Für jemanden, der gewöhnlich um halb sechs aufsteht (wenn auch nicht ganz freiwillig), ist halb zehn am Morgen – gefühlt – schon fast Mittag, eine Zeit, zu der ich normalerweise meine Besorgungen schon erledigt habe. Auf dem Lande öffnen die Läden um acht, der Bäcker schon früher (wenn Licht an ist, einfach klopfen...). Ich brauche selten was, was ich hier nicht kriege, aber neulich war ich um neun in der großen Stadt mit was fertig, der Tag war noch offen, und dann kann ich ja auch gleich mal kurz zum Schweden, wo ich schon mal da bin. Also hin.
Und ich denk noch „was ist der Parkplatz heute so leer?“, aber ich mach mir über sowas nie große Gedanken – ich nehme das hin wie das Superwetter zu einem großen Fest – warum sollen immer nur die anderen Glück haben?
Noch etwas im Tran dackel ich die Treppe rauf, die Möbelausstellung ist auf, aber was soll ich da? Ich weiß ja, was ich will. Und jetzt um die Ecke und die Treppe wieder runter aber ... da ist zu.
Hä? Und dann geht’s mir auf: der Laden macht um zehn auf und es ist erst zehn vor... Was mach ich denn jetzt? Das Restaurant ist aber schon auf, schlaue Sache das. Das Restaurant macht schon eine halbe Stunde früher auf als der Laden selbst und das mit Preisen, an die sonst keiner ran kommt. Croissant mit Butter und Konfitüre plus Kaffee so viel Du willst für 99 Cent. Naja, so schlecht kann ein Kaffee nicht sein und die Zeit reicht lang, ich hab sonst keine Pläne.
Das Restaurant verdient seinen Namen wirklich nicht. Es sieht eher aus wie eine – schlechte – Mensa oder Kantine, naja, bei den Preisen.
Mit meinem Kaffee suche ich mir ein Plätzchen und gucke mich um. Jedes mal wundere ich mich, dass ich auf allem, was ich schriftlich kriege konsequent geduzt werde, während sich das kein ikea-Mitarbeiter je trauen würde. Man sitzt also auf Stühlen und an Tischen aus dem aktuellen Programm – das ist nicht unbedingt so ein Marketing-Gag, denke ich, denn da stimme das Preis-Leistungs-Verhältnis vielfach dann doch wieder. Hier ist nichts preiswert – was nicht viel kostet, ist auch billig. Manches sieht aus wie das berühmte Billy-Regal aus Studientagen - „mal fehlten die Schrauben, mal fehlten die Löcher“... Aber: Fläschenwärmer, Kindertische, Lätzchen und – natürlich – ein Spielgerät. Klar, nirgendwo sonst siehst Du so viele Schwangere und Eltern mit Kleinkindern wie hier. Nur eben nicht morgens um halb zehn, fällt mir plötzlich auf. Die Leute, die sich hier ein Billig-Frühstück gönnen, sind mehrheitlich deutlich im Rentenalter und ich kann nicht wirklich sagen, ob die sich nicht mehr leisten können oder ob es sich um Schnäppchenjäger handelt – wer weiß, ob der gegenüberliegende Möbelmarkt nicht doch noch ein preiswerteres Frühstück anbietet. Ich habe von regelrechten Rangeleien unter Rentnerinnen und Rentnern gehört, wenn die der Tageszeitung Gutscheine beilegen... Während ich meinen Kaffee schlürfe, bildet sich eine Schlange vor dem Kaffeeautomaten – Nachfüllen gratis...Wie rechnet sich sowas? Ich hab in dem Schuppen schon Kuscheltiere für 99 Cents gekauft, über denen ein Schild hing, das verriet, von jedem gekauften Spielzeug würde ein Euro an Unicef gespendet, von 99 Cent! Was für eine Geschäftsidee mag wohl dahinter stecken? Ich muss das nicht verstehen...
Zehn Uhr, der kleine Pulk vor dem Absperrband löst sich auf und ich mache mich auch auf den Weg...
Kommentare 11
Auf dem Lande öffnen die Läden um acht...
Also hier in Regensburg (doch immerhin 130.000 Einwohner) öffnet der netto und der EDEKA schon um 7.00 h. Daheim, in Eggenfelden (könnte man als Land bezeichnen) hat unsere Metzgerei schon um 6.00 h aufgemacht, vor Hohen Feiertagen war der Laden schon halb sechs Uhr ratzeproppenvoll. Das war natürlich absolut illegal, aber auch Polizisten haben Hunger und wollen zum Schichtwechsel eine Leberkässemmel.
Womöglich empört dich diese ländliche Art der Korruption, aber Niederbayern ist CSU-Land und der Wahlspruch der CSU ist, spätestens seit Franz-Josef Strauß: "Legal, illegal, scheißegal". Der Schwarze Block halt.
Hä?
Das heißt "Wie bitte?". Ich mein, so viel Zeit muß sein.
Croissant mit Butter und Konfitüre plus Kaffee so viel Du willst für 99 Cent.
Jedes Mal wenn ich ein Croissant schnabuliere (ich tu das zunehmend seltener, aus unten aufgeführten Gründen), denke ich mir, da sollte man einen Mammalad reingeben und Zuckerguß drübertun. Und natürlich darf man keinen kackverfluchten Blätterteig nehmen, sondern wohlig-mürben... äh, Mürbteig halt. Den Erfinder des Blätterteigs sollte man aus seiner Backstube zerren und solange in einem Käfig in die Donau halten, bis er abgesoffen ist. Ja, okay, ich bin ein bisserl aggressiv...
Eine selige Sekunde lang denke ich daran, wieviel Geld man mit meiner Erfindung verdienen könnte. Dann fällt mir ein, daß es die beschriebenen Verbesserungen am Croissant schon vor 60 Jahren beim Bäcker Donath in Gern gab, direkt neben der Volksschule. Die Tatsache, daß Bayern von den Amerikanern besetzt war, hat uns noch geraume Zeit vor der Französischen Küche bewahrt, aber - herrje, wir wissen es - kein Glück währt ewig. Irgendwo lauert der Franzos und dann ist es os.
Das Restaurant verdient seinen Namen wirklich nicht. Es sieht eher aus wie eine – schlechte – Mensa oder Kantine
Das, was ich jetzt offenbare, habe ich jahrzehntelang verborgen wie eine - sagen wir mal: - sexuelle Perversion: Ich liebe Mensen und Kantinen. Nicht, daß mich schon jemals eine Frau in ein schickes Restaurant eingeladen hätte, aber, gesetzt den Fall, eine hätte es, ich hätte nach Ausflüchten gesucht. Ich bin ein so ein durch-und-durchener Prolet, das glaubst du nicht.
Ich hab in dem Schuppen schon Kuscheltiere für 99 Cents gekauft, über denen ein Schild hing, das verriet, von jedem gekauften Spielzeug würde ein Euro an Unicef gespendet, von 99 Cent! Was für eine Geschäftsidee mag wohl dahinter stecken? Ich muss das nicht verstehen...
Das mußt du nicht, in der Tat. Dem Kirchenvater Tertullian (so umra 200 n. Chr.) wird der Satz zugeschrieben: "Credo quia absurdem (est)" - Ich glaube, weil es widersinnig ist." Das hat sich, der Legende nach, auf die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes bezogen. Gott ist eine Person, bestehend aus Gottvater, Gottsohn und Heiliger Geist.
Ich habe mir den Satz Tertullians so übersetzt: "Das ist so ein hirnverbrannter Scheisendreck, so was traut sich kein Schwein auszudenken. Also wird es wohl wahr sein."
Ciao
Wolfram
Auch in der UNI - Mensa JWG - FFM sassen schon 2004 mehr "Studierende" mit Mindestens 120 Semestern als mit 2 bis 12 Semestern. Der gute Caf'é und die Preise hatten sich rumgesprochen...
;-)
Nachdem die Rentner preiswert ‘verfrühstückt‘ sind, kommen die hippen Familien, auch all die, die zwischendurch z.B. sich über Ausbeutung echovieren uoder gar darüber schreiben. Für mich ist Ikea ein "no go".
https://news.utopia.de/ratgeber/alternativen-zu-ikea/
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2371546/Ausbeutung-bei-IKEA-#/beitrag/video/2371546/Ausbeutung-bei-IKEA-
http://www.klimaretter.info/wirtschaft/nachricht/19280-ikea-kauft-sich-wald-in-rumaenien
https://www.neues-deutschland.de/artikel/704600.ueble-ausbeutung-in-betrieben-von-ikea.html
http://www.naturwelt.org/der-wald/ikea-kahlschlag-in-ru%C3%9Flands-urw%C3%A4ldern/
https://www.youtube.com/watch?v=MtUuMLkB0qI
..."Für mich ist Ikea ein "no go""...
Stimmt schon, Daumen hoch.
Ich denke Ismene wollte einfach was nettes aus dem Alltag schreiben, man muss sich vorsehen, vor lauter schlechten Nachrichten wird man ja noch zum Wolfram Heinrich dem II.
;-)
& @ Wolfram zu Kuscheltiere: Ikea wirbt in seinen Katalogen mit einem strahlenden "Indergesicht" damit, in Indien öklogisch nachhaltig Baumwolle anbauen zu lassen.
Liebe Anne Mohnen,
es stimmt, ikea ist ein no go - im Familienjargon "böse". Manchmal verliere ich sowas aus den Augen. Danke also!
Liebe Grüße
Ismene
Liebe Ismene ,
gerne gelesen. Hatte bei meinem Umzug auch viel mit IKEA zu tun., obwohl man sich bei großen Wandspiegeln für 19 € schon fragen sollte, wie so etwas produziert werden kann, konnte ich nicht widerstehen.
Viele GRüßepoor on ruhr
Warum ist Ikea so erfolgreich? Nicht nur weil der Billigheimer sich aufgehoben fühlt. Das Styling der Objekte kommt eben gut an. Dagegen kann die preiswerte deutsche Wohnkultur, die in deutschen Möbelhäusern zu erwerben ist, nur die ästhetischen Gefühle der Kriegsgeneration befriedigen.
Nee, das kannste jetzt so aber auch nicht sagen, die ostermänner und lutzes dieses Landes haben nachgelegt, aber immer noch namenlos.
Ich war jüngst bei einer Bekannten zu Gast, da hatte die komplette Inneneinrichtung einen Namen.
Irgendwie gruselig.
Liebe Grüße
Ismene
Deutschland ist der wichtigste Markt für Ikea. Jahresumsatz 2013 war knapp 4 Milliarden Euro. Inzwischen gibt es im VW-Land 50 Filialen, und es werden immer mehr. Der Umsatz steigt jährlich weltweit um rund 10 Prozent.
Der übrige Möbelmarkt konzentriert sich, kauft andere auf. Die Umsatzreihenfolge in D = 1. Ikea, 2. Höffner, 3. XXXLutz. Nr. 2 und 3 lassen gerne billig in Osteuropa und Fernost namenlose Produkte im unteren Preissegment produzieren. Allerdings: Ihre Schweinebauch-Werbung (Fachjargon für plakatives, brutales Werben) verfängt nicht mehr in gewohntem Maß. Die Sonderaktionen am laufenden Band (Jubiläen etc.) bringen zwar Rabatte hervor. Allerdings ist immer nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Warensortiment betroffen. - Da könnte der gute Geschmack auf der Strecke bleiben.
Immerhin wurde dem Möbelhaus mittlerweile eine der höchsten kulturellen Weihen zuteil, hat doch der kürzlich verstorbene (Vize)Literaturpapst Hellmuth Karasek es vor seinem Ableben noch unternommen, den IKEA-Katalog durch eine ausführliche, wenn auch nicht durchgehend begeisterte Rezension zu adeln.
Damit zurück zur Werbung.