erschossen, aufgehängt oder erschlagen. An sie wird nicht gedacht. Desserteure sind immernoch das allerletzte. Mir ist schlecht.

Die meisten, die hier begraben sind, sind kaum zwanzig geworden. Altermäßig hätten das meine Kinder sein können. Das Mitfühlen verwandelt sich - vom "wie hätte ich gehandelt?" zum "wie hätte ich gefühlt?" Irritierend

Eigentlich reicht mir das schon - ich hab genug gesehen, mich eingelassen auf ein stilles Grauen. Doch es gibt noch mehr zu sehen und zu spüren...

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Geschrieben von

Ismene

Kein Mensch ist freiwillig schlecht.Aber es sind schon viele ganz komisch unterwegs.antigone@weibsvolk.org

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