Als ich herzog, gab es in den sieben Gemeinden zwei Schulbezirke mit je einer Schule mit je einer Außenstelle. Das waren insgesamt vier einzügige Grundschulen (mehr als einen Zug geben die Gebäude nicht her), wobei eine noch zusätzlich eine Hauptschule war. Letztere war so marode, dass sie dringend saniert werden musste.
Auf der Grundlage der zu erwartenden Schülerzahlen machte sich die Gemeinde an eine sehr aufwendige Sanierung. 2010 wurde ein Schulgebäude bezogen, dass seinesgleichen sucht – wenn schon, denn schon. Und auch das Schulkonzept konnte sich sehen lassen. Obleich „nur“ eine Hauptschule, blieb hier kein Schüler sich selbst überlassen. Jede und jeder, der diese Schule verließ, hatte eine verlässliche Perspektive. Man kann engagierten Lehrerinnen und Lehrern gar nicht laut genug sagen, was für tolle Arbeit sie machen!
Doch: die Zeiten ändern sich. Zuerst fiel die erste Außenstelle – Klassen mit einer Stärke von acht Schülern wollte das Schulamt nicht mehr finanzieren. Der Aufschrei war ebenso riesig wie vergeblich. Bei klarem Verstand musste natürlich jeder einsehen, dass selbst kombinierter Unterricht in so kleinen Klassen keinen Sinn macht. Dann fiel die zweite Außenstelle, der Aufschrei war schon nicht mehr ganz so groß, das hatte man erwartet. Dann fiel die verbindliche Grundschulempfehlung und mit ihr die Hauptschule. Um wenigstens noch ein bisschen zu halten, kooperierte man mit der Werkrealschule der Nachbarstadt und sicherte sich die Klassen 5-7. „Besser als Pastor die Hand gegeben“. Schließlich wurden die beiden Schulbezirke zusammengelegt. Das betraf nun ausgerechnet die Ortschaft, die sich schon immer schwer benachteiligt wähnt und sogleich wurden wilde Vermutung laut, nun bekäme man nur noch die schlechten Lehrer, es ginge mit der Schule bergab, bald werde sie geschlossen… Drei Jahre geht da nun ganz gut. Beide Schulen machen sehr guten Unterricht in immer kleineren Klassen, die Aktivitäten der Eltern sind ungebrochen, das Verhältnis zum Kollegium ist sehr konstruktiv, fast freundschaftlich.
Nun fällt die letzte Grundschule. Die Hauptschule ist nicht mehr zu halten. Obwohl weiterhin die Möglichkeit besteht die Klassen 5-7 zu unterrichten, macht es keinen Sinn mehr. Zwei Fünftklässler haben wir derzeit und für das nächste Jahr werden es nicht mehr werden, schließlich schicken Eltern ihren talentierten Nachwuchs lieber gleich auf die Realschule. Also lautet der Beschluss, die Kooperation aufzukündigen und fortan nur noch als Grundschule zu bestehen. Das aber macht Räume frei und es ist durchaus nicht einzusehen, warum in einer Gemeinde mit fünfeinhalbtausend Menschen zwei Schulgebäude unterhalten werden sollen, wenn man alle Kinder sehr gut in einem nagelneuen Schulgebäude unterbringen kann.
Wir alle haben das erwartet, als wir zu einer außerordentlichen Elternbeiratssitzung geladen wurden, aber der Schulleiter wollte die Grundschule noch ein weiteres Jahr fortführen. Damit der Umzug geordnet und geplant geschehen kann und auch damit man sich von „seiner“ Schule verabschieden kann. Das ändert zwar an den Tatsachen gar nichts, stimmt aber trotzdem versöhnlich. Vielleicht entsteht ja bei der nächsten und letzten Schulfastnacht ein Plan, demnächst eine Kinderfastnacht zu machen… In einem Jahr können die Eltern der verschiedenen Orte in Ruhe zusammenfinden und eine echte Schulgemeinschaft kann wachsen. So der Plan, der auch auf eine Bürgerversammlung vorgestellt wurde und große Zustimmung fand. Selbst den Bürgermeister, der immer so viel redet, sah man allenthalben heftig nicken ob dieser Idee. Gedacht war das Ganze nicht nur zur Information der Bürgerschaft, sondern auch als Entscheidungshilfe für die Gemeinderäte.
Kritische Stimmen sind nicht wirklich zu hören. Einzig eine Lehrerin merkt hinter vorgehaltener Hand an, das sei eigentlich eine Maßnahme für die Erwachsenen und sie sich schon freue, eine Kollegin der gleichen Stufe zum Austausch zu haben …
Und so gehen am Ende alle zufrieden, wenn auch melancholisch heim. Man sieht es ja ein, traurig ist es trotzdem, aber wenigstens haben wir noch ein Jahr. Das wird schon.
Wird es nicht. Denn der Gemeinderat, der eine Woche später tagt, beschließt, die Schule mit dem Ende des laufenden Schuljahres zu schließen. Die Gründe dafür sind nicht klar, aber es wird gemunkelt, es läge an den Finanzen. Ich weiß ja nicht, was es kostet eine Schulgebäude ein Jahr lang zu unterhalten, aber ich kann mir schon vorstellen, dass einige zehntausend Euronen ein sehr schlagendes Argument ist.
Eine Welle der Empörung rollt nun über’s Land. Die Eltern fühlen sich getäuscht, betrogen, falsch informiert, ja absichtlicher über den Tisch gezogen. Nun werden wütende Briefe geschrieben und die Gemeinderäte beschimpft. Was für ein Demokratieverständnis das denn sei und überhaupt, warum man gefragt würde, wenn dann doch das Bürgervotum übergangen würde…
Ärgerlich ist die Situation sicherlich, aber ich frage mich schon, ob da wir Eltern nicht vielleicht auch mal was in Sachen Demokratie lernen müssten, denn schließlich vertritt der Gemeinderat ja die ganze Gemeinde und nicht nur die Eltern.
Erstaunlicher ist aber, wie sich eine gute Idee in ihr genaues Gegenteil verkehrt. Hätte es den Vorschlag, die Schule noch länger weiterzuführen nicht gegeben, hätten die Eltern die Schulschließung zwar mit Bedauern hingenommen, die Gründe dafür aber doch eingesehen. Der Aufruhr wäre ausgeblieben. Völlig unter den Tisch fällt – und das ist der eigentliche Schaden – das Bemühen der Beteiligten, die jetzt zwischen allen Stühlen sitzen und in bester Absicht handelnd den Ärger erst wirklich heraufbeschworen haben. Und das in einer so kleinen Gemeinde, in der eigentlich im Vorfeld alles hätte erläutert werden können.
Jetzt schreien wir eine Weile und regen uns auf, vielleicht finden wir einen Schuldigen und wenn der Herbst kommt, ist auch das wieder vergessen. Bis auf die Schuldigen, das bleibt an denen kleben wie Hundekacke am Schuh. Schließlich stellen sie hier auch Gedenksteine auf mit den Namen der Atombefürworter…
Kommentare 13
Danke für den interessanten Report aus Deiner Heimat.
Dann ich nur lesen und stauenen und mir als Grosststädter abschminken, alles zu verstehen meinen , was auf dem Land vor sich geht.
Auch der Titel ist fetzig! ;O)
Lieber Poor,
das kann man auch nicht erfinden. Soeben habe ich "ganz frisch aus dem Sitzungssaal" erfahren, dass es gar nicht um das liebe Geld, sondern eher um hässliche Rachegefühle gegangen sein soll (so das Gerücht). Nach dem Motto "damals ist unsere Schule dichtgemacht worden und jetzt kriegt ihr auch kein Jahr mehr!".
Wichtig ist nicht einmal, ob das stimmt. Schlimm ist, dass man das glauben wird.
Nichts menschliches ist uns fremd.
War für die Sitzung, in der diese Entscheidung gefallen ist, die Öffentlichkeit ausgeschlossen?
Lieber Achtermann, nein, das war eine öffentliche Sitzung. Es ist nur keiner mehr hingegangen, weil ja alle dachten, es wäre alles klar. Liebe Grüße Ismene
Schließlich stellen sie hier auch Gedenksteine auf mit den Namen der Atombefürworter…
und du denkst noch nicht über auswanderung nach, liebe ismene?
grüße, hy
Zunächst vielen Dank für den interessanten Beitrag.
Manchmal kann man nur den Kopf schütteln. Was bleibt zurück? Misstrauen, Wut und Unverständnis der Betroffenen vor Ort.
Liebe Grüße
Corina
Schöner Beitrag, liebe Ismene, danke ! :-)
Es ist schade, das bei euch durch diese ausserordentliche Versammlung (zwar in guter Absicht, aber doch) Hoffnungen erweckt wurden, die sich dann zerschlugen.
Ich hoffe mal, es war nicht wirklich "Rache", die dazu führte, denn sowas gehört (meiner Meinung nach) nicht in die Politik, auch wenn es "nur" die Gemeindepolitik ist !!!
"...Schließlich stellen sie hier auch Gedenksteine auf mit den Namen der Atombefürworter…"
Soso, und gibts auch Gedenksteine mit den Wählern der "falschen" Parteien ??? ;-)
Lieber H.Yuren,
das mit dem Gedenkstein hab ich wohl falsch formuliert. Mal gucken, ob ich da Bild in den Kommentar einbauen kann ...
http://www.abload.de/img/002c0se0.jpg
So sieht das nämlich aus. Und ich finde das schon - nun ja - bemerkenswert. Auch darum finde ich es hier ziemlich nett.
Nee, ich hab mich ja grade erst eingelebt, da wander ich doch nicht aus. Und außerdem: "Woanders is auch Scheiße" ;-)
Liebe Grüße
Ismene
Liebe Corina,
zurück bleibt auch Solidarität. Man ergeht sich in Spekulationen über die Gründe für so ein Verhalten. Nach einer Woche geht es schon wieder einigermaßen. Allerdings ist auch kein all zu großer Schaden entstanden.
Liebe Grüße
Ismene
Liebe Anchesa,
nun Rache allein wird es wohl nicht gewesen sein, da spielen auch noch persönliche Motive eine Rolle - aber das ist alles Spekulatius, das will ich betonen. Und: es hat nicht einer alles verdorben, es haben 12 von 18 Menschen gegen das Votum der Eltern gestimmt...
Ach ja, die, die die falsche Partei wählen (in Bund und Land), sind im wesentlichen bekannt - also die zehn SPD-Wähler haben so ein rotes Zeichen auf der Stirn. Bei der Linken ist noch nicht ganz klar, von wem die zweite Stimme ist, nur bei den Grünen kann man nicht mehr ganz so sicher sein.
Wenn Du allerdings Kommunalwahlen meinst, kann ich nur zurückfragen: welche falsche Partei? Es gibt eine Wahl - zwischen Freien Wählern und CDU und es gibt auch einen Unterschied zwischen den beiden: die Gesichter. Wenn es aber um Ortsrumsteher oder Bürgermeister geht, kann man nur nicken oder nicht hingehen.
Jaha, hier ist die Welt noch in Ordnung (aber ich kenne auch Stadtteile, da kann man einen Besenstiel mit SPD-Schild hinstellen und der wird gewählt...) und zwar tiefschwarz oder nachtschwarz? oder signalschwarz?
Liebe Grüße
Ismene
So sieht das nämlich aus. Und ich finde das schon - nun ja - bemerkenswert. Auch darum finde ich es hier ziemlich nett.
das hatte ich nun tatsächlich andersrum verstanden, liebe ismene. danke dir für die klärung des erfreulichen sachverhalts.
darf ich fragen, wo dieser hübsche stein zu finden ist? ich meine, in was für einem umfeld er sich befindet.
grüße, hy
Lieber H.Yuren,
erstmal bitte ich um Verzeihung für die allzu späte Antwort. Ich werde grad mit Arbeit zugesch... und da sind die Prioritäten einfach mal nicht online...
Der Gedenkstein steht an der Durchgangsstraße durch den inneren Kaiserstuhl - gut sichtbar also - auf einem Privatgrundstück. Ich nehme an, es handelt sich um die Essenz einer Abstimmung im Gemeinderat, der ja öffentlich tagt, sodass da niemand was gegen tun konnte. Aber es hat schon eine besondere Qualität - da wächst so schnell kein Gras drüber...
Liebe Grüße
Ismene