In der heutigen Ausgabe der BILD am Sonntag spekuliert Chefredakteur Michael Backhaus (ehedem beschäftigt bei der Passauer Neuen Presse, dem Haus- und Magenblatt des allerschwärzesten niederbayerischen CSU-Flügels) ebenso spitzzüngig wie spinös über eine — tatsächliche oder vermeintliche — »CDU-Krise«.
Gestützt auf eine Emnid-Umfrage für den erst jüngst aufgeweimerten Focus ist da die Rede von einer »Sehnsucht nach einer bürgerlich-konservativen Partei« jenseits der Union, der ein Wählerpotential von gut 20% in Aussicht stehe, das sich in erster Linie aus dem Reservoir der »christlich geprägten Konservativen« speise, für die die Union unter der Ägide Angela Merkels zu weit in die Mitte gerückt sei (»Sozialdemokratisierung«). Zu bedenken sei ferner, daß die Union seit der letzten Bundestatsgwahl 40% ihrer Wähler, der Koalitionspartner FDP sogar 75% verloren habe — mithin also ein weites Feld, das sich beackern ließe, zumal die Unzufriedenen auch im Licht der personellen Ausdünnung der Union nicht ins »Feindeslager«, sondern gleich zu den Nichtwählern abwandern würden.
Angeführt werden könnte das Spin-off laut Emnid-Chef Schöppner prospektiv von Roland Koch (»Wirtschaftskompetenz«), Friedrich Merz (»Argumentationsfreude«), Karl-Theodor zu Guttenberg (»Modernität«) und, man höre und staune, Joachim Gauck (»Wertehaftigkeit«).
Sogar einen Namen hat Schöppner schon in petto: »Einigkeit und Recht und Freiheit (ERF)«.
Und weil's so schön ist, schiebt Backhaus seinem eigenen Artikel gleich noch einen eigenhändigen Kommentar hinterher, der die Dinge etwas nonchalanter beim Namen nennt: Als die CSU nämlich noch ihren Strauß und die CDU noch einen Dregger gehabt habe, sei rechts der Union schlicht kein Platz gewesen. Doch diese Zeiten seien vorbei, auch wenn sich die Unions- und FDP-Granden vorerst noch damit beruhigen mögen, daß es zur Neugründung einer wirkmächtigen Partei mehr brauche als bloße Stimmungen. Aber, so doziert Backhaus, vom Verhängnis der SPD könne die Union »lernen, wie schnell es manchmal dann doch geht. Und wie bitter die Folgen sind«.
Zum Abschluß folgt ein Satz aus der Kartätsche, wie ihn nur die BILD servieren kann:
»Und was ist, wenn Friedrich Merz im CDU-Trümmerland NRW einen eigenen Verein aufmacht, unterstützt von Wolfgang Clement? Dann wäre schnell Feuer unter dem Dach der Union!«
Feuer unterm Dach — man kann sich an dieser Stelle einmal fragen, ob es hier tatsächlich um eine mögliche neue Partei geht oder ob nicht vielleicht das Trommelfeuer dazu angetan ist, die Union zu etwas mehr Linientreue aufzufordern, ansonsten Springer nämlich ganz schnell die zwischen den Zeilen nur mühsam verborgene Drohung umsetzt, eben diese neue Partei zu Lasten der Union ins Parlament zu schreiben.
Kommentare 17
"ansonsten Springer nämlich ganz schnell die zwischen den Zeilen nur mühsam verborgene Drohung umsetzt, eben diese neue Partei zu Lasten der Union ins Parlament zu schreiben. "
Dann bliebe noch die Frage, ob der herbeigedichtete Teil der stramm marschierenden CSU-Monarchisten und weltfremden Turbokapitalisten tatsächlich so dumm wäre, eine reine Protestpartei ins Parlament auch zu wählen.
Falls das Weißbier kühl bleibt und das Geld sich munter vermehrt, stehen die Chancen ja gut!
Wem so ein Feuer unterm eigenen Dach lodert, ist zum Brandstifter prädestiniert.
Lieber J.A.-P.,
rechts von der CDU mit Merz und Clement (Artikel und Kommentar gehören doch zusammen gelesen, denke ich) ist eine spaßige Vorstellung. Das hätte dann schon etwas von der Parteienlandschaft der sog. zweiten italienischen Republik, wo ebenfalls Phantasienamen wie "Forza Italia" (Los jetzt, Italien), "Popolo della Libertà" (Volk der Freiheit), "Italia dei Valori" (Italien der Werte) Stimmen eingebracht haben, obwohl sich recht heterogenes Volk unter einem Symbol ansammeln mag. Nicht dass das C ggfs. nicht auch recht phantasievoll daherkommt, aber ERF (für kanine Freunde ein fröhliches ARF an Bello) wäre schon eine Steigerung.
Ich glaube, nach der einsetzenden Saure-Gurken-Zeit werden die Kabarettisten diesen Herbst alle Hände voll zu tun haben.
Hört sich an wie das Fundraising für eine neue politische Firma. Ich höre schon die sonore Stimme im background, während die drei Musketiere plus d'Artagnan Guttenberg ihre Degen in die Luft recken: Alle für einen, einer für alle! Die Kompetenten! Die Gerechten! Die Unbestechlichen! Und bei Lady de Winter klingelt in Bayreuth das Handy: Götterdämmerung.
Erinnern Sie sich noch an die Schill-Partei? Deren 'Sprung' in die Bürgerschaft war dem tätigen Wirken von Springer geschuldet, obschon zuvor kein Mensch bei klarem Verstande ernsthaft glauben mochte, daß eine so bizarre Figur wie Schill ausgerechnet in der piekfeinen Hansestadt Hamburg auf einem Senatorensessel platznehmen könne.
Es kam anders, und hätte er BILD et al. noch länger ins Konzept gepaßt, säße er nach wie vor im Rathaus.
Eine neue Partei »rechts von der Union«? - Bitte nicht.
Bliebe nur mehr zu fragen, ob der Henker von Lille in dieser Inszenierung auch einen — ausgerechnet! — roten Mantel trägt.
Passender Name:
Reunion
oder
Réunion.
Wir Bewohner der Insel wollen mit dieser angedachten Gruppierung nichts zu tun haben! Das muss sofort klargestellt werden! Sie würde das ökoökonomische Gleichgewicht noch mehr gefährden!:-))
...besser Partei Forza Germania,.... mit der die CDU natürlich auf gar keinen Fall koalieren darf zumal sie frei übersetzt geruchliche Assoziationen hervorrufen würde:-)
"Parteizusammenschlusspläne: Wird es bald „Die Rechte“ geben? ...
NPD und DVU beziehungsweise die Republikaner und die 'Pro-Bewegung' verhandeln über Kooperationen ..."
www.netz-gegen-nazis.de/artikel/parteizusammenschlussplaene-wird-es-bald-die-rechte-geben-und-wenn-ja-welche-6411
www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/die-rechten-bettler/
Danke für die erhellenden Links, barshai!
Ich neige nach Lektüre des Artikels der Auffassung zu, dass von außen auf die christlichen Demokraten Druck ausgeübt wird. Es wird mit einer nie belegten Behauptung operiert, Merkel sei liberal, zu liberal für viele Unionisten, um den Anschein zu erwecken, die Merkel-CDU habe sich nach links geöffnet. Und deshalb sei rechts von der Union ein politisches Feld entstanden, das sich zu bearbeiten lohne. Es werden Personen genannt, die in der Wirtschaft ihren Platz gefunden haben oder gerade dabei sind, ihn zu finden: Clement, Merz, Koch. Und einen Gauck kann man mittlerweile für alles ge- bzw. missbrauchen, denn ein Aushängeschild, das Werte, also Moral, symbolisiert, nehmen die Grünen, die Sozialdemokraten, die Freien Demokraten und die Christdemokraten immer gerne mit ins Wahlmanipulationsschiff. Mit den Reizpunksetzungen aus der Springerpresse soll der Wirtschaftsflügel der Unionisten zu einem größeren Bizeps verholfen werden, gerade weil die Springerleute gehalten sind, sehr offen für die Einflüsterungen derer zu sein, die das Wirtschaftssystem hin zur neoliberalen Reinform weiterentwickeln wollen.
Lieber Achtermann,
ich stimme Ihnen zu, habe das ja so auch im Artikel geschrieben, und Ihre Formulierung vom CDU-Bizeps, den man auf diese Weise publizistisch zu etwas mehr Spannung aufspritzt will, finde ich höchst präzise.
Zu früheren Zeiten nannte man dieses Vorgehen übrigens Territion: Meist reicht es nämlich schon, dem Delinquenten die Folterinstrumente lediglich vorzuführen, um das 'gewünschte' Ergebnis zu erzielen. Und die Rute wurde hier von Backhaus schon ins Fenster gestellt.
Ich dachte immer, rechts von der CSU sei nur die Wand. Aber da scheint doch noch Platz zu sein für jene, bei denen alles Neue nach der Schellack-Platte noch unter "Science Fiction" läuft.
Die CDU ist unter Merkel - pofalleri und pofallera - nicht nur ziellos sondern zunehmend auch konturlos geworden. Alle sind sie auf Hochglanz geschliffen, die Diener der Republik. Wer nicht spurt, wird Bundespräsident oder muss gehen.
Aber warum als Motto für eine Partei rechts der CDU/CSU so schamhaft bloß den Beginn der dritten Strophe des Liedes der Deutschen? Ist die erste Strophe allein für die Hohlraumversiegelten Fahnenschwenker reserviert? Oder fürchtet man gar Ansprüche auf den Text aus Österreich?
Ein Gutes hätte so eine Partei ja. Mit Merz würde der Bierdeckelabsatz sprunghaft ansteigen - wegen der kurzen Steuererklärungen. Das wäre endlich mal eine runde Sache.
Ich kenne nur die Reh-Union, Jäger in der Union, die wohl größte Untergruppe.
Pyromanen sind doch gar nichts gegen die verbalen Brandstifter der TILT-Zeitung.