"Mamaaa - wofür brauchen wir eigenlich Sprache?" fragt die Große entnervt beim Grammatik-Lernen. Für ihren kleinen Bruder ist der Fall ganz klar "Zum Meckern, ist doch logisch".
Also, zum Meckern bestimmt nicht. Wer als Kind die Peanuts genauso gern gesehen hat wie ich, wird sich erinnern: Erwachsene kamen vor, aber nur im Ton. Kein Bild, keine Worte, nur ein nerviges "Wawawawawa" Zum Meckern reicht der Tonfall.
Um Informationen auszutauschen. Bestimmt, nur dafür bräuchte man nicht soviel Sprache. Ich will es offen sagen: Es gibt Tage, da rede ich viel (das sind die meisten), es gibt Tage, da rede ich wenig (kommt nicht so oft vor), es gibt Tage, da rede ich sehr viel (da arbeite ich) und es gibt Tage, da rede ich sehr wenig (wenn ich krank bin). Aber an all diesen Tage verwende ich nur einen sehr kleinen Teil meiner Wörter, um Informationen zu vermitteln (Arbeitstage zählen nicht, da unterrichte ich).
Die meiste Zeit schwatze ich - und da bin ich in guter Gesellschaft. Nach meiner - zugegeben subjektiven - Beobachtung dient der größte Teil der gesprochenen Sprache nicht der Information (über das Meckern können wir diskutieren). Ein nicht unerheblicher Teil wird für magischen Aberglauben- Stoßgebete, Verwünschungen und Flüche - verwendet, aber der größte Teil ist, nun ja Geschwätz.
Wir reden über Dinge, die wir schon wissen "hast Du auch gelesen ...?" oder über offensichtliches - das Wetter. Und selbst, wenn es etwas Neues gibt, so ist es oft der Aufhänger für ein Gespräch über die altbekannten Ansichten und Meinungen. Warum aber tun wir das?
Ich vermute, dass es dabei um Kontakt geht, um Selbstvergewisserung. Wir reden, um uns einander zu vergewissern, um sicher zu gehen, dass wir uns noch gut wollen, dass wir sicher sind oder auch nicht, dass wir (noch) dazu gehören, ... Ignoranz ist das Schlimmste, was wir einander antun können.
Sprache hat zuerst eine soziale Funktion. Information kommt später und Informieren funktioniert immer da richtig gut, wo die Chemie stimmt.
"Wir brauchen Sprache" so der Schluß "weil wir ja nicht mit jedem kuscheln können." Nun ja
Kommentare 25
Stimme Dir zu. Ist ja auch gut so, dass es so ist. Ich glaube , dass Frauen in der von Dir geschilderten Sichtweise kommunikativer sind.
Ich denke, dass ich miteinander ranschwatzen bis heute unterschätzt habe, obwohl es doch viel wichtiger ist als "Mann" denkt.
Ausnahmen bestätigen auch hier die von mir vermutete Regel.
Schön, dass Du über Sprache nachdenkst.
Irgendwie scheinen die Kinder den Erwachsenen die Welt nochmals zu zeigen.
Schade das mit ein solches Erleben nicht vergönnt gewesen ist.
Liebe Ismene,
dazu fiel mir gleich eine Geschichte ein, die nun schon ein paar Jährchen zurückliegt. Mein Sohn war knapp 2 Jahre alt und vor der anstehenden Vorsorgeuntersuchung las ich nach, was denn dort so getestet würde. Das Sprachvermögen sollte in diesem Alter die Zwei-Wort-Sätze beinhalten. Mein Junior allerdings pflegte hauptsächlich mit „Da... da... da“ zu kommunizieren. Machte aber nichts, ich verstand ihn ja, welches „da“ jeweils gemeint war. Wir verstanden uns prächtig.
Nachdem dem Lesen der „Anforderungen“ für zweijährige wurde ich nervös. Trotzdem ich ihm immer schon viel vorgelesen, gesungen, mit ihm gesprochen hatte (wohlgemerkt nicht dada, sondern normalsprech, was mir nebenbei bemerkt Kritik großelterlicherseits eintrug, die waren für dada) keine Fortschritte. Aber dann las ich irgendwo, dass speziell Reime, Gedichte das Sprachvermögen stärken sollen. Und so verlegte ich mich darauf, regelmäßig, einer der Reime war:
Eene bene Bohnenblatt,
wieviel Küh` sind noch nicht satt.
Sieben Geiß` und eine Kuh,
St. Peter schmeißt die Stalltür zu
und wirft den Schlüssel übern Rhein,
morgen wird schön Wetter sein.
Auch nach der Untersuchung keine Fortschritte, er blieb bei dada, wir verstanden uns prächtig, aber die Mutter sorgte sich zunehmend. Einige Monate später saß Kind im Kinderwagen, wir fuhren spazieren. Kind im Kinderwagen fing auf einmal an zu sprechen, glasklar und ohne Fehler zu reimen: „Eene bene Bohnenblatt, wieviel...“
Wenn Sprache, Grammatik zwischendrin für Geschwätz, dada, soziale Funktionen genützt wird, kann ich daran ebenso nichts Schlimmes finden, weil es genau diese Form der Zuwendung sein kann, die Du erwähnst. (Ausnahme imo: gezwungene Konversation mit jemandem, den man eigentlich nicht leiden kann)
P.S. Warum Kind das Sprechen unbedingt lernen sollte, daran habe ich danach öfters gezweifelt, leichter war es manchmal mit dada. Es gab zwischendrin Dauersprech-Zeiten, da wünschte ich mir die kindliche Einsilbigkeit zurück ;-)
Liebe Grüße, Diander
Lieber Mopperkopp,
ja, im Prinzip ist das wohl so. Es gibt natürlich Ausnahmen, die sind aber nicht soooo wahnsinnig zahlreich.
Schnur, grunz, schmüff schmüff
Ismene
Liebe Diander,
alle Kinder müssen immer bis zu einem gewissen Alter genau das gleiche können. Wer mehr kann, ist hochbegabt, wer weniger kann, doof...
Bei uns war es die Häschenschule (kann ich noch heute auswendig) - das einzige Buch, das ich sogar beim Kochen vorlesen konnte, wenn ich nur wusste, welche Seite grade dran war...
Kinder sprich die Mutter Hase
putzt euch schnell nochmal die Nase
...
Liebe Grüße
Ismene
Hallo Abghoul,
es stimmt natürlich, ohne Sprache wäre strukturiertes Denken auch nicht möglich - ich glaub, ich kann gar nicht ohne Sprache denken, ich arbeite dran.
Allerdings ist einfach so denken auch ein Luxus, den sich nur leisten kann, wer auf jeden Fall überlebt (also so ozean/bäumetechnisch).
Und es ist gerade die Grammatik, die beim Denken hilft, weil sie Zusammenhänge darstellt. Interessant finde ich dabei, wie unterschiedlich Sprachen strukturiert sind und welchen Ordnungsprinzipien sie folgen, woraus sich die spannende Frage ergibt, ob bestimmte "Ergebnisse" nur in einem bestimmten Sprachraum denkbar sind... Hm, vielleicht ist das ja was für Doimlinque?
Liebe Grüße
Ismene
Lieber Poor,
das mit den Frauen und den Männern könnte schon stimmen, ich weiß es nicht, meine Erfahrungen beziehen sich tatsächlich zum größten Teil auf Frauen...
Lern meine Kinder kennen und Dein Begriff von "schwatzen, schwätze, schwätzet, ..." wird sich erweitern! Wie der Herr, ...
Ganz liebe Grüße
Ismene
Lieber d., guten Morgen,
ich hatte jetzt schon auf einen längeren Vortrag gehofft. Mundfaul ist ja in Ordnung, aber Du gebärdest Dich schreibfaul! Maul... ;-)
Natürlich muss nicht immer alles einen offensichtlichen Zweck haben, aber ich bin davon überzeugt, dass alles einen Zweck hat, sonst geschähe es nicht. "Zweckfreiheit" gibt es, glaub ich, nicht. So schade ich das auch finde...
Liebe Grüße
Ismene
Bei all den positiven Eigenschaften der Sprache sollte man nicht vergessen: Sprache kann verletzen, Sprache kann ein sehr scharfes Werkzeug des Nationalismus (oder sonstiger -ismen) sein, Sprache kann zur Abgrenzung führen (Slangs, Dialekte, Neu-Techno-Sprech), Sprache kann Überheblichkeit ausdrücken. Es ist wie einige Naturelemente - je nachdem, wie wir damit umgehen, erzeugen wir gutes oder böses.
Lieber Lukasz,
ich würde Deinen Kommentar noch um folgendes ergänzen: es ist grade das Geschwätz, das gradezu Flurschäden anrichtet. Es ist das Salz, das nach und nach alles durchdringt. Die großen sprachlichen Keulenhiebe haben ja nur deshalb so gut funktioniert, weil sie im Geschwätz aufgenommen und weitergetragen wurden und damit eine andere Realität schufen.
Danke und liebe Grüße
Ismene
Hey d.,
He, Ruhe da auf den hinteren Plätzen, sonst drehe ich wirklich auf!
Das interessiert mich - ganz ironiefrei - wirklich. Ich finde das Thema superspannend.
Wieso sich uns die Welt immer zeichenhaft mitteilt, habe ich nicht verstanden. Ein Baum ist ein Baum ist ein Baum, oder? Ich persönlich mag übrigens Grammatik sehr - besonders im Vergleich zu anderen Sprachen. Ich finde, sie ist sehr hilfreich in der Struktur des Denkens, aber sie gibt auch ein System vor. Wer deutsch denkt, braucht für alles immer ein Subjekt und muss also alles immer irgendwie personal beschreiben...
Das Fehlen von Zweckfreiheit finde ich eher hilfreich. Da machen Fragen wie "wer profitiert davon?" nicht nur Sinn, sondern führen auch mal weiter. Was die Herrschaft angeht, so musste ich sofort an Dianders "da da da" denken. Wer Kinder hat, erlebt eine Zeit der "Geheimsprache"...
Liebe Grüße
Ismene
Nein, großen Schaden kann Sprache auch ohne Geschwätz und Keulenhiebe anrichten, es kann auch sehr unterschwellig, präzise, bedacht, ja subtil und "intelligent" geschehen. Dazu zwei Beispiele:
- In Kroatien der 1990er-Jahre wurde im Rahmen des Nationalismus die Sprache als eines der Hauptwerkzeuge benutzt. Gerade als ein Symbol sich von den Serben trennen zu können, und dann als Ausdruck des "Patriotismus". Die Sprache wurde verändert, nicht nur Vokabular (wie auch im 3. Reich), sondern teils gar die Grammatik. Wer sich nicht daran hielt, vor allem in Presse/Wissenschaft, aber auch beim Einkaufen, wurde wenn nicht als "Serbe", so doch als "kein echter Kroate" "entlarvt".
Beispiel 2: Man nehme an, ein junger, neuer, fröhlich-naiv-idealistisch eingestellter FC-Mitglied schreibt seinen ersten Blog-Eintrag. Und dann wird dieser Text aus Böswilligkeit, Rechthaberei oder Profilierungslust mithilfe präziser rhetorischen, semantischen, ja grammatikalischen Mitteln auseinandergepflückt. In einer sehr "geistig hohen" und "sachlichen" Sprache.
Liebe CP,
mein Vater hatte so ähnliche Sprüche drauf wie Deine Mutter und nicht immer Recht damit. Immer unter der Voraussetzung, dass es um die soziale Funktion von Sprache geht, ist grade das spontane Reden unabdingbar.
Das ist jetzt allerdings kein Plädoyer für unbedachtes, verletzendes Reden. Der respektvoll, wertschätzende Umgang mit jedem Menschen ist eine Grundhaltung, die dann auch sprachlich zum Ausdruck kommt (weshalb bestimmte Audrücke sich einfach von selbst verbieten), denke ich.
"Einfach mal die Schnauze halten" ist tatsächlich auch für mich eine Option (selbst wenn ich eine Ahnung habe), allerdings vermute ich, dass ich vermittels anderer Zeichen trotzdem meine Ansicht zum Ausdruck bringe.
Ein letztes noch zu "Ein Mann, ein Wort - ein Frau ein Wörterbuch" erlaube ich mir der sehr geschätzten Eugen Roth zu zitieren:
Dies mag vielleicht als Regel gelten,
Ausnahmen sind indess nicht selten.
Liebe Grüße
Ismene
Einverstanden!
Wer die Definitionshochheit hat, der herrscht. Allerdings lassen wir uns auch oft genau diese Definitionshochheit widerstandlos abnehmen.
Wenn geschieht, was Du in Deinem zweiten Beispiel beschreibst, sagt das eigentlich schon sehr viel über die Kommentatoren aus. Allerdings vermisse ich auch ziemlich oft den von CH. PFAFFEN eingeforderte respektvollen wertschätzenden Umgang. Gerade wenn jemand neu ist. Aber das sind ja oft - leider - Zipfelspiele...
Liebe Grüße
Ismene
Danke, lieber doimlinque, jetzt weiß ich, was Du meinst.
Es grenzt schon an ein Wunder, dass wir uns überhaupt verstehen...
Realienstreit ... oh, ja, lang, lang ist's her und grad wieder aktuell, da sich die Frage auftut, ob der Tisch, Tisch heißt, weil es ein Tisch ist oder weil wir ihn so nennen...
Und: muss man mehr Kraft aufwenden, um sich mit abstrakten Ideen auseinander zu setzen, wenn man in einem sprachlichen Umfeld aufgewachsen ist, das nicht die Hochsprache ist? Das ist derzeit auch eine hochaktuelle Frage am heimischen Eßtisch. Bestimmt kannst Du helfen...
Liebe Grüße
Ismene
Danke.
Nantürlich unterstelle ich, dass wir uns verstehen - im Groben halt.
Dass Dialekte eigene Begriffe haben ist weniger problematisch als umgekehrt denke ich. Aber ja, zum Plaudern reicht's.
Außerdem hat der Dialekt einen Vorteil: Meine Nachbarn können über mich schwätzen, während ich dabei bin, ohne dass ich davon was mitkriege (also wenn sie wollen).
Allerdings hatte ich hier echt Anlaufschwierigkeiten sprachlicher Art und zwar mit den Kindern. Bis die in die Schule kamen, konnten einige wirklich kein Hochdeutsch... Und die haben sich in der Schule wirklich schwer getan, nicht nur mit dem Schreiben lernen...
Liebe Grüße
Ismene
Lieber Wolfram,
den Schneider habe ich von Jahren mal gelesen. Jetzt, wo Du's sagst, ... Ich sollte noch mal reinschauen.
Liebe Grüße
Ismene
http://www.llb-detmold.de/uploads/pics/20110124__Ball_Karawane.png
Liebe Grüße, Diander
Und es ist gerade die Grammatik, die beim Denken hilft,
der satz könnte von meinem alten lateinlehrer sein, der natürlich die lateinische grammatik als non plus ultra pries. leute ohne latein konnten nach dieser lesart nicht denken.
dem möchte ich entgegenhalten, dass es gerade die grammatik ist, die dem denken probleme machen kann. wenn z.b. aus der unsinnigen tatsache, dass die nachtigall weiblich ist, ein lied entsteht, in dem von der singenden FRAU nachtigall gesungen wird. realitätsfern.
es gab leute, die sagten, nicht wir denken in oder mit hilfe der sprache, sondern die sprache denkt durch uns oder für uns.
liebe grüße, hy
Irgendwann hat er dann die Beine angezogen und ist gerobbt, als hätte er nie etwas anders gemacht. Eine Woche später hat er sich aufgerichtet und ist gelaufen, mit ganz wenigen Fehlversuchen....
...Der eine hat, so kommt es mir vor, in sich reingehorcht und hat das Gehen theoretisch durchgespielt.
Ja, das ist die eine Möglichkeit, dass er einen Hang zu Perfektionismus hatte und sich nicht mit hilflosem Krabbeln abgeben wollte. Der andere denkbare Grund ist eine gewisse Schläue, gepaart mit einem ökonomischen Ansatz: „Hey, was soll ich mich mit Krabbeln plagen, solange ich mich auch tragen lassen kann“.
Aber ich neige zu Deiner Theorie, dass er es erst im Kopf geübt hat. Den Verdacht hatte ich auch bei „Eene bene Bohnenblatt..“ Das wurde erst ausgesprochen, sobald es perfekt saß. Obwohl der Kinderarzt den Faulheitsansatz favorisierte. Warum sollte er sagen, „gib mir mal bitte die Flasche rüber“, wenn Muttern auch bei „da“ schon springt und das gewünschte Ergebnis erzielt wird, so die ärztliche Erklärung.
Lieber Wolfram,
Du hast ja Recht. Mir ging es ja auch darum, dass ich einen Baum möglicherweise auch wahrnehmen kann, ohne ihn zu bezeichnen.
Ansonsten gilt: ein Baum hat Äste, das ist das beste - wär er kahl, wär's ein Pfahl.
Allerdings ist das mit dem Verb auch echt vertrackt, wie Du es schon beschrieben hast. "Da gibt's Wald!" geht auf deutsch einfach nicht.
Liebe Grüße und schönes Wochenende
Ismene
Nachdem Du Dir hier mittlerweile einen Namen mit schönen Reiseberichten erarbeitet hast, erwarte ich zum Abschluss dieses Ausflugs einen tollen neuen Blog mit weiteren Details! Freu mich schon drauf!
Noch eine gute Reise und ein schönes Wochenende, Diander
Was heißt denn hier "Du"? Das ist ein Gedicht von Hans/Jean Arp, einem der Gründer von Dada.
Weiß ich, ich wollt Dich halt ein bisschen aufzwicken. Und weil ich auch schüchtern bin, habe ich auch gar nicht näher nach den Knöpfen gefragt.
Zum Museum: Ein „kleiner“ Ausflug ist das für mich nicht, aber ein guter Tipp allemal, danke. Nachdem ich schon meist versuche, mindestens einmal im Jahr so einen privaten Deutschlandtrip hinzubekommen, merk ich mir das vor.
LG, Diander
Lieber Wolfram,
kein Mensch muss müssen... (ich glaub, heute ist Klug-Scheißer-Tag, also bei mir)
Dann also liebe Grüße
Ismene
Erstaunlich, was zwei sooo schüchterne Menschen miteinander so reden ;-))
Dann war ich damals wohl im falschen Teil des Rheintales... Ich fand es nur "krass schön" :-)