Unter Eltern!

Diskussionskultur Das Schlimmste an der Schule sind die Eltern. Also die anderen Eltern. Bilanz eines Elternabends

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Unterstufensitzung an der Schule meiner Tochter. Es erscheinen etwas 15 Mütter, ein Vater, die Elternbeiratsvorsitzende nebst Stellvertreterin sowie die Unterstufenkoordinatorin. Hauptthema: G9 - ein heiß umkämpftes Feld.

Der Hintergrund: Die Landesregierung erlaubt die Wiedereinführung von G9, parallel zu G8.

Im Grund genommen gibt es nicht viel zu diskutieren, die Schulleitung hat bereits entschieden, sie wird keinen Antrag auf G9 stellen. G8 ist eben erst eingeführt und leidet noch an Kinderkrankheiten, man will die Energie lieber in die Verbesserung dieser Struktur stecken. Es gibt kein Konzept seitens der Landesregierung und bis zu den extrem kurz bemessenen Fristen ist kein tragfähiges Konzept zu entwickeln. Okay, das verstehe ich, ich finde G8 sowieso ganz in Ordnung.

Trotz und alledem entbrennt eine heftige Diskussion unter den Müttern, wobei vor allem die letzten Jahre noch einmal durchgehechelt werden. Die Unterstufenkoordinatorin stimmt zu, da sei einiges schief gelaufen, aber das sei im Wesentlichen behoben. Die Mädchen hätten in der Unterstufe nur ein- bis zweimal Nachmittagsunterricht und der sei dann auch immer um 15.00 beendet. Schon Recht, aber es gibt noch ein paar Dinge zu sagen: ob das so gut sei, wenn die Mädchen schon mit 17 zur Uni gingen und überhaupt habe man nur Grün gewählt wegen des Versprechens G9 wieder einzuführen. Häh?

Ich klinke mich aus und beobachte das Geschehen. Die Diskussion ist recht rege, eine Redeliste gibt es nicht, alles plappert heiter durcheinander.

Der Vater meldet sich zu Wort und erklärt, diese Regelungen gingen auf Kosten der Familie. Wenn die Kinder erst um vier zu Hause seien, könne kein Familienleben mehr stattfinden von Vereinsleben ganz zu schweigen (??? bei uns fangen die Vereine allesamt mit ihren Aktivitäten nicht vor fünf an...). Ich frage mich, was der Mann wohl von Beruf ist. Bei uns ist um vier noch kein Familienleben im klassischen Sinne möglich - der Mann arbeitet noch. Und was der wohl von alleinerziehenden Müttern und Vätern denkt... Er wird es - eher ungewollt - noch offenbaren. Schon im nächsten Satz, in dem er von seinem Sohn spricht, der auch auf ein Gymnasium geht, natürlich eine katholische Schule ... alles klar. Muss ich erwähnen, dass bei seinen Ausführungen alle still waren?

Nun ja, die Entscheidung ist für die nächsten zwei Schuljahre gefallen, sagt die Lehrerin und erklärt, sie (die Lehrerinnen und Lehrer) seien auch einfach müde, immer wieder neue Sache einzuführen (solange die alten neuen noch nicht richtig verankert sind). Auch das kann ich gut nachvollziehen. Ich meine ja, der Job der Lehrerinnen und Lehrer ist es, Kinder zu unterrichten. Der letzte Halbsatz geht unter. Denn: jetzt holt der Vater aus:

Er sei Arzt, sagt er und macht eine bedeutungsschwangere Pause (die hättest du dir sparen können, denke ich, du bist sowieso der einzige Mann hier und genießt ganz offensichtlich eine Vorrangstellung), und seinerzeit (also vor etwa 40 Jahren, eine Zeit, die er bewusst nicht miterlebt haben kann) sei Contergan das Mittel der Wahl bei Schlaflosigkeit gewesen. Aber dann habe es ja neue Erkenntnisse gegeben und wenn man da zu müde gewesen sei, um sich auf Neues einzulassen ... Er lässt das Ende offen.

Ich sehe recht bestürzte Gesichter, aber ich höre keine Widerspruch, also melde ich mich zu Wort. Nach drei anderen Redebeiträge zu anderen Themen merke ich an, dass ich den Vergleich von G9 und Contergan unangemessen finde. Mehr nicht. Ich ernte heftiges Nicken von seiten der Eltervertreterin und der Lehrerin und in den Arzt kommt Leben. Das habe er nicht gesagt (hat er doch). Dann täte es mir leid, sage ich, ich hätte das wohl missverstanden. Danke für die Klarstellung. Nein, sagt er, so ginge das nicht. Er ließe sich nicht in diese Ecke stellen und überhaupt ... Seine Schnappatmung hält noch eine kurze Weile an, aber das Thema ist durch.

Auf dem Heimweg bin ich immer noch irritiert über das Verhalten der Gruppe (mich engeschlossen). Sobald der Mann was sagt, ist Ruhe. Das hat selbst die Lehrerin nicht geschafft mit ihrem einführenden Vortrag.

Was aber überwiegt, ist die grundlegende Bestätigung der Erkenntnis, den besten Ehemann von allen geheiratet zu haben...

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Geschrieben von

Ismene

Kein Mensch ist freiwillig schlecht.Aber es sind schon viele ganz komisch unterwegs.antigone@weibsvolk.org

Ismene

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