Einen ganz fatalen Hang zur Theorie hat das deutsche Feuilleton schon immer beim aktuellen Papst ausgemacht: Seine Reden, so liest man, seien opak, verwinkelt, weit eher akademische Vorlesungen als Ansprachen ans Christusvolk und so von ganz anderer Art als die mitreißenden Deklamationen des »Charismatikers« Karol Woityla.
Immerhin ist Joseph Alois Ratzinger der »Panzerkardinal« gewesen und als ordentlicher deutscher Professor für Theologie Autor höchst verstiegener Bücher über Glaubensfragen sowie jahrzehntelang der Chef der Nachfolgebehörde der Inquisition, der Glaubenskongregation, so wird vorwurfsvoll vermerkt.
Kurzum, über diesen Benedikt, den ersten aller römischen Katholiken, auch nur ein näherungsweise positives Wort zu schreiben ist zwischenzeitlich so verpönt gewesen, daß man seine Aussagen immer häufiger fälschte.
Zum ersten Mal schon, als er kaum 15 Monate im Amt war und allen Ernstes antrat, das geistige Zentrum des Katholizismus dort wieder aufzurichten, wo es nach einer verheerenden Abfolge von Schismen (denen nebst anderem die christliche Orthodoxie entsprang) seinen Ausgang genommen hatte: in der Philosophie der Antike.
Ohne es ausdrücklich dazuzusagen, kam dieser Papst in seiner »Regensburger Rede« auf eine epochale Niederlage des Christentums zu sprechen, an der zwei einander merkwürdig ähnliche Todfeinde ihren entscheidenden Anteil hatten: das byzantinische Kaiser- und Gottesreich auf Erden in den allerletzten Zügen seiner irdischen Herrlichkeit sowie das islamische Imperium auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Welteroberung. Die christliche Orthodoxie, die an ihrem hohlen Prunk, ihrer leeren Phrasenhaftigkeit, ihrer oberflächlichen Inszenierungslust erstickte und wegen ihrer unendlichen Verbotslisten an schrankenloser Willkür und innerer geistiger Leere ohnehin nur schwer zu überbieten war, stand einem Feind gegenüber, der zwar auf seiner Habenseite ausweisen konnte, den von den Byzantinern unterdrückten Bewohnern des oströmischen Imperiums ein etwas auskömmlicheres Leben zu verschaffen, sich aber am langen Ende trotzdem als ein bloß reformiertes Ostrom darstellte, das befreit von allen komplizierten bürokratischen Skrupeln den totalen Zugriff auf die Eroberten sogar noch unmittelbarer ins Werk setzte. Völlig gleich blieb dagegen die Ersetzung der Kultur durchs Ornament, der verbliebenen Staatsklugheit durch Willkür und schließlich auch die Definition des Glaubens als totale und bedingungslose Unterwerfung unter die unhinterfragbare Regel.
Der Papst maßte sich in Regensburg an, als katholischer Theologe vom Unterschied zwischen Westen und Osten zu sprechen und ein eigentlich seit Thomas von Aquin bestehendes Urteil zu bekräftigen: Daß der Westen, der längst nicht mehr nur geographisch bestimmbar ist, ein ideeller Ort ist, an dem die Option besteht, die Theologie über die schrankenlose Transzendenz des Göttlichen zu setzen, d.h. in säkularisierten Zeiten: der abstrakten Vernunft den Vorzug zu geben vor der konkreten Willkür.
Daß diese Botschaft damals gar nicht erst zur Sprache gekommen ist und in den wenigen Winkeln, in denen sie es doch tat, nicht verstanden wurde, sondern der Papst ausgerechnet in einem der luzidesten Momente dieses Amtes sowohl von notorischen europäischen Kulturalisten als auch den berufsmäßig Beleidigten dieser Erde als ein gnadenloser Hetzer und Spaltpilz denunziert wurde, der wie ein Hausschwamm im Gebälk der Völkerzärtlichkeit sich einnistete, mag vielleicht der verdrehte Grund dafür sein, daß man sich in diesen Tagen zum Ausgleich förmlich überschlägt vor lauter Gratulationen an den Sedes Petri.
Natürlich hat man sich das Maul längst zerrißen und d.h. eine feste Meinung sich gebildet, bevor der Wortlaut des Papstdiktums überhaupt zur Verfügung stand:
Zeitenwende im Vatikan! Revolution in Rom! Petri Umsturz nach zweitausend Jahren! Papst erlaubt Kondome! — so oder so ähnlich las es sich im Blätterwald quer durch aller Herren Länder; es war die reinste Sensation. Es wäre dies ein sehr geeigneter Anlaß gewesen, wieder eine Presseschau zu machen, diesmal aber eine, deren Ziel nicht die verschiedenen, sondern eben die gleichen Meldungen zu einer Sache gewesen wären.
So schreibt die aktuell auch hier beim Freitag verlinkte Deutsche Welle unter der Überschrift »Der Papst und die Kondome«, der Papst habe in dieser Sache völlig überraschend seine Meinung geändert, was zwar grundsätzlich zu begrüßen sei, allerdings alles andere als im Rahmen des Erwartbaren lag, hatte doch der Papst noch auf seiner letztjährigen Afrika-Reise erklärt, daß zwischen zwei Katholiken im Leben nicht ein Präser kommen dürfe. Bei der ZEIT, bei der WELT, bei BILD und bei der im Ächten traditionell so starken SZ liest man Ähnliches.
Liebe Journalisten,
gibt es denn in euren Reihen wirklich fast niemanden mehr, der sich den Mühen der Recherche unterzieht oder wenigstens, um einen Anfang zu machen, das eigene Druckwerk vom letzten Jahr nachliest, und sei's auch bei Kollegen? Ein simpler Blick etwa in die F.A.Z. hätte doch schon genügt, um euren jüngsten Volten etwas Wind aus den Segeln zu lassen, denn da stand, im Print am 19. März des Jahres 2009 und online einen Tag später, weshalb die jüngste Erklärung des Papstes alles andere als eine Sensation ist:
»Ich würde sagen, das Problem Aids kann man nicht bloß mit Werbeslogans überwinden. Wenn die Seele fehlt, wenn die Afrikaner sich nicht selbst helfen, kann diese Geisel [sic!] nicht mit der Verteilung von Kondomen beseitigt werden: Im Gegenteil, es besteht das Risiko, das Problem zu vergrößern. Die Lösung kann nur mit einem doppelten Engagement gefunden werden: Das erste ist eine Humanisierung der Sexualität, das heißt eine geistige und menschliche Erneuerung, die eine neue Art des Umgangs miteinander bringt. Und das zweite eine wahre Freundschaft auch und vor allem mit den Leidenden (...)«.
Kondome sind Hilfsmittel, aber keine Lösung. Ihre Verwendung würde in den betroffenen Ländern — beileibe nicht nur in Afrika, sondern auch in Lateinamerika und Teilen Asiens — nur im Zusammenhang mit einer echten Humanisierung der Sexualität akzeptiert werden, was unter anderem die Ächtung von Vergewaltigung sowie die Freiheit zur gegenseitigen Liebe zwischen Sexualpartnern zur Voraussetzung haben würde.
Dieser Papst wird von seiner Affirmation ausschließlich heterosexueller, monogamer Zweisamkeit nicht abzubringen sein — das trennt ihn vom Verfasser dieser Zeilen hier, der mit der Kirche nichts am Hut haben will, an keinen Herrgott glaubt und den es nicht die Bohne interessiert, was der Papst erlaubt oder untersagt, ganz fundamental.
Daß er aber die Kondom-Werbekampagnen abgehalfterter Popstars oder mackerhafter Louis-Vuitton-Kleiderständer verabscheut und auf der Präponderanz der Humanisierung der Sexualität besteht, daß also der alte römische Universalist in den so sehr engen Grenzen der katholischen Lehre so viel weiter denken kann als die meisten herabtemperierten und also banalen Kulturschaffenden oder Herausgeber im Westen — das ist es, was mich bloggenden Fußgänger ab und an doch wieder: katholisch macht.
Kommentare 136
Interessante Einschätzung.
Und als "Gegengift", das hier ... :-)
www.freitag.de/community/blogs/sexpower/neuigkeiten-aus-der-katholischen-kirche-
Weiterführende Links:
www.aidshilfe.de/de/aktuelles/meldungen/deutsche-aids-hilfe-begruesst-papstaeusserung-zum-kondomgebrauch-als-mittel-der-
www.aidshilfe.de/de/sich-schuetzen
Ach übrigens, am 1. Dezember ist Welt-AIDS-Tag ...
Verlogenheit der kath. Sexualmoral
Die Ordensfrau Majella Lenzen kennt die Sexualmoral der kath. Kirche. Nach einer beispiellosen Mobbingjagd musste sie den Orden verlassen. Mehr als vierzig Jahre lang hatte sie für Gott anderen Menschen gedient.
Mehr als vierzig Jahre war sie katholische Missionsschwester; dreiunddreißig davon verbrachte sie in Ostafrika. Sie hat Krankenhäuser geleitet, bei Operationen assistiert, Medikamente beschafft und verteilt. Sie hat Menschen ins Leben und in den Tod begleitet, Patienten von der westlichen Medizin überzeugt, ein Aidszentrum aufgebaut und einhei-mische Krankenschwestern ausgebildet. Bis zu jenem Ereignis, das sie rückblickend ihren "Aids-Tod" nennt: Im Januar 1992 verteilt sie in den Slums von Morogoro, Tansania, Kondome an Prostituierte.
Auf Druck Roms musste M. Lenzen ihren Abschied nehmen, weil es nach Ansicht der kath. Amtsträger unvereinbar mit der Lehre der kath. Kirche war, dass eine Nonne Verhütungsmittel an Huren abgegeben hatte, um diese vor dem Schlimmsten zu bewahren.
Die Vorgesetzten der Ordensfrau begannen in Abstimmung mit Rom ein mehrjähriges Verfahren, mit dem Lemzen aus der Ordensgemeinschaft ausgeschlossen wurde. Offiziell hat Lenzen den Orden freiwillig (Was für ein Hohn!) verlassen – die letzte Form der Demütigung für eine mutige Nonne!
Dass die katholische Kirche im Inneren oft anders kommuniziert, als sie es nach Außen klingen lässt, ist einer von vielen Punkten, die Majella Lenzen heute "Heuchelei" nennt. "Kommunikationsschwierigkeiten" waren dann auch der offizielle Grund für ihre Entlassung. „Mit dem, was für meine Arbeit notwendig war, bin ich immer wieder an die Grenzen der kirchlichen Moral gestoßen", sagte Lenzen im letzten Jahr.
„Wir müssen nahe bei den Menschen sein, sie führen, ihnen helfen; und dies sowohl vor wie nach einer Erkrankung. Tatsächlich ist es ja so, dass, wo immer sie jemand haben will, Kondome auch zur Verfügung stehen.“ – Majella Lenzen kann eine solche Äußerung des Papstes von heute nur mit Hohn und Verbitterung quittieren – vierzig Jahre lang hat sie nichts anderes getan!
Paul Haverkamp, Lingen
Lieber Josef,
die Regensburger Vorlesung habe ich vor Zeiten in den Mittelpunkt einer kleinen Glosse gestellt und zusammengetragen, was da alles seinerzeit geschrieben worden war.
ed2murrow.wordpress.com/2009/11/04/fundstuck-zu-weltuntergang/
Es bestätigt sich wieder, wie auch an dem einen kleinen Sternlein, das man Ihnen wegen des Artikels verpaßt hat, dass ein gewisser Calvin noch immer seine Anhänger hat :)
Mit großem Genuss gelesen, e2m
Tja, wenn das Feindbild sich nicht so verhält, wie gedacht, ist das immer ein Ärgernis;-) Danke, das war der erste Artikel, den ich zum Thema überhaupt lesen mochte.
Lieber ed2murrow,
vielen Dank für den Link — der gehört hier auch rein, jawohl. Gestatten Sie mir, mich zu revanchieren?
Der bislang einzige deutschsprachige Kommentar dazu, der wirklich Erhellendes zutage liefert, ist nun ausgerechnet in einer evangelischen Publikation erschienen:
www.evangelisch.de/themen/religion/der-papst-hat-kondome-erlaubt-weit-gefehlt27169
Ehre, wem Ehre gebührt!
Viele Grüße zurück
Ihr Josef
Lieber Paul Haverkamp,
ich habe zuweilen den Eindruck, daß es sich mit der Katholischen Kirche und dem weit gefächerten Feld ihrer Kritiker so verhält wie wie dem Kalten Krieg und seinen angeblichen oder tatsächlichen Überwindern: Sind erst ein paar Jahre ins Land gezogen, richtet sich mancher ganz bequem ein in den entwickelten Korrespondenzlogiken, die darauf passen.
Zu Zeiten des Kalten Krieg gab's eindeutige Kriterien, gab's ein hier und da, ein 'wir' und ein 'ihr', ein so und ein anders, und alles zusammen in zweifacher Version, je nach dem, auf welcher Seite man stand. Es war eine sortierte Welt, in der es sich, beherzte man nur bestimmte Grundsätze, ganz gut auskommen ließ, intellektuell und praktisch.
Manche werden davon so sehr eingesponnen, daß sie bis heute nicht mehr davon losgekommen sind und die Welt immer noch mit der und durch die uniforme Kassenbrille anschauen, die sie sich in den 1960er- oder 70er-Jahren zugelegt hatten.
Liest man die Erzeugnisse mancher Kirchenkritiker, dann scheint es oft so, als würden sie sich unterderhand die Katholische Kirche genauso so dogmatisch, schwerfällig, weitschweifig und vorgestrig wünschen, wie sie nun einmal tatsächlich auch ist, da ansonsten ihre hervorragend eingeübten und auf Abruf bereitstehenden Suaden keine Adresse mehr vorfänden, an die sie zugestellt werden könnten.
Es ist ja so, daß man, bei einigermaßen erhalten gebliebener Restvernunft, über eine politisch so relevante Organisation, die den zweithöchsten päpstlichen Hausorden an bekennende Faschisten und Massenmörder verleiht und allen kanonischen Ernstes die Heiligsprechung von Krankenschwestern betreibt, für die das Leiden und das langsame Krepieren eine körperliche Erinnerung an die nötige Hinwendung zu Gott gewesen ist, kein einziges Wort mehr verlieren sollte. Dabei könnte man es bewenden lassen, und wer sich damit schon zufrieden gibt, der macht das auch.
Ich bin allerdings der Meinung, daß das der Weisheit letzter Schluß noch nicht gewesen sein kann, denn für jeden römischen Katholiken, der diese Praxis begrüßt — sei's aus katechetischer Gefolgschaft gegenüber dem Lehramt oder wirklicher Überzeugung — wird man auch einen römischen Katholiken finden, der sie verurteilt, aber zu diesem Urteil gelangt, indem er dieselben Glaubensüberzeugungen ins Feld führt, die die andern benutzt haben, um sich auf die Schultern zu klopfen.
Wie kommt das? Wie ist das möglich?
Wie ist es möglich, daß in den Kirchen Lateinamerikas in der Vorabendmesse gepredigt wird, daß die Pille Teufelszeug sei und in jedem Falle Sünde, während spätabends die Glocken läuten, um genau dasselbe Kirchenvolk daran zu erinnern, die Pille zu nehmen?
Ist's Lüge? Heuchelei? Bigotterie?
Man kann das so nennen, ohne jede Frage. Man kann aber auch anerkennen, daß für diese überkommene Organisation namens Katholische Kirche mit all ihren eingemauerten Dogmen, ihrem festgezurrten Lehramt, ihrem ganzen sagenhaften Budenzauber auf Basis ihrer eigenen Grundsätze Humanität ist, was den andern als Lüge erscheinen muß; oder anders formuliert: man kann die Dialektik erkennen, die in all dem zutage tritt.
Und darum ging es in dem Artikel.
Es gibt Menschen, deren kirchen- und religionsferne Haltung sich aus ihrem bekundeten Desinteresse daran ergibt — und wohlgemerkt: das ist ihr gutes Recht. Bei mir ist es genau anders herum: Ich bin Kirchen und Konfessionen fern, weil ich mich dafür interessiere.
Viele Grüße,
Josef Allensteyn-Puch
Ich möchte auf Ihre Einlassungen nicht näher eingehen. Das Ernstnehmen dieser Organisation erscheint mir persönlich doch als zuviel Ehre für eine spätsteinzeitliche Weltanschauung zu sein.
Es ist definitiv vollkommen gleichgültig, ob der Pontifex Maximus schwulen Prostituierten ein Kondom erlaubt oder eben nicht. Mir erscheint die Befassung mit dieser Kirche (ebenso wie mit jeder anderen Religion) mittels derart intelligent gesetzter Texte einfach nur noch überflüssig und dem Anlass entsprechend unzeitgemäß.
Als Nat.-wiss. ist mir die zu Grunde liegende Philosophie sowie der sich daraus ableitende Absolutheitsanspruch nicht nur zutiefst zuwider, sondern ich empfinde den daraus erkennbaren Machtanspruch als Bedrohung meiner Lebensführung.
Auf die Basis des Erkennbaren reduziert können wir konstatieren: In einem Bereich von 10-19 Metern bis zu 1023 Metern ist bedauerlicherweise nichts festzustellen, was auf eine Existenz schließen lässt, welche die Rechtfertigung für die von Ihnen angeführte Apologie des Göttlichen rechtfertigt.
Wir suchen im CERN nach dem Grund unseres Daseins und wir befassen uns gleichzeitig mit den intellektuellen Absonderungen einer psychopathologischen Erscheinung namens Papst. Haben Sie, j.ap (ebenso wie ich), nicht auch das Gefühl, sich mit etwas vollkommen Überflüssigem zu befassen?
Gruß Kuni
zu Regensburg hätt' ich auch noch was
aus der mottenkiste...
Ich bin, wenn auch manchmal zähneknirschend, eine Verfechterin des Rechts auf Dummheit. Zähneknirschend, weil es immer mal wieder schwierig ist, diese menschenrechtsverträglich auf ein erträgliches Maß einzugrenzen.
Gerade eben haben wir wieder solch einen Fall: der Pappa reist in die Türkei – und einige Türken bringen lautstark zum Ausdruck, daß sie ihn lieber nicht zu Besuch hätten. Was passiert? Das Ganze wird zum Testfall für die Demokratiefähigkeit des kemalistischen Laizismus erklärt.
Dabei reist der Pappa gar nicht in die Türkei, sondern er besucht irgendsoeinen Patriarchen! Was bedeutet, der Pappa reist nach Byzanz. Mindestens.
Nun sind Zeitreisen nicht verboten. Aber eben auch nicht immer von allen zu begrüßen. Daher: die Kasche ist, was diese Reise von Pappa nach Byzanz für die Frauen zu bedeuten hat.
Da nehmen wir uns am besten noch mal seine Rede in Regensburg vor; schließlich ist von einem, der - als moderate Islamkritik ausgegeben - eine als Tagebuchnotiz verkleidete anti-islamische Polemik einsetzt, damit sich die Schäflein hinter der ‚Historizität‘ des Tagebuches aus den Jahren 1394 bis 1402 versammeln können, auch noch etliches andere an versteckten Eiern zu erwarten. Und zwar zum eigentlichen Thema dieser Rede, nämlich dem Verhältnis von Glaube und Vernunft. Weshalb wir anläßlich dieser Reise nach Byzanz doch noch mal nachgucken sollten, was das Verhältnis von Glaube und Vernunft im pappalichen Horizont für die Frauen austrägt.
Ich sage bewußt für die fFauen und grenze dies nicht nur auf die Mitgliederinnen der katholischen Kirche ein, denn das Verhältnis von Glaube und Vernunft versteht sich so allumspannend, daß es die Nicht-Katholikinnen bestimmt nicht ausnehmen wird.
Kurz gesagt, möchte Pappa auch uns Frauen zu dem zurückführen, was für ihn als der „tiefe Einklang zwischen dem, was im besten Sinne griechisch ist, und dem auf die Bibel gegründeten Gottesglauben sichtbar wird“. Was ist das, dieser tiefe Einklang und das im besten Ginne Griechische im auf die Bibel gegründeten Gottesglauben?
Das ist das neue, nämliche griechische, Erkennen Gottes, welches im brennenden Dornbusch seinen Anfang nahm, im (babylonischen?) Exil als „landlos und kultlos gewordener Gott“ weiter reifte um schließlich, auch vermittels der Septuaginta, in eine Begegnung zwischen Glaube und Vernunft, „zwischen rechter Aufklärung und Religion“ einzumünden, wie sie sich beispielsweise in der späten Weisheitsliteratur (welcher?) vollzogen hat. Auf diesem Wege ist die Septuaginta, auch wenn selbst aus Pappas Sicht eine vielleicht wenig positiv zu beurteilende Übersetzung des Tanach (das Wort schreibt er natürlich nicht!) dennoch auf geheimnisvolle Weise „ein selbständiger Textzeuge und ein eigener wichtiger Schritt der Offenbarungsgeschichte“, weil nämlich genau in ihr diese Begegnung zwischen Glaube und Vernunft (logos nämlich, nicht bina!) sich ereignete und das Christentum hervorbrachte. Zwar muß auch Pappa konzedieren, daß es da ab Duns Scotus gelegentliche Fehlentwicklungen des Denkens gab, die sich muslimischem Denken über die Transzendenz Gottes gefährlich annähern – aber mit dem 4.Laterankonzil 1215 sagt der Pappa noch heute, „daß es zwischen Gott und uns, zwischen seinem ewigen Schöpfergeist und unserer geschaffenen Vernunft eine wirkliche Analogie gibt“. Das sei zwar vielleicht nicht der ganze Gott, aber doch der für uns entscheidende Teil, „ein nicht nur religionsgeschichtlich, sondern weltgeschichtlich entscheidender Vorgang, der uns auch heute noch in die Pflicht nimmt“. Und das auch in Hinblick darauf, daß aus dieser Begegnung unter Beifügung des Erbes rRms das entstand, „was man mit Recht Europa nennen kann“.
Dann beschreibt er noch im Schweinsgalopp die Enthellenisierungswellen im Christentum (ich nehme an im europäischen), bei denen ihm zwar schon die mit Harnack eingeleitete große Sorgen bereitet, aber die aktuelle noch viel mehr. Die besteht nämlich in der Ansicht, die Hellenisierung des Christentums sei eine erste Inkulturation des Christlichen gewesen, hinter die andere Kulturen aber zurückkehren dürften, um sich in der einfachen Botschaft des NT selbst neu zu inkulturieren.
So, sagt der Pappa, das ist nicht ganz falsch, aber doch vergröbert, und deshalb doch falsch, weil nämlich das Christentum heute immer noch genuin hellenistisch sei und bleiben oder auch wieder werden müsse. Wegen der im Entstehen des Christentums stattgehabten Grundentscheidungen betreffs den Zusammenhang des Glaubens mit dem Suchen der menschlichen Vernunft – und diese Grundentscheidungen „gehören zum Glauben selbst und sind seine ihm gemäße Entfaltung“ und in ihnen manifestiert sich die Universalität der Vernunft. Natürlich nicht irgendeiner, sondern der christlichen. Das hat der Pappa zwar ein bißchen anders gesagt, aber gemeint.
So daß wir uns jetzt nur noch fragen müssen, was damit gemeint ist, wenn er ein bißchen später davon spricht, daß die Vernunft „die rationale Struktur der Materie wie die Korrespondenz zwischen unserem Geist und den in der Natur waltenden rationalen Strukturen einfach als Gegebenheit annehmen“ müsse. Dies ist eine dringliche Frage, denn aus Pappas Sicht hat Johannes den Anfang von b’reshit (Genesis) – uff deutsch: am Anfang erschuf elohim die Himmel und die Erde/das Land (ich meine mich zu erinnern, daß Buber es mit ‚die Feste‘ übersetzt) - ja um den allerersten Anfang, an dem der logos steht, also die Vernunft in ihrer seit 1215 menschlich-göttlichen Analogie, erweitert und damit das abschließende Wort zum Gottesbegriff gesprochen.
Uns Frauen interessieren neben diesem abschließenden Wort natürlich vor allem die in der Natur waltenden rationalen Strukturen. Nicht ganz grundlos, denn bislang hat sich dies Walten für uns immer einschränkend ausgewirkt. Was eindeutig daran liegt, daß in dem christlichen Bestreben nach Mono-theismus logos als mono-logos verstanden wurde. Die Frage, ob das nun wirklich im strengen Sinne hellenistisch gedacht war und ist, lasse ich mal beiseite; mich interessieren die Auswirkungen dieses mono-logismus.
Die erste Auswirkung besteht darin, daß aus dem Plural ‚elohim‘ ein Singular wird, nämlich ein mono-logos. Damit entfernt sich das Denken vom Gedanken der schöpferischen Interdependenz und landet bei der Mono-Kausalität. Die ist, jedenfalls nach meiner Lebens- und Denkerfahrung, immer mit Macht und damit zusammenhängend mit Hierarchie verbunden. Womit nicht gesagt sein soll, daß es im Tatsächlichen ohne mono-kausales theologischen Denken nicht auch Macht und Hierarchie gegeben hätte. Aber mit ganz sicher.
Für das Christentum führte dies beispielsweise dazu, daß den Christen der Schöpfungsbericht, in dem in paradiesischer Vollnarkose Chawa aus Adams Rippe ihm zur Hilfe geschaffen wird, immer lieber war und lieber wurde als der wesentlich kompliziertere, in dem die Vielheit ‚elohim‘ zu oder mit oder in seinen Vielen spricht: wir wollen das Menschliche (eigentlich: das Rötliche) schaffen uns zum Bilde – und dann schuf er (wobei nicht die Frage gestellt wird, welche oder welcher von den vielen das war) sie männlich und weiblich. Das Christentum hielt es lieber mit dem monokausalen: ein Adam meckert rum und ein Gott entnimmt ihm eine Hilfe weiblichen Geschlechts. Da ist die Abstammung klar: sie stammt aus ihm und Gott hat sie so, und zwar genauso so, geschaffen. Natürlich haben Frauen, die sich daran erinnerten, daß die Geschichte schon mal anders erzählt wurde, immer wieder dagegen angemeckert. Weshalb ihnen apostolisch der Mund verboten wurde.
Möglich wurde dies auch, weil Paulus sich visionär nach Mazedonien hingezogen fühlte; dort traf er auf das hellenistische Denken, über dessen Frauenbild selbst erzkonservative Muslime spotten. Und dies Denken oder sagen wir besser Teile dieses Denkens generierten in der Synthese mit dem christlichen Glauben eine Mono-Kultur, die als erste Inkulturation auch gleich die letzte war, zumindest bleiben soll. Was jegliche feministische Theologie in letzter Konsequenz obsolet macht.
Die zweite Auswirkung besteht darin, daß dies Denken dazu tendiert, alles entweder zu vereinnahmen oder als das Unvereinnehmbare, also das andere, auszugrenzen. Dazu bedarf es keiner Beispiele, die Kirchengeschichte ist insoweit jeder präsent. Und ansonsten kennen wir Frauen ja den netten Spruch, wir seien doch mit-gemeint.
Bemerkung am Rande: Wie das aussieht, hat mir der Bericht in der TAZ über Pappas ersten Tag in der Türkei deutlich vor Augen geführt, bis hin zum Bild. Es war keine einzige Frau dabei. Und wenn er dann den Patriarchen treffen wird, wird auch keine dabei sein, es sei denn in helfender Funktion – zwar ist der Spruch überliefert, die Isaia lauschende Maria habe das bessere Teil gewählt, aber die Martha ist nun mal unverzichtbar und für die Adams irgendwie dann doch immer noch der bessere Teil...
Abgesehen davon, daß Frauen wieder nur mitgemeint sein werden, wenn Pappa und Patriarch miteinander die katholisch-orthodoxe Allianz verabreden, werden die beiden sich im mehr oder weniger Besten ihres mehr oder weniger hellenistischen christlichen Verständnisses treffen. Und das bedeutet: Einigkeit darin,
- daß Frauen in der Kirche zu schweigen haben
- daß Frauen allerhöchstens zu Bräuten Christi taugen
- und daß, jenseits des Zölibats, die Erbsünde fortgilt, weshalb beispielsweise Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsunterbrechung weiterhin auf dem Index stehen werden. Von Selbstbestimmung, und sei es gar sexueller, gar nicht zu reden.
Weshalb dieser oder jener uns Frauen vor dieser mono-logischen ökumenischen Solidarität bewahren möge, die uns uni-sono etwas über die Menschenwürde des Embryos um die Ohren schlagen wird ohne sich auch nur einen Deut um die Menschenwürde unserer bereits geborenen Ohren zu scheren.
Ach ja: Im Zweifel würde der Patriarch keiner Frau die Hand geben, nicht mal, wenn sie Pappina wäre – und der Pappa tut dies bekanntlich auch nur, nachdem sie vorher mit bedecktem Haupt seinen Ring geküßt hat. Honni soy...
Natürlich war Pappas Rede auch als „islamkritische“ gemeint, allerdings womöglich in einem anderen Sinne, als das von den VerteidigerInnen des Propheten wie auch des Pappa verstanden wurde. Der Gute hat sich da, scheint mir, ganz auf die reflexartige Reaktion verlassen, die der Gebrauch von Signalwörtern wie beispielsweise Aufklärung oder Vernunft und Djihad heutigen Tages auszulösen pflegt, vor allem wenn sie als Gegensatzpaare erscheinen. Weshalb in der Rede die scheinbare Islamkritik ja nicht weiter entfaltet werden mußte.
Islamkritisch war die Rede daher nur in dem Sinne, in dem die Erwähnung einiger Versatzstücke muslimischen Denkens als Negativ-Folie für die als uneinholbar dargestellte christliche Vernunft herhalten mußte. Darüber konnte untergehen, daß Pappa uns ein Denken als auch heute noch auf der Höhe der Zeit anpreist, welches bereits im Zeitpunkt seines Erst-Denkens vom muslimischen weit überholt war.
Wir sollten uns klarmachen, daß die Zeit des 4.Laterankonzils als die Hoch-Zeit, das Goldene Zeitalter, muslimischer Philosophie und Theologie gilt. Salopp gesagt: gegen Ibn Hazm war der olle Kaiser Manuel II. Palaeologos ein denkerischer Rohrkrepierer, trotz oder vielleicht auch gerade wegen seiner Gelehrtheit im Sinne des 4.Laterankonzils.
Das klingt sehr wurschtig, was aber nur darin liegt, daß die Schreiberin nicht mit der pappalichen Aura versehen ist. Diese Aura macht’s nämlich, die erlaubt, daß Pappa in seiner Rede der atemlos lauschenden Zuhörerschaft das Primat christlichen Denkens in hellenistischer Prägung als ultima ratio unterjubeln kann. Das geht so:
Ausgehend von den pappalichen Erinnerungen an seine Hochschullehrerzeit wird unter Verklärung der alma mater der ausgehenden Adenauerzeit die Theologie in die universitas der akademischen Wissenschaften hinein- und als die Repräsentantin des Kosmos der Vernunft dargestellt. Weil sie nämlich die „Erfahrung, daß wir in allen Spezialisierungen, die uns manchmal sprachlos füreinander machen, doch ein Ganzes bilden und im Ganzen der einen Vernunft mit all ihren Dimensionen arbeiten und so auch in einer gemeinschaftlichen Verantwortung für den rechten Gebrauch der Vernunft stehen“ zusammenfaßt und bündelt.
Dies ist eine voraussetzungsvolle Rede. Aber bevor die Zuhörerschaft auch nur dazu kommen kann, die Voraussetzungen derselben zu bedenken und zu hinterfragen, wird sie auch schon mit der Historie beballert. Die Historie hat nun allerdings oft den Vorzug, daß sie sich schon vor etwas längerem ereignet hat und kein Mensch sich so genau daran erinnern kann. Da sind wir dann immer froh, wenn uns einer erklärt, was sich in derselben ereignet hat. Und weil ja – auch dies eine Lehre der Historie – alles immer irgendwie mit allem zusammenhängt, wird auch alles mit allem vergleichbar.
Also wird der scheinbare Kunstgriff möglich, die historisch-kritische Untersuchung des Qor‘an (in welchem geschichtlichen Zusammenhang entstand welche Sure? bzw. wurde sie von wem kompiliert?) mit ihrer scheinbaren Vorläuferin im sogenannten Tagebuch des gelehrten byzantinischen Kaisers vom Ende des 14.Jhdt. zusammenzubringen. Nach dem Motto: schon dieser gelehrte Byzantiner hat es erkannt. Da sind wir dann gleich wieder so baff, daß uns völlig durch die Lappen geht, wie diese historisch-kritische Methode vom vermutlich richtigen Entstehungszusammenhang einer Sure her gegen muslimische Philosophie insgesamt gewendet wird, um in aller Kürze zu beweisen, daß beide insgesamt unvernünftig seien.
Ich habe mir die Mühe gemacht, mich in der mir zugänglichen Literatur auf die Suche nach Ibn Hazm zu machen ... bislang vergeblich, was aber an der Schreibweise liegen kann . Was jedoch nichts daran ändert, daß dessen in der Rede wiedergegebene Gedanken über die absolute Transzendenz Gottes so atemberaubend folgenreich sind, na ja, gewesen wären, wenn sie nicht bereits innermuslimisch in Acht und Bann geraten wären, aber das ist eine andere Geschichte ...daß Pappa sie konsequent hellenistisch ignoriert. Weil: Nicht vernunftgemäß handeln ist dem Wesen Gottes zuwider.
Dieser Satz gegen Ibn Hazm steht am Scheideweg (wo die TAZ öfter mal nachgeguckt, wer sich da alles so rumtreibt) „im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Religion“. Wohl wahr, denn Ibn Hazm konsequent gedacht läuft darauf hinaus, die Gottesebenbildlichkeit des Menschen und die von Pappa angeführte Analogie von göttlicher und menschlicher Vernunft nicht nur in Frage zu stellen, sondern vielleicht sogar als legitimatorische Denkfigur entweder als solche zu benennen oder aber aufzugeben.
Pappa hat völlig richtig erkannt, daß damit zumindest das Ende monotheistischer Theologie gekommen wäre. Vielleicht nicht als Wissenschaft, aber doch als Inhalt der sonntäglichen Verkündigungen.
So. und nun dürfen wir darüber nachdenken, ob wir wirklich zur Synthese von christlichem und hellenistischem Denken zurückwollen.
Interessanterweise wurde wieder einmal diskutiert und geschrieben, bevor das Buch „Luce del Mondo“ überhaupt auf dem Markt war. Grundlage war dieser Artikel vom 21. November
www.vatican.va/news_services/or/or_quo/cultura/2010/269q12a1.html
im Osservatore Romano, der online schon ein Tag vorher zu lesen gewesen ist. Ital. Tageszeitungen zufolge habe sich Radio Vatikan, bekanntermaßen von den Jesuiten geführt, für das Vorpreschen des Chefredakteurs vom Osservatore, der wiederum das Zentralorgan des Heiligen Stuhls ist, beschwert. Da kann man sich schon mal an die besten Zeiten von Prawda und Izvestija erinnert fühlen.
Was nichts daran ändert, Töne fest zu stellen. Die liegen in dem Satz: „Le prospettive della "Humanae vitae" restano valide, ma altra cosa è trovare strade umanamente percorribili.“ (etwa: Die Perspektiven der „Humanae vitae“ bleiben gültig, aber eine andere Sache ist es, menschlich gangbare Wege zu finden“). Und da klingt das zweite Vatikanum wieder an.
Warum liebste Rahab, benötigen Sie so viele Worte? Banane würde vollkommen reichen.
Fehlt eigentlich ein Exkurs "Methoden der Empfängnisverhütung bei den späten Hellenen und deren Applikation in Byzanz". Freiwillige vor?
@Kunibert Hurtig
Wenn die Weise auf die Sterne zeigt, sieht der Idiot nur den Finger.
schafsdarm
wenn ich mich richtig erinnere
bei hellenen kanns auch schwein gewesen sein
@Rahab
schafsdarm
wenn ich mich richtig erinnere
bei hellenen kanns auch schwein gewesen sein.
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Haupsache dicht! ;-)
Hauptsache
Darf ich als eher pragmatischer Mensch einen Link zu den praktischen Aspekten beisteuern (Karikatur leider nicht von mir)?
www.tagesspiegel.de/mediacenter/karikatur/karikatur-galerie/3994.html?p3994=2#image
Wollen Sie ein "t" kaufen?
The History of the Condom, H. Youssef
Institute of Obstetrics Gynaecology, Hammersmith Hospital, London, in Journal of the Royal Society of Medicine, April 1993
www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1293956/
Wollen Sie ein "t" kaufen?
Jo, wenn es nicht zu teuer kommt! ;-)
Lieber Kuni,
einer der großen Klugen hat vor einiger Zeit mal darauf hingewiesen, daß sich die Frage nach den Bedingungen der Wissenschaft in ihrer schärfsten Form stellen lasse, indem man sich ansehe, weshalb die Wissenschaft so, wie wir sie kennen und betreiben, nicht in den großen antiken Kulturen, sondern im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts entstanden sei.
Richtig: Das hat (nebst anderem) etwas mit Aufklärung zu tun, welche hinwiederum ihren nicht unwesentlichen Ausgang nahm bei der Religionskritik — wohlgemerkt: Kritik, also eben nicht ein einfaches »Banane«, wie Sie es da oben geschrieben haben.
Die Gefahr, für einen Religiösen gehalten zu werden, besteht selbstverständlich immer, wenn man solche Artikel schreibt wie ich da oben, dessen war ich mir bewußt. Daß ich dabei persönlich kein religiöser Mensch bin, tut dabei zwar nichts zur Sache, es ist aber so.
Über die Wissenschaft, ihre Rolle und vor allem ihre Reichweite sind wir zwei uns sehr wahrscheinlich völlig einig. Einwände will ich lediglich geltend machen in Bezug auf Ihre Aussage, daß man »im CERN nach dem Grund unseres Daseins« suche. Soweit ich informiert bin, wird im CERN nach der Feinstruktur der Materie gefahndet in der Hoffnung, genauere Auskünfte über die Arten und Weisen der Elementarkräfte zu erhalten. Das ist alles ebenso höchst spannend wie schwer in Ordnung — aber den Grund des Daseins wird man im CERN schon deshalb nicht finden können, weil die dortigen Methoden das gar nicht hergeben.
Zur Welt, wie sie ist, gehört nämlich wesentlich mehr als die Feinstrukturkonstante und die schwache Wechselwirkung. Sie besteht nämlich auch aus Menschen, die sie bewohnen, und wer die verstehen will und die Gesellschaft um sich her, der kommt mit dem Werkzeugkasten der Naturwissenschaften allein nicht weit.
Mir ist es, wie ich schrieb, völlig egal, was der Papst verlautbart, und mein Leben ändert sich dadurch nur dann, wenn diese Verlautbarungen etwa Einfluß nehmen auf die Gesetzgebung. Aber das geht nicht allen so, denn einige hundert Millionen Menschen auf diesen Planeten hören auf das, was der Papst erklärt. Wenn ich also wissen will, was da draußen vor meinem Kämmerlein vor sich geht, dann kann ich das unabhängig von meiner persönlichen Absicht nicht mit einem simplen »Banane« vom Tisch wischen, lieber Kuni.
Viele Grüße,
J. A.-P.
"Als Nat.-wiss. ist mir die zu Grunde liegende Philosophie sowie der sich daraus ableitende Absolutheitsanspruch nicht nur zutiefst zuwider, sondern ich empfinde den daraus erkennbaren Machtanspruch als Bedrohung meiner Lebensführung."
Sie nehmen die Institution dafür aber viel zu wichtig - ganz entgegen Ihres Statements.
"Ist's Lüge? Heuchelei? Bigotterie?"
Es ist der Mensch - oder auch die soziale Gemeinschaft - in all seinen/ihren Facetten.
Warum das Thema so erregt? Weil es wie ein Blick in die eigenen dunklen Abgründe ist, wie ein Blick in den Spiegel, in dem man erkennt, was man von sich selbst abzuspalten versucht hat. In diesem Sinne wären wir dann alle ein wenig katholisch. Ob wir wollen oder nicht, ob wir glauben oder nicht.
Du musst das differenzierter sehen. Es gibt viele Situationen in denen die Kath. Kondome und sexuelle Interaktion verdammt haben. So wie ich das verstanden habe hat der Papst das Gebrauchen von Kondomen bei männlichen Prostituierten legitimiert, und somit die Homosexualität als Ausdruck christlicher Sexualität legitimiert. Ich weiß nicht in wie weit ein Papst in der Vergangenheit die Grundsätzliche Richtung der kath. Kirche in so exzessiver Weise geändert hätte. Ich habe das Buch des Papstes nicht gelesen,aber wie Mann es von Dammbrüchen kennt ist es meist ein kleiner Riss der zu einem Rinnsal und schließlich zu einem Bruch des Dammes führt der sich schlussendlich über das unterlegene Land ergießt...
...
also jetzt wieder Kirchenseuer zahlen...
Eine interessante Debatte; hier nur einer kleiner Nebengesichtspunkt, zur Verteidigung der Journalisten: Es ist doch nicht dasselbe, ob der Papst sagt, die "Geisel kann mit Kondomen nicht beseitigt werden", oder ob er sagt, Kondome könnten t r o t z d e m unter Umständen n o t w e n d i g sein. Der erste Satz läßt sich immer noch als bedingungslose Ablehnung von Kondomen lesen, ja er muß so gelesen werden, da solche Ablehnung der bekannte Stand war und der Satz eben keinen Hinweis, sie aufzugeben, enthält. Diesen Hinweis enthält erst der zweite Satz
Deshalb haben die Journalisten recht: Der zweite Satz ist ein wichtiges Ereignis. Und das ganz unabhängig davon, wie man zu Papst, Kirche und Religion steht, da so viel ja allgemein bekannt ist, daß diese Kirche in manchen Weltgegenden über ziemlich viel Einfluß verfügt.
Das Ereignishafte liegt aber wirklich in der Aussage zum Kondom; eine Veränderung in der Haltung zur Homosexualität (Hose 1:54) signalisiert er nicht. Ich habe vor einiger Zeit hier im Freitag darüber geschrieben: Homosexualität wird seit ein paar Jahrzehnten als genetisch bedingt von der Kirche anerkannt, sie fordert dann dazu auf, die Neigung nicht auszuleben, müht sich um "Verständnis" für außerkirchliche Homosexuelle usw. Was der Papst jetzt sagt, bedeutet nur, daß er im Kondomgebrauch des Homosexuellen einen ersten Schritt weg von der "Sünde" hin zur Kirche sehen will.
Das ist ziemlicher Schwachsinn, es ist aber richtig darauf hingewiesen worden, daß diese Sache nur ein Beispiel sein sollte; es ist schon so: Dieser Papst gibt die bedingungslose Ablehnung von Empfängniverhütung auf, und wahrscheinlich weiß er selbst, denn dumm ist er nicht, welchen ganz vielen Schlußfolgerungen von Millionen Menschen er damit Tür und Tor öffnet.
Hallo, das war ja ein hochinteressanter Parforceritt. Danke dafür.
@ GeroSteiner - "Wenn die Weise auf die Sterne zeigt, sieht der Idiot nur den Finger."
So ist es. Wie war das oben bei Rahab? Sie schreibt: "Ich bin, wenn auch manchmal zähneknirschend, eine Verfechterin des Rechts auf Dummheit."
Das Recht auf Dummheit kann ich noch nachvollziehen, aber es sollten keine allzu hurtigen Manifestationen derselben wie bei dem entsprechenden Herrn gestattet werden.
"Zur Welt, wie sie ist, gehört nämlich wesentlich mehr als die Feinstrukturkonstante und die schwache Wechselwirkung. Sie besteht nämlich auch aus Menschen, die sie bewohnen, und wer die verstehen will und die Gesellschaft um sich her, der kommt mit dem Werkzeugkasten der Naturwissenschaften allein nicht weit."
Wie wahr :-)) siehe FC
aber ich will net kneifen, hier mein Senf:
Die Katholen (und zwar tragen auch einfache GemeindemitgliederInnen :-)) dafür Mitverantwortung) haben im Laufe der letzten 2000 Jahre unendlichen Schaden angerichtet und eine Unzahl von Menschen dahingemeuchelt (unter uns gesagt: mehr, als AIDS je schaffen wird)
Die Funktiontraeger sind zwar bis heute alle maennlich, sehen aber in ihren schwarzen und farbigen Soutanen eher dem uns gewohnten "weiblichen" Bild aehnlich.
Es ist schön, das manche hier so ausführlich über Christen und Hellenen referiern. Ich wünschte manchmal in anderen blogs, sie würden es der Religion des Islam gegenüber genauso halten.......
Richtig ist aber: den mit Abstand meisten Schaden und das mit Abstand grösste Blutvergiessen haben in Byzanz die lateinischen Eroberer angerichtet. Fatih Sultan Mehmet hingegen begann unmittelbar nach der Eroberung Konstantinopels mit der Erneuerung der Infrastruktur, er liess gegenüber der Stadtbevölkerung grosse Milde walten.
Ist einem mal so richtig nach Blutbaedern zumute, sollte man keinesfalls auf Splatter-Websites zugreifen, sondern einfach nur die Geschichte der Paepste lesen.
@Rahab
sehr ergiebig und sehr fein geschrieben.
super lesenswert.
Was ist es wert, eine solche Aussage zu machen, wenn sie nicht innerhalb einer Enzyklika daherkommt. Ich frage mich, ob der Papst, wenn er es denn wollte, das überhaupt in Vatikanstadt durchsetzen könnte.
Und dann das das.
Was wirklich von Nöten wäre, ist doch die Zuwendung zu dem Mensch sein im Kern. Sicherlich wiegt ein Begriff wie die Propädanz der Humanität der Sexualität,...nur, was ist der Begriff Humanität wert?
Dahinter steht mir eine Funktion, die sich dem Menschen anzugleichen hat und damit Weisung doch keinesfalls aufheben müsste. Hier hat sich allerdings der Mensch an die Funktion anzupassen und die Scherung dazwischen ist der Leidensweg?!
Was genau ist denn an dem Kommentar, den Rahab hier wiedereinstellte, so »super lesenswert«, mein lieber Alexander?
Stimmt schon: Er liest sich angenehm und flüssig und umfaßt einen wohlbegründeten Standpunkt, den man haben kann.
Das Problem dabei ist nur, daß er gar nicht zum Gegenstand seiner Kritik (der Regensburger Rede) paßt, sondern sich haarscharf am Kern des ganzen vorbeimanöveriert; deshalb habe ich ihn bislang auch nicht kommentiert.
Das, was da steht, liest sich wie ein irgendwie mit proto-feministischen Positionen aufgereicherter Versuch über Adolf von Harnack.
Es ging dem Papst in Regensburg nämlich gar nicht um die mögliche Re-Hellenisierung des Christentums (daher auch Harnack, weil der der bedeutendste Vertreter der Ent-Hellenisierung im späten 19. Jahrhundert gewesen ist), weshalb die Kritik, die an der Stelle ansetzt, auch so sehr vorbeigehen muß.
@hibou
"(...) Die Katholen (und zwar tragen auch einfache GemeindemitgliederInnen :-)) dafür Mitverantwortung) haben im Laufe der letzten 2000 Jahre unendlichen Schaden angerichtet und eine Unzahl von Menschen dahingemeuchelt ..."
Als Ergänzung ...
Guten Tag, Herr Jäger.
Daß Sie Partei ergreifen für Ihre Kollegen finde ich nicht nur sympathisch von Ihnen, sondern diese Ritterlichkeit ehrt Sie auch.
Es stimmt und Sie haben recht mit Ihrem Hinweis, daß aus der einen Aussage des Papstes nicht mit Zwangsläufigkeit die andere folgen muß. Aber — und eben das ist der Punkt — sie ist möglich und war es von vornherein, und exakt das ist das Bemerkenswerte an dem Vorgang.
Diese neue Position ist möglich, ohne auch nur einen einzigen Stein im Kirchenfundament zu verschieben, ohne auch nur ein einziges Dogma aufzuheben oder zu verändern. Das Neue, Umstürzlerische liegt also eben darin, daß überhaupt rein gar nichts umgestürzt werden mußte, sondern im ganzen Gegenteil volle Konkordanz mit der katholischen Lehrmeinung vorliegt. Daher oblag es auch nicht, wie von so vielen Menschen schon so lange erhofft, dem berühmten Konzilspapst oder einem Karol Woityla, also der Charismatiker-Fraktion, derlei auszusprechen, sondern der Intellektuellen-Fraktion, der Ratzinger angehört.
Viele Grüße an Sie, natürlich auch in die Redaktionsstube,
Josef Allensteyn-Puch
@ OneStarAlliance...thanks, but i don't really care
@Josef..
..für mich war es interessant zu lesen. Ob nun Rahab das irgendwo anders, gar in einem Artikel hätte posten sollen...och ja, ~ ob die Kritik richtig ansetzt, will ich mir gern erschmökern.
whats the news, ah, oh, i see,..just a reminder~
Wahrlich, wahrlich, aber solange keine Scheiterhaufen brennen ...
"... aber den Grund des Daseins wird man im CERN schon deshalb nicht finden können, weil die dortigen Methoden das gar nicht hergeben. "
Ich meine doch, man hofft dort das so genannte Higgsfeld zu finden, die Ursache, warum Materie Masse hat und Gravitation erzeugt ... Denn ohne diese wären weder Sonne noch Sterne. Das ist doch letztlich der Grund unseres Daseins.
Gruß Kuni
Aber natürlich, schließlich will der Idiot doch wissen, auf welchen Stern die Weise zeigt ... oder ist der Finger so breit und dick, dass er den Himmel abdeckt? Dann ist es doch nicht verwunderlich dass er nur diesen sieht
Ich schreibe ja nicht ohne Grund immer das »römisch« vor die Katholiken, wenn ich die römischen Katholiken meine.
Es gibt nämlich auch noch andere als die römischen solchen, etwa die Altkatholischen. Wer also wirklich um jeden Preis katholisch sein will, der kann das durchaus bleiben.
Es ist dieselbe Bibel, dasselbe Testament, derselbe Herrgott, derselbe Jesus-als-Christus, dieselbe Maria-als-Gottesmutter (aber nicht von der Sorte Immaculata*) und es sind sogar dieselben Sakramente wie in der römischen Ausgabe, nur dürfen Altkatholiken ihre Pfarrer und Bischöfe selber wählen, als Geschiedene am Abendmahl teilnehmen, als Frauen Priester sein, als Homosexuelle heiraten und sie dürfen sogar den Papst gut finden, wennzwar auch nicht als obersten Gerichtsherrn der Kirche, sondern nur ehrenhalber als Patriarch des Okzidents.
—
*) ... und streng genommen befindet man sich dabei sogar wesentlich näher am griechischen Original. Ohne hier zu weit ausholen zu wollen: wen's genau interessiert, der mag mal nachschlagen, was dià tês teknogonías bedeutet und woher es kommt.
Die Ursache, warum Materie Masse hat und Gravitation erzeugt, erklärt, warum Materie Masse hat und Gravitation erzeugt. Mehr nicht, sonst wäre es keine Wissenschaft.
Außerdem hat die seriöse Wissenschaft niemals die Absicht oder den Anspruch über reine Gesetzmäßigkeiten in der Beschreibung hinaus zu wachsen.
meine ich, lieber Herr Hurtig, aber ich respektiere Ihre Meinung dazu gerne.
(Kunibert Hurtig schrieb am 24.11.2010 um 12:43)
Das ist doch letztlich der Grund unseres Daseins.
Szientismus
"Nö, lieber Kuni. Das ist zwar die Voraussetzung (oder kantisch gesprochen: die Bedingung der Möglichkeit), aber in keiner Weise der Grund unseres Daseins."
Ich meine doch, auch unter Berücksichtigung der im verlinkten Artikel erhobenen Einwände.
Denn ohne die Möglichkeit der Aggregation von Materie gäbe es nichts, was diskutieren könnte.
Aber da vertreten wir wohl unterschiedliche Anschauungen. Das macht aber nichts, denn allein der Hinweis, dass eine Denkrichtung Szientimus existiert, war schon eine Bereicherung.
Wenn man das WIE erklären kann, hat man damit noch keine Antwort auf das WARUM.
Oder mit den Worten eines Cartoons:
"Hallo Gott! Wir haben alle Rätsel und Geheimnisse gelöst ... wir brauchen dich nicht mehr."
"So."
"Trittst du ab, wenn wir einen Menschen aus Erde schaffen? So wie Du in 1.Mose2,7."
"Einverstanden."
Die Wissenschaftler wollen ihre Eimer mit Erde befüllen.
"Halt! Doch nicht mit meiner Erde! Ihr müßt schon eure Erde nehmen!"
Genau. Was für eine Neuigkeit und was für eine abstruse Annahme. Da könnte man auch SP für die gesamte deutsche Geschichte mitverantwortlich machen. (Ich bin jetzt mal davon ausgegangen, daß er Deutscher ist. Sonst bitte andere Nationalität einsetzen.)
*gähn*
"Dieser Papst gibt die bedingungslose Ablehnung von Empfängniverhütung auf, und wahrscheinlich weiß er selbst, denn dumm ist er nicht, welchen ganz vielen Schlußfolgerungen von Millionen Menschen er damit Tür und Tor öffnet."
Meine ganz unmaßgebliche Meinung geht in eine ganz ähnliche Richtung. Der gläubige Katholik / die gläubige Katholikin wird schon wissen, wie er / sie diese Aussage in seinem / ihrem stillen Kämmerlein zu deuten hat. Offiziell noch immer nicht gestattet und durch die Blume erlaubt. So gesehen also wirklich typisch katholisch, mit allem Drum und Dran.
Die Kirche ist immerhin eine "non-Prophet"-Organisation.
Leise perlen die Steiner ...
"Wenn man das WIE erklären kann, hat man damit noch keine Antwort auf das WARUM."
Die Frage nach dem WARUM stellt sich nicht. Es ist eine Frage der Selbstorganisation von Materie, spezifisch des Kohlenstoffs. Kleine Literaturempfehlungen:
Erich Jantsch, "Die Selbstorganisation des Universums"
Paul Davies, "Prinzip Chaos"
Ilja Prigogine Isabelle Stangers, "Dialog mit der Natur"
Friedrich Cramer, "Chaos und Ordnung"
Hans Jörg Fahr, "Zeit und kosmische Ordnung"
Roger Penrose, "Schatten des Geistes"
John C. Eccles, "Das menschliche Gehirn"
Umberto Maturana, "Baum der Erkenntnis"
Wenn Sie damit durch sind, diskutieren wir dann weiter über den Eimer
Hier noch eine kurze Einlassung von Wolf Singer, Neurobiologe am MPI:
Ziel meines Vortrags zur Neurobiologie war, das Gehirn als ein in hohem Maße aktives, auf sein eigenes Wissen rekurrierendes selbstreferenzielles System vorzustellen, das auf der Basis der gespeicherten Information - genetische ebenso wie epigenetische - aus dem wenigen, was die Sinnessysteme zur Verfügung stellen, ein kohärentes Bild der Welt synthetisiert. Das Gehirn entwirft Modelle der Welt, vergleicht dann die einlaufenden Signale mit diesen Modellen und sucht nach den wahrscheinlichsten Lösungen. Diese müssen nicht unbedingt mit der physikalischen Realität übereinstimmen - und sie tun dies in vielen Fällen auch nicht - denn es kommt vorwiegend darauf an, die Variablen zu bewerten, die verhaltensrelevant und fürs Überleben dienlich sind. Und es ist wichtig, dabei so schnell wie möglich zu sein. Unsere Kognition fußt also auf Wahrscheinlichkeitsberechnungen und Inferenzen. Das Faszinierende ist dabei, dass wir das Ergebnis dieses interpretativen Aktes für die Wirklichkeit nehmen. Wir merken nicht, dass wir konstruieren, sondern uns ist als bildeten wir ab. Es ist dies eine der vielen Illusionen, denen wir erliegen. Eine weitere Illusion ist die Vorstellung, dass wir im Gehirn ein Kommandozentrum haben, in dem das Ich residiert und wertet, entscheidet und befiehlt. Stattdessen müssen wir uns das Ich als einen räumlich verteilten, sich selbst organisierenden Zustand denken - was weder attraktiv erscheint noch leicht fällt. Dann gibt es noch die immer unangenehmer werdende Inkompatibilität zwischen unserer Selbsterfahrung und dem naturwissenschaftlichen Bild von uns. Subjektiv erfahren wir uns als autonome, mit freiem Willen begabte mentale Agenten, die entscheiden was sie tun wollen, und diese Entscheidung dann in neuronale Aktivität umsetzen, damit geschieht was wir wollen. Diese Sicht ist immer weniger vereinbar mit den Ergebnissen neurobiologischer Forschung. Wir leben also parallel in zwei Welten. In der einen, der subjektiv erfahrenen, nehmen wir unsere Wahrnehmung für die Realität und merken nicht, dass wir konstruieren - vermuten unser Ich an einem singulären Ort und trauen ihm zu, frei schalten und walten zu können. Aus neurobiologischer Perspektive hingegen müssen wir erkennen, dass diese Annahmen und Vorstellungen in hohem Maße unplausibel sind. Die Zukunft wird zeigen, wie sich diese Einsichten auf unser Selbstbild auswirken werden.
In diesem Sinne ... Gutsch Nächtle
...ein bisschen off-topic aber dennoch: Vor ein paar Jahren gab es wohl mal eine so etwas wie inoffizielle Anweisung der Bistümer, das Mönche der jeweils ansässigen Klöster hierzulande doch besser die Masturbation bevorzugen sollen, als Gefahr zu laufen, auf dem Weg ins Bordell ertappt zu werden, wenn sie denn schon der Lust erliegen...das Ergebnis solcherlei inoffizieller Ratschläge bzw. solcherlei Sexualerziehung erwachsener Menschen ist hier zu betrachten - folgender Link bzw. folgende Grafik stellt kulminiert die gesamte katholische Sexualmoral dar:
picasaweb.google.com/lh/photo/L-mKcXcH3xAoAfklihxGUA
...ach, seit dem Mittelalter hat sich wahrhaftig nichts geändert, denn schon der heilige Augustinus, der den Frauen und der Fleischeslust nicht abgeneigt gewesen sein soll, bat in Bittgebeten, das Gott ihn endlich von dem Begehren und der quälenden Lust befreie...allerdings meinte er am Ende jedes Bittgebetes auch: Nur nicht sofort...erst morgen...oder übermorgen...
Man könnte meinen, derlei Selbstbetrug sei Programm!
P.S.: Ein Übertritt zum Protestantismus kommt mir aber nicht in die "Tüte"...Prädestinationslehre, Protestantische Arbeitslehre...ne,ne...das ist ja noch widerlicher...
Es muß natürlich "Protestantische Arbeitsethik" heissen!
Nur ganz kurz:
Die Konstruktivismustheorie bzw. die Systemtheorie fußen nicht (nur) auf den Erkenntnissen der Neurobiologie.
Nur ganz nebenbei:
Die Theorien zur Identitätsbildung bzw. zur Ich-Identität entwickelten sich auch ohne die Erkenntnisse der Neurobiologie bereits in der beschriebenen Weise.
In diesem Sinne.
Schlafen Sie weiter.
*gähn*
Hallo Guiseppe!
Protestantische Arbeitsethik, Menschen die ihren Glauben ernstnehmen, wirklich fürchterlich! Kaum auszuhalten mit denen;-))
Na ja. Im Mittelalter bewertete die Kirche den Gang in den Puff im Vergleich zur Masturbation als das kleinere Übel. Weshalb es vielerorts von den Städten betriebene Bordelle gab, mit ausdrücklicher Duldung der Kirche. Denn letzteres fiel unter die Rubrik "Sodomie" bzw. "widernatürliche Unzucht".
Insofern hat sich also schon etwas geändert, wenn auch nicht gerade viel.
Immer noch nicht gestattet, typisch katholische Doppelmoral; nicht offiziell gestattet, insofern bleibt alles bei alten. Ja, das ist wahr.
Aber die Sache hat natürlich noch einen anderen Aspekt. Wenn die Kirche ihren Standpunkt in dieser Sache offiziell aufgibt, fängt das so an, wie wir es jetzt erleben. Denkt mal an Guttenberg: Der sagt in einer Talkshow oder so, "tja, irgendwie erinnert das ja manchmal an Krieg, was die Bundeswehr in Afghanistan macht, womit ich aber nichts gesagt haben wlll, ich rede nur so ins Unreine". Hat sich damit etwas offiziell geändert? Nein. Aber wenn Journalisten an dieser Stelle nicht mutmaßen würden, daß eine offizielle Änderung bevorstehen könnte, hätten sie ihren Beruf verfehlt.
Was die Sache noch zusätzlich interessant macht: Guttenberg hatte sich wahrscheinlich nur als von der Bundesregierung ins Feld geschickte Minenhund betätigt, während man sich bei Benedikt, obwohl er sogar der Chef seiner Regierung ist, nicht so sicher sein kann, daß er in deren Namen spricht.
Dahinter stand wohl der Gedanke, dass die mitbefruchtene Flüssigkeit des Mannes im Schoß der Frau eher natürlich aufgehoben sei, als in einem Taschentuch auf dem Boden.
Blickt man zurück, hilft es oft, gewisse Haltungen in einer kulturhistorisch immanenten Perspektive zu zu betrachten. Für den Blick auf den unerträglichen Reformstau der katholischen Kirche von heute hilft das freilich nicht mehr.
Lieber Herr Navetta,
was Sie Selbstbetrug nennen und als Programm decouvrieren, ist ja ja auch mehr oder weniger so, wenn man genau hinsieht und statt Selbstbetrug Sublimierung sagt: Wenn Sie über knapp zweitausend Jahre hinweg einige der klügsten Köpfe ihrer jeweiligen Epochen damit beschäftigen, sich den Geheimnissen des Glaubens und seinen sagenhaften Implikationen hinzugeben, dann kommt eben früher oder später statt bloß beredter Mahnung zur Enthaltsamkeit soetwas wie die katholische Marienverehrung heraus — ein lupenreiner Mutter- und Frauenkult, der zeit- und stellenweise nachgerade wahnhafte Züge trägt.
Dazu kommt noch, daß viele der Seligen- und Heiligenfiguren, besonders des frühen Christentums, eben genau die sprichwörtlich gewordene Transformation »vom Saulus zum Paulus« zum Gegenstand haben. Da ist eben nicht ein von vornherein völlig unbefleckter und untadeliger Charakter da, sondern oft genugh verworfene Gesellen, die sich dann durch mühevollste Selbstbearbeitung emporläutern zu lichten Weiten. Den Augustinus haben Sie genannt, den Ignatius von Loyola kennt man auch, der in seiner Jugend ein zechender, hurender, saufender, prassender Offizier war und sich dann zu einem besonders sittenstrengen Geistlichen mauserte; es sind seiner viele mehr unterm Dach der Una Sancta.
Deutungsmöglichkeiten gibt es genug, lieber Michael Jäger. Alleine die Tatsache, dass bei der offiziellen Präsentation des Buches höchster Würdenträger Mons. Rino Fisichella war, der erst kürzlich zum Vorsitzenden des neu gegründeten Päpstlichen Rates für die Neuevangelisierung ernannt worden ist, könnte auf eine Zielgruppe hinweisen. Das betrifft auch die besondere Betonung des Umstandes, dass das Interview „die Menschen von heute ansprechen soll, in einer auch einfachen Sprache, im Plauderton, nicht als Magisterium“.
www.oecumene.radiovaticana.org/IT1/Articolo.asp?c=441375
www.radiovaticana.org/it1/Articolo.asp?c=440912
Das Ziel der Neuevangelisierung, das sich an die Länder richtet, in denen der Schwund an Kirchenvolk besonders deutlich zu spüren ist wie Deutschland, geht nicht ohne Konzession an das, was dort als richtig empfunden wird, Dogmen hin oder her. Diese Öffnung stärkt zurzeit die fortschrittlichen Kräfte innerhalb der römisch-katholischen Kirche. Aufgabe von Journalismus könnte es sein, diese Tendenzen transparenter zu machen. Es muss ja nicht gleich wie der langjährige Romkorrespondent der ZEIT sein, dessen Name mir leider entfallen ist, der alles in Italien durchs Schlüsselloch des Vatikans betrachtet hat. Aber, ob man das nun will oder nicht, in Deutschland leben derzeit rund 25 Millionen Katholiken und etwas mehr Protestanten
www.remid.de/remid_info_zahlen.htm
Und die meisten Politiker aus Parteien mit dem C im Parteinamen haben von dem, was christlich sei, schlicht keine Ahnung, benutzen es trotzdem zum Fahnenschwenken. Das ist ein Spannungsfeld nicht nur für das Kirchengemeindeblatt, finde ich.
"Dieser Papst gibt die bedingungslose Ablehnung von Empfängniverhütung au"
Ach, und ich kleines Dummerchen dachte, es ginge um AIDS-Prävention, weil er doch ausdrücklich vom Verkehr mit Prostituierten (noch dazu männlichen) spricht. Was das nun mit "Empfängnisverhütung" zu tun haben soll, weiß wohl nur Titte
@ Titta am 24.11. um 23:36
"Wenn man das WIE erklären kann, hat man damit noch keine Antwort auf das WARUM"
sind exakt die Worte des Physikers Harald Lesch im Gespräch mit Hans Küng vor ein paar Monaten im Bay. Fernsehen. Physik erkläre nur das Wie, über das Warum müssen man sich mit Menschen wie Küng unterhalten. Neben dieser Unterscheidung war interessant zu verfolgen, wie der Naturwissenschaftler und der Theologe miteinander das Gespräch pflegten. Für mich war das Genuss pur.
Lieber Josef,
nicht zu vergessen den Säulenheiligen schlechthin, Franz von Assisi. Die Kurve gegen die Imitatio Christi bekam die Kirche gerade noch mit dem Bau der Basilika San Francesco hin :)
wie mans macht machts man falsch, scheint es, ich sehe in der meldung dieser päpstlichen vermeldung keine parteiergreifung für den papst, eher eine notwendig gewordene zuwendung zum realen publikum des papstes, über die die medien berichten, über diese art der christlichen zuwendung zu den schäfchen braucht man nicht reden, das spricht für sich; umgekerht gibt es ja gerade den fall, dass der rheinische merkur nicht mehr verlegt wird, weil die sponsoren, die kirche grob gesagt, kritische stimmen ja nicht finanzieren mag, insofern bleibt sich die kirche treu.
Sie haben nicht verstanden, worauf ich hinaus wollte oder will.
Aber das macht nichts, wir werden auch in Zukunft aneinander vorbeireden.
Ich erinnere mich, einmal über ein Gespräch zwischen M. Planck und W. Heisenberg gelesen zu haben, in dem Planck bemerkte:
"Born behauptet, es gäbe keinen Gott und er wäre sein Prophet."
In diesem Sinne ... fröhliches Erwachen
@barshai
Was von Ihnen als Mann zu halten ist, kommt durch die Ihre Verballhornung meines Nicknames zumindest gut zum Ausdruck.
"daß viele der Seligen- und Heiligenfiguren, besonders des frühen Christentums,..."
Viele? Waren es nicht fast alle? (Ausnahmen bestätigen die Regel;-)
Ganz genau, lieber e2m.
Und wer's etwas volkstümlicher mag, hält sich an den Padre Pio oder die Resl von Konnersreuth.
Wir sollten übrigens mal die Herren Kabisch und Michels fragen, ob sich die Indulgenz auch erreichen läßt, wenn man etwas Chrisam ins Sauerkraut mischt.
Max Weber : "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus."
@Michael Jäger
"Aber die Sache hat natürlich noch einen anderen Aspekt. Wenn die Kirche ihren Standpunkt in dieser Sache offiziell aufgibt, fängt das so an, wie wir es jetzt erleben."
Abgesehen von der Formulierung "die Kirche" - du erinnerst dich an unseren Disput - teile ich diese Einschätzung mit dir. Wenn man sich überlegt, daß die rk Kirche ein halbes Jahrtausend gebraucht hat, um Luther in seiner Kritik zu folgen und ihm zuzustimmen, ist sie in Sachen Kondome/Empfängnisverhütung doch recht fix unterwegs.
"während man sich bei Benedikt, obwohl er sogar der Chef seiner Regierung ist, nicht so sicher sein kann, daß er in deren Namen spricht."
Was da intern so abgeht, also die ganzen Strippenziehereien in der Kurie, würde mich auch mal interessieren.
Hallo Titta,
nunja, die Seligen und Heiligen haben natürlich auch ihre zeitrelevanten Konjunkturen hinter sich. Die ersten Heiligen waren Jesu Zeugen, die Apostel, danach kamen die ganzen Märtyrer, was natürlich mit den Christenverfolgungen zu tun hat, sowie auch die »Pioniere« der Urgemeinde, die mit Aufbau und Mission beschäftigt waren.
Mit dem Ende der Verfolgung wurden selbstredend auch die Märtyrer seltener, dafür rückte dann ganz die innere Konversion in den Vordergrund: Nicht mehr den römischen Peitschen galt es zu widerstehen, sondern dem Satan im Innern. Damit begann die intellekutalisierte Phase der Heiligen — dazu gehören natürlich die Kirchenväter, ab dem 4. Jahrhundert die heilige Maria (die allerdings erst mit der Völkerwanderung so richtig populär wurde) und die zahllosen Regimenter der 'behördlich' zuständigen Ressortheiligen.
@ed
Was meinen Sie, wie ich mich gefreut habe, als ich endlich BRalpha empfangen konnte, da werden nämlich diese Sendungen vom BR wiederholt.
Interessant finde ich auch die Ausführungen von Physikern, wenn es um die Quanten- oder die Astrophysik geht. Also um die Materie in ihrer minimalsten oder maximalsten Ausdehnung. Dort konstatieren nämlich selbst die Physiker, daß es auf eine Glaubensfrage, eine Auffassungsfrage, hinausläuft, welcher Theorie man als Physiker denn nun den Vorrang gibt, also welche man denn nun für wahrscheinlicher hält.
Es ist wirklich höchst interessant zu beobachten, wo und wie sich Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft berühren bzw. wo sie Deckungsgleichheit aufweisen.
... oder umgekehrt Galilei aus beiderlei Perspektiven stetig neu zelebriert wird :)
@Kunibert Hurtig
Das Gehirn kann sich vielleicht eines Tages selbst erklären samt seiner eigenen Entstehungsgeschichte, aber damit ist es nicht Schöpfer seiner selbst.
Im übrigen liegen mir kosmologische Gottesbeweise fern. Das ist eine Sache des Mittelalters gewesen. Gott zu reduzieren auf das, was naturwissenschaftlich noch nicht zu erklären ist, ist doch intellektuelle Ödnis.
@j-ap
Und danach dann die Phase, in der ortsansässige Heilige "erfunden" wurden, um die lokale Wirtschaft anzuregen von wg. Wallfahrer bringen Geld in die Stadt bzw. machen aus einer gottverlassenen (abgaben- und steuerarmen Gegend) erst einen ökonomisch interessanten Ort.
Titta schrieb am 25.11.2010 um 12:07 ...
Dass das Gehirn sich eines Tages selbst erklären kann, glaube ich wiederum nicht. Denn es ist, soweit bekannt, ein materielles Gebilde, das einem ständigen Prozess der Veränderung unterworfen ist.
Es würde bedeuten, dass es in einem stationären Zustand verharren müsste, der zu analysieren wäre. Das aber würde bedeuten, dass es nichts über sich selbst mehr lernen kann, denn die Zustandsänderungen, die der Selbsterkenntnisprozess (im rein materiellen Sinne) mit sich bringt, würden ihm entgehen ... ad infinitum.
Eine weitere Frage ergäbe sich hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs dieses Prozesses: Es verfügt über ca. 1,4 X 10^10 Neuronen, die über durchschnittlich 10^4 synaptischen Verschaltungen mit anderen vernetzt sind. Würde es nur 1/1000 Sek. brauchen, um auch nur 1 synaptische Verknüpfung zu analysieren und dabei die schon analysierten Verknüpfungen einbeziehen, bräuchte es für den Gesamtkomplex (1,4 X 10^10)^10^4 X 1/1000 Sekunden. So alt ist das Universum nicht ...
Mit anderen Worten: wirkliche Selbsterklenntnis, die den materiellen Funktionsprozess einschließt ist ausgeschlossen. Wir werden wohl immer damit leben müssen, nicht wirlich zu wissen, was wir sind.
Und Gott zu reduzieren auf das, was (noch) nicht erklärbar ist ... ja, da gebe ich Ihnen Recht: denn mit jeder neuen Erkenntnis, und sei sie noch so klein, begänne der Erkenntnisprozess von neuem, ebenfalls ad infinitum.
Gruß Kuni
Da hat das Männeken aus Rom dem katholischen Fußvolk mal wieder eine Nuss zu knacken gegeben. Kondome, männliche Prostituierte, Homosexualität, AIDS-Prävention. Was ist da los? Wird der ehemalige Glaubens- und Sittenlehrer der katholischen Kirche senil oder hatte er eine Erleuchtung? Klar denkende Menschen merken recht schnell, dass mit Verstand hier kein Weiterkommen ist, sondern man nach kurzer Zeit in einer logischen Sackgasse mit dem Kopf gegen die Wand knallt. Man bedenke, dass alles, was die Kirchenspitze ausheckt, sozusagen doppelt gemoppelt ist, zwei Botschaften in einer packt, die Doppelbindungstheorie lässt grüßen.
Die erste Botschaft geht an das Fußvolk, welches nicht denken sondern glauben soll. Die Botschaft lautet: "AIDS wird verbreitet von homosexuellen Prostituierten. Aus Gnade gewähre ich diesen Sündern das Präservativ." Damit zeigt der ehemalige Glaubens- und Sittenlehrer unmissverständlich, wer dazu gehört und wer nicht. Auf gläubige Katholiken kann sich diese sündige Krankheit nicht übertragen, außer durch Pollenflug. Das ist zwar etwas wirr, aber genau richtig für Gläubige. Die haben mal wieder Gelegenheit die unendliche Güte und Weisheit des Oberhirten zu ergründen.
Nun zur zweiten Botschaft. Sie ist naheliegend, so naheliegend, dass die Medien ein lautes Gebrabbel anstimmen mussten, um den richtigen Gedanken zu übertönen. Es ist eine interne Arbeitsanweisung. Sie richtet sich an pädophile katholische Priester. Die sollen ab jetzt bei der Arbeit wenigstens Schutzkleidung tragen, damit die ihnen anvertrauten Schäfchen zu gesunden Gläubigen heranwachsen können. Das war es eigentlich schon.
Schwule haben das sofort richtig interpretiert, nämlich so ...
Kommentar # 9 Von Schrotboykott am 21.11.2010 bei 'Queer.de'
"(...) Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen:
Für Katholiken ist Prostitution verboten, ebenso Homosexualität. Das Kondom ist aber erlaubt, um die Verbreitung von AIDS durch homosexuelle Prostituierte zu verhindern. Also ist das Kondom nur für die Situationen erlaubt, in die man eh nicht kommen darf. Super witzig, Benedikta ..."
Quelle: "Papst "erlaubt" Kondombenutzung", 'Queer.de' 20.11.2010, Link: www.queer.de/detail.php?article_id=13183
@MopperKopp
"Die erste Botschaft geht an das Fußvolk, welches nicht denken sondern glauben soll. Die Botschaft lautet: "AIDS wird verbreitet von homosexuellen Prostituierten. Aus Gnade gewähre ich diesen Sündern das Präservativ."
Fehlt noch der Zusatz: Ausnahmen haben die Regel.
Hallo SexPower,
im alten römischen Recht — ich erwähne es deshalb, weil das kanonische Recht nicht erst seit der Scholastik auf ihm fußt — gibt es einen Grundsatz, der lautet: lex specialis derogat legi generali. Heißt: Die speziellere Norm verdrängt die allgemeinere Norm.
Die juristische Argumentation nähme daher die genau andere Richtung: Indem der Papst explizit unter bestimmten Bedingungen, also etwa bei männlichen Prostituierten, die Benutzung von Kondomen erlaubte, hat er damit a fortiori männliche Prostitution und d.h. außerehelichen Geschlechtsverkehr mit-erlaubt, ansonsten wäre nämlich diese neuere (speziellere) Regel schlicht sinnlos, da ihr Normbereich entfiele, weil er schon von der allgemeineren Verbotsnorm erfaßt gewesen wäre.
@j-ap
Sie mühen sich ja wirklich redlich, auch wenn zB der Kommentar von MK viel mehr über die reaktionäre Denkweise seines Verfassers offenbart als über die Reflexionsfähigkeit von gläubigen Katholiken.
Die durchaus nicht unintelligente Philosophie des Papstes Benedikt hat im Grunde nur einen, aber dafür einen gravierenden Haken: Er kann den Bogen aus seiner transzendenten Metaphysik über das Leben an sich einfach nicht mehr zurück in die menschliche Lebenswelt schlagen.
Das Menschliche ist im schlicht fremd geworden, wenn es ihm überhaupt jemals annähernd bekannt war.
Menschen haben Sex. Selbst Platon beschreibt schon in seinem Symposion, die Entwicklung des Menschen. Zunächst lässt er, der Mensch, sich von den schönen Körpern verführen, später reicht ihm das nicht mehr und er sucht oder entwickelt den schönen Geist. Eros ist dabei der Vermittler (Rede der Diotima sinngemäß)
Bendikt kennt das Leben eben nur an sich aber nicht als solches.
"Bendikt kennt das Leben eben nur an sich aber nicht als solches."
Wie kommen Sie darauf? Kennen Sie ihn persönlich?
Kennen Sie den Papst persönlich Titta? Erzählen Sie doch mal.
Nee. Ich bin diskret.
"Das Menschliche ist im schlicht fremd geworden, wenn es ihm überhaupt jemals annähernd bekannt war."
Das ist reine Mutmaßung. Was wissen Sie über den Menschen? Nichts! Also ist das, was Sie über ihn als Person schreiben, nur IHR Bild über ihn. Und aufgrund Ihres Bildes über einen anderen Menschen kommen Sie zu bestimmten Urteilen.
Glauben Sie im Ernst, als kath. Geistlicher wüßte Benedikt nicht, was Sex ist? Wie weltfremd ist denn hier Ihre Vorstellung von der Welt? Ergo sind Sie das, was Sie ihm unterstellen.
nun Titta ich habe sein Buch Salz der Erde gelesen und eine Reihe seiner Texte. Sie haben Recht, es ist tatsächlich meine Wertung und mein Bild. Und will Ihnen ihres keinesweg nehmen.
@ed2murrow
Danke für Ihre Links und Kontexterweiterungen. Wenn Neuevangelisierung der Rahmen ist und wenn es der rk Kirche darum geht, "menschlich gangbare Wege zu finden", wird dadurch die Sache ja nicht etwa als unernst entlarvt. Schon Paulus ging es um solche Wege, als er für die christliche Gemeinde das Beschneidungsgebot abschaffte.
@ barshai
Es geht nicht nur um AIDS-Prävention, sondern der Papst und seine Umgebung stellen die fraglichen Äußerungen ganz allgemein in den Kontext einer "Humanisierung der Sexualität". Wenn Sie den Präser in diesen allgemeinen Kontext stellen, sind Sie (auch) bei der Empfängnisverhütung.
Diesem Papst, der einer der bedeutenderen Theologen gewesen war, hat vielleicht etwas gedämmert. Als Josef Ratzinger hatte er folgendes Urteil über die Kultur der antiken römischen Gesellschaft geäußert: "Wenn man behaupten darf, daß Hunger, Liebe und Macht die Kräfte sind, die die Menschheit bewegen, so kann man, dies verlängernd, feststellen, daß die drei Grundgestalten des Polytheismus die Anbetung des Brotes, die Anbetung des Eros und die Vergötzung der Macht sind. [...] Es ist kein Zufall, daß der christliche Kampf auf dem damit angegebenen Feld entbrannte und darin zum Kampf um die Grundform des öffentlichen Lebens der Antike überhaupt wurde." Weil das Christentum gesiegt habe, bedrohten uns zwar immer noch die Verabsolutierung von Brot, Eros und Macht, aber sie hätten "doch die Maske des Göttlichen unwiderruflich verloren" (Einführung in das Christentum, München 1990, 80 f., 83). Man kann dem Urteil teilweise zustimmen, aber was den Eros angeht, ist es falsch, ja ideologisch, denn da bewirkte das kirchliche Regiment seinerseits eine Dämonisierung, die den antiken Vorlauf wahrscheinlich noch überbot: Letztes Resultat ist die "Sexualisierung" der modernen Gesellschaft (vgl. Foucault, Sexualität und Wahrheit). Und nun wartet man darauf, daß das führenden Repräsentanten der rk Kirche wenigstens heute, angesichts der Mißbrauchsfälle, endlich einmal aufgeht, und, wie gesagt, gerade Ratzinger ist hinreichend nah dran, daß es ihm dämmern könnte, müßte.
Das ist natürlich nur eine Hoffnung, aber ich denke, es ist methodisch richtig, bei der Analyse einer Sache alle Möglichkeiten, die sie birgt, sich vor Augen zu führen, also auch das Schimmstmögliche, aber auch das Bestmögliche, und dann erst anhand der Fakten - die im hier diskutierten Fall noch bevorstehen - zu entscheiden, was nun wirklich "Sache ist".
Entscheidend für das, was passiert, wird sicher die Aktivität der "fortschrittlichen Kräfte" sein, denen hier ein Einfallstor geöffnet wurde (ed2murrow).
@ titta
Du hast recht, ich hätte rk Kirche schreiben müssen. War ein Versehen, wohl weil ich am Ende einer mehr oder weniger durchwachten Nacht geschrieben hatte. Nachts sind alle Wörter grau.
"Daß er aber die Kondom-Werbekampagnen abgehalfterter Popstars oder mackerhafter Louis-Vuitton-Kleiderständer verabscheut und auf der Präponderanz der Humanisierung der Sexualität besteht, daß also der alte römische Universalist in den so sehr engen Grenzen der katholischen Lehre so viel weiter denken kann als die meisten herabtemperierten und also banalen Kulturschaffenden oder Herausgeber im Westen — das ist es, was mich bloggenden Fußgänger ab und an doch wieder: katholisch macht. "
Kann sein, dass der Papst "weiter" denkt. An die Humanisierung der Sexualität denkt er nicht, auch wenn er das sogar von sich selbst denkt. Er denkt an den Erhalt der Religon.
Alle die Klugheiten ändern überhaupt nichts daran, dass hinter den schönen und den philosophierenden Geist unterhaltenden Überlegungen ein Mensch sich äußert, der mit eiserner Logik seinen Laden gegen die anderen verteidigt und das dann in schöne Worte von der Humanisierung der Sexualität kleidet.
Das ist doppelte Volte. Überhaupt - dieser Papst. Sicherlich ein kluger Denker und Theologe. Aber der Gesichtsausdruck erinnert mich immer an Jewgenij Schwarz: Der Drache, wenn Ihnen das was sagt. Schlau nicht lebensklug, machtbewusst, entfremdet den Niederungen des Lebens.
Dass Journalisten nach Schlagworten haschen ist richtig, aber der Papst konnte es - die Regensburger Rede beweist es - genau so gut mit den eingestreuten Provokationen. Danke, Danke.
Dem sollte man nicht zuviel Ehre antun.
Liebe Angelia,
am besten ließe sich das anhand der Regensburger Rede selbst darstellen. Deshalb hatte ich sie ja auch hier angebracht, obwohl sie scheinbar gar nichts mit dem aktuellen Vorgang um die Präservative zu tun hat. Sogar die nötigen Stichwort dazu ist schon gefallen, weiter oben: Duns Scotus und Harnack hier, Augustinus und Aquin dort.
Dieser Duns Scotus war nämlich, zusammen mit seinem Ordensbruder William von Ockham, der Begründer des Nominalismus, also jener Lehrmeinung, die bereits im 13. Jahrhundert geistig den mittelalterlichen Ordo zugunsten des heraufziehenden bürgerlichen Zeitalters aufkündigte. Weil der Wille — auch der göttliche! — dem Intellekt vorgeordnet sei, wäre demnach nicht nur die bloße Ordnung der Namen für die Dinge, sondern schon die Ordnung der Dinge selbst selbst willkürlich, wennzwar auch durch göttliche Willkür.
Augustinus und Thomas von Aquin dagegen hatten den Intellekt als vorrangig vor jedem Willen betrachtet: seine Fähigkeit, die Dinge zu ordnen und zu bewerten, komme direkt von Gott und wäre damit das eigentlich Göttliche am Menschen, weil Gott logos ist und umgekehrt.
Die Konsequenz des Nominalismus war, viel später, die absolute Transzendenz Gottes. Wenn nämlich Gott jenseits allen menschlichen Wollens und Erkennens liegt, dann kann Gott tun und lassen, was er will — auch das Gegenteil dessen, was er einmal gewollt und getan hat.
Und diese Position eines absolut transzendenten Gottes, d.h. eines Gottes, der absolut Unvernünftiges wollen und verlangen kann, muß sich real zwangsläufig als absolute Tyrannei derjenigen manifestieren, die behaupten, seinen Willen zu kennen und darauf bauend zB Gesetze zu erlassen. Hier ist der Glaube nicht mehr von einer weltlichen Ordnung beschränkt, kann absolute Unvernunft zur religiösen und damit zugleich zur gesellschaftlichen Pflicht werden. — Dagegen wendet sich allerdings der Papst in seiner Rede, indem er an der unbedingten Verknüpfung von Glaube und Vernunft festhält, denn das ist Theologie im eigentlichen Sinn, nämlich genau nicht irgendein absoluter Gehorsam gegenüber dem Offenbarten, sondern ein mühseliges Ringen um den Sinn des Ganzen, um Auslegung, um Interpretation.
Das »Problem« mit Benedikt ist allerdings nicht, wie weiter oben behauptet wurde, die Re-Hellenisierung, sondern der Umstand, daß der Papst das, was er gerade eben noch so hochgehalten hat, sogleich selbst wieder über den Haufen wirft und in einen fast schon postmodernistisch-beliebigen Obskurantismus abgleitet:
Denn der Versuch, Gottesglauben und Vernunft miteinander zu vereinbaren, muß in einer zumindest instrumentell aufgeklärten Welt scheitern, weil er genau jene objektive Geltung nicht mehr hat, die etwa Augustinus noch voraussetzen konnte. Der Versuch ist nicht deshalb falsch, weil er christlich ist oder hellenistisch, sondern weil er hinter seinen eigenen Konsequenzen zurückbleibt: Es gibt kein Zurück zu Augustinus, weil es kein zurück vor Kant geben kann, nicht einmal für den Papst.
Die Vernunft ist schon längst allein und führt ihren Kampf auch ohne Gott und Götter gegen Nominalismus, Sensualismus, Positivismus, Relativismus und Existenzialontologie auf eigene Rechnung.
Daß Benedikt das verschweigt, hat seine Gründe, denn würde er seine eigene Theologie beim Wort nehmen, dürfte er kein Papst mehr sein.
Man sehe mir übrigens bitte die zahlreichen Fehler im Kommentar von eben nach.
Das kommt davon, wenn man immer zwischen Tür und Angel noch schnell was schreiben will.
... weil es kein zurück vor Kant geben kann, nicht einmal für den Papst.
Oh, das ist hübsch, j-ap, denn in dieser Formulierung ist Deine (Lebens)Lüge nahezu greifbar, weil es nur eines Gedankens bedarf, zu erkennen, daß dies ein Dogma ist, welches sich allein auf Waffengewalt stützt und stützen kann, die Waffengewalt des bürgerlichen Staates nämlich, welcher in der Tat die Wirklichkeit der "Vernunft", alias die Verselbständigung des abstrakt freien Willens seiner Bürger ist. Denn die gibt es nur als Zwangszusammenhang einander ausschließender Klasseninteressen.
Der über aus törichte, wenngleich ubiquitäre Grund, warum diese Lebenslüge "arbeitet", besteht darin, daß Du Deinen obersten Wert, das Individuum, nicht erkennst und erkennen willst. Das Individuum ist schlicht dasselbe , wie der Klassenstandpunkt , den es methodisch zu seinen Gegenständen einnimmt, wobei die methodische Natur eben das staatlich (rechtlich, militärisch) Erzwungene daran ist. (Letztere Wendung ist eine Anspielung auf das der Glosse "Besitzanzeigende Pisserei" zugrunde liegende Argument.) Individualismus ist der Klassenstandpunkt des Kapitalisten, was nur dadurch phänomenologisch verdeckt wird, daß er zugleich die erzwungene Form des Klassenstandpunktes aller Privateigentümer ist, also auch derjenigen, die gar kein Eigentum haben, sondern zu Leibsklaven des Eigentums gepresst sind, das sie nicht haben.
Hallo TomGard,
was ich mit dieser Formulierung, die Sie zitieren, sagen wollte, ist viel einfacher:
Kants Nachweis, daß ein Gottesbeweis exakt genauso schlüssig geführt werden kann wie sein Gegenteil, also der Beweis, daß es keinen Gott geben kann, daß also weder Theismus noch Atheismus der Unvernünftigkeit überführt werden können, macht Gott eben zum berühmten »Ding an sich«, von dem niemand mehr behaupten kann, klare Weisungen zu empfangen, weder zum Führen eines Staates noch zur Grundierung irgendwelcher Moralen.
Den Rest haben Sie sich gerade eben ausgedacht, weil Sie ständig meinen Vernunftbegriff mit dem verwechseln, was der angelsächsische Pragmatismus im 18. Jahrhundert als »common sense« entwickelte. Das war bei Ihnen schon früher so und Sie werden davon auch nicht mehr abzubringen sein, weswegen ich uns an dieser Stelle weitere Erläuterungen dazu auch erspare.
Es grüßt Sie
J. A.-P.
Habe Ratzinger noch nie getroffen und noch nicht mal vom Petersplatz aus aus der Ferne am Fenster gesehen, ich verfolge aber seine Aeusserungen und auch Handlungen schon seit langen Jahren. Man muss sehr verblendet sein, anzunehmen, dass von ihm jemals was Fortschrittliches kaeme. Frau auch :-)
Das find ich ein wenig schade,
j-ap,
denn ich bin durchaus neugierig auf diese Volten.
Wenngleich ich, soweit stimmt Deine Vermutung, den Verdacht habe, es läuft auf Taschenspielertricks - im Unterschied zu Roßtäuscherei - hinaus ;-)
Der "Nachweis", den Kant da geführt haben soll, läuft doch bitteschön inhaltlich auf die Antwort des heiligen Thomas auf die Frage hinaus, was Gott gemacht habe, bevor er die Welt erschuf. Da habe er die Hölle gemacht für Leute, die solche Fragen stellen. Das Ding an sich eben.
Kants Begriff des Logos ist dasselbe wie die Gottesvorstellung - Rahab hat das oben schon hübsch kolportiert - und er löst bloß die jesuitischen Begriffe von Tugend und Offenbarung gleich ganz von theologischer Autorität statt nur vom Pappa und seiner Schergenmafia. Witzigerweise ist es dieselbe Denke, die Du oben unter dem Etikett "Szientizismus" ein wenig "in Acht und Bann" verwiesen hast - am falschen Objekt, wie Dir Kuni dann demonstrierte *lach*.
Kurz gesagt geht es darum, daß allein die Widerspruchsfreiheit von Aussagesätzen, nicht aber Existenzurteile ohne Rückgriff auf willkürliche (im Unterschied zu hypothetischen) Setzungen (aka Offenbarungen) "nachweisbar" sind. Kants "Ding an sich" erteilt sozusagen jeder gesellschaftlich anerkannten Autorität des Geisteslebens eine höchstrichterliche Erlaubnis, sich als Pappa aufzuspielen, solange er nicht von einer höherrangigen Autorität exkommuniziert wird. Kant ist Gottes Stellvertreter im bürgerlichen Geistesleben, der Pappa des institutionalisiert instrumentellen Denkens.
Hallo TomGard,
also ich sage fürderhin Du zu Ihnen, auch wenn Sie's mir bislang nicht gestattet haben. Sollten Sie etwas dagegen haben, sag mir bitte Bescheid.
Sämtliche Einreden, die Du hier und davor gegen Kant erhoben hast, stimmen, allerdings hast Du sie an die falsche Adresse zustellen lassen, nämlich an meine.
Ich weiß ja nicht, wie oft und auf welche Weise ich Dir noch schreiben soll, um zu verdeutlichen, daß ich kein Kantianer bin, weil ich die Wegstrecke, die von ihm aus zu Hegel, von da zu Marx und von dem zu Adorno weiterführte, schon zurückgelegt habe. Der Grund dafür, daß ich hier Kant das Wort gab, ist der, daß er einfach am nächsten bei der Nahtstelle liegt, um die es hier gerade geht.
Und daher kommt auch Dein gelegentliches Mißverstehen meiner Positionen »als« kantianische. Das, was Du mir da oben ins Stammbuch geschrieben hast, würde ich akzeptieren, wenn ich, beispielsweise, ein devoter Anhänger der Menschenrechtsreligion wäre. Hast Du allerdings schon einmal etwas davon bei mir gelesen? Wohl kaum, oder? Wenn Du magst, schau mal hier vorbei. Klingt das kantisch in Deinen gebenedeiten Ohren?
Grüße
Josef
Hallo Herr Hurtig,
Herr Singer meint also, dass wir nicht bemerken würden, dass wir konstruieren.
Darin steckt doch ein Widerspruch: Wenn wir das eh´nicht bemerken, können wir auch nicht sagen, dass wir überhaupt konstruieren. Mit seinem strengen Reduktionismus hat Singer sich auch gleich selbst reduziert. Das passiert schnell, wenn man nicht erkennt, das sich cerebrale Kontexte und Funktionen nicht singulär erklären lassen sondern mosaikweise interdisziplinär. Bei einigen Mosaiksteinchen greift dabei tatsächlich eine monistische Position, bei anderen Mosaiksteinchen wiederum eine holistische Perspektive.
Selbst in der Physik ist ein Redutktionismus nicht federführend. Ihr genannter Kohlenstoff läßt sich materiell ausführlich erklären, seine Chiralität (C4) dagegen nicht in aller Ausführlichkeit. Hier spielen Kontexte eine Rolle, wie z.B. Licht und Symmetrie. Und Super-Symmetrie ist selbst beim LHC ein Top-Thema.
Das entgeht Ihrer konstruktivistischen Literaturliste wahrscheinlich ein wenig.
Erlauben Sie mir bitte, Michael Jäger, da Sie mich in Beziehung setzen, den Kontext noch ein kleines Stück zu erweitern. Ich versteige mich nämlich zu der Behauptung, dass das, was heute als Neue Rechte (Nouvelle Droite) in Form von Bewegungen wie Vlaams Belang, BZÖ oder Lega Nord daher kommt, mit den christlichen Attributen nur insofern etwas am Hut hat, als es die reaktionären Kräfte innerhalb (und neben) der römisch-katholischen Kirche meint. Unter diese Konnotation fällt auch in Deutschland vieles, was als „Abwehr gegen den Islam“ verkauft wird. Die Nähe in Argumentation, aber auch in der Physis zu denen, die als Lefebvrianer bekannt sind, mithin all jener, die man als Sedesvakantisten bezeichnet, ist speziell in Italien gut zu beobachten. Segnungen, Einweihungen von politischen Büros, Anführung bei Straßenkundgebungen erfolgen durch vagante Priester, die in der Tat das Kreuz als Kampfmittel gegen das Fremde und den Ausländer vor sich her tragen.
Aber Sedevakanz kommt eben nicht von dem Vagabundieren dieser Geistlichen, sondern von deren Auffassung, dass seit dem Zweiten Vatikanum aufgrund der dort gefassten „gottlosen“ Beschlüsse der Stuhl Petri vakant und mit „Gottesfürchtigen“ in der Nachfolge des Petrus erst wieder zu besetzen sei: Rückfall hinter das Vatikanum II, Rückkehr zum Heiligen Offizium, Humanae Vitae zum Verbrennen. Das ist die Schnittstelle zwischen Reaktion in Politik und „Religion“.
Freilich kann man diese unheimliche Allianz nicht benennen, wenn die „Positionen der Kirche“ immer nur und stets an – bitte verzeihen Sie mir die extreme Vereinfachung – Kondomen festgemacht werden. Das ist, glaube ich, die Intention des Blogs von j-ap: Darauf aufmerksam zu machen, dass eine gesellschaftlich relevante Kraft wie die r.k. Kirche nicht etwa verdient, genauer betrachtet zu werden, sondern es eine grundlegende Verpflichtung ist, sie und ihre inneren Strukturen, Strömungen und Widersprüche wahr zu nehmen, wie es für Deutschland mit Kanzler(in), Parteien und Koalitionen der Normalfall ist. Denn auch das ist Wirklichkeit und zwar eine hochpolitische.
Ein letztes Wort zu Ratzinger: Vor einiger Zeit äußerte er, wie immer recht verklausuliert, dass ihm als Papst nicht das gestattet sei, was ihm als Professor und Akademiker gestattet war, nämlich frei Position zu beziehen. Ich habe den Eindruck, dass durch das hohe Alter bei gleichbleibender Luzidität Benedikt zur Einsicht gelangt ist, dass er nunmehr sehr wohl einige Dinge „frei von der Leber weg“ sagen kann. Ein Interview in der „allgemein verständlichen Sprache“ ist dafür mehr als nur ein Indiz.
Vielen Dank für den Beitrag!
Liebe Titta, nachdem praktisch alle Medien in Deutschland darauf verzichten (ich mache eine Ausnahme für die SZ, mit Andrea Bachstein scheint mir dort ein Neustart gelungen, zumindest mit Blick auf einen etwas seriöseren Boulevard), richtige Auslandskorrespondenten in Rom, geschweige denn im Vatikan zu installieren, bezweifle ich, dass Ihre Neugier auch nur halbwegs befriedigt werden wird. Den Osservatore auf Deutsch gibt es nur wöchentlich (sorgfältig präpariert), Radio Vatikan ist nicht aller Leute Sache, Avvenire der italienischen Bischofkonferenz wird in unserer Sprache nicht verlegt. Da liegen also nicht nur die Alpen als Barriere dazwischen :)
Quer-Verlinkung (dortige Kommentar # 22 und 26)
community.zeit.de/user/tiefscharf/beitrag/2010/11/23/saver-benedikt?page=2#comments
Ansonsten ..., was bin ich froh "dort" 'raus zu sein! Wenn ich einige Kommentare lese, die allen Ernstes behaupten, gegen eine Infektion mit HIV wären Kondome wirkungslos ...
Sexuelle Analphabeten!
Als hätten alle Kampagnen von AIDS-Hilfen und Initiativen der Borniertheit dieser "Schwachköpfe" nichts anhaben können.
HIV / AIDS
Eine Virus-Infektion, die bis heute nicht heilbar ist. Offenbar schaffte vor Jahren ein Affenvirus den Artensprung auf den Menschen (in großen Teilen des afrikanischen Kontinents, ist es Tradition Affenfleisch - teilweise auch roh - zu verzehren und möglicherweise wurden auf diese Weise erstmals Menschen infiziert.
Während im Affenorganismus eine, vermutlich bereits seit Jahrtausenden andauernde, „Gewöhnung“ an den Angreifer erfolgte (einige Affen überlebten jeweils die Attacken und entwickelten so etwas wie eine, wenn schon nicht Immunität, so doch Balance, die sie im „Gleichgewicht“ mit einer gewissen Population an Viren beschwerdefrei weiterleben ließ und vererbten diese Fähigkeit an ihren Nachwuchs), hatten Menschen noch keine Jahrtausende Zeit, um sich mit dem Angreifer zu „arrangieren“.
HIV / AIDS kümmert sich weder um Alter, Geschlecht, Hautfarbe noch um die sexuelle Identität seiner Opfer; es kann jede(n) infizieren und ist doch relativ „schwer übertragbar" (weder durch Händedruck, Umarmen, Streicheln, Küssen, Anhusten, Anniesen, durch Benutzen derselben Teller, Gläser und Bestecke, durch gemeinsames Benutzen von Toiletten, Saunen und Schwimmbädern, durch Mückenstiche, noch beim Zusammenarbeiten und -wohnen mit HIV-inifzierten und AIDS-kranken Menschen, beim Betreuen und Pflegen wird HIV übertragen!) Quelle: Deutsche AIDS-Hilfe e.V., Tel. mit jeweiliger Ortsvorwahl 19411. Wer sich informiert, kann sich und andere schützen.
Es ist ein Irrtum zu glauben „mit den richtigen Tabletten wären HIV oder AIDS zu einer harmlosen Nebensache geworden“. Da das Virus - wie übrigens alle Viren - ständig mutiert, also seine Hülle und Erscheinung ändert, müssen auch die Medikamente ständig geändert werden. Und wer täglich etwa 20 Tabletten und das bis zum Lebensende einnehmen muss, die noch dazu schwerste Nebenwirkungen verursachen, der wird wohl kaum von einer Bagatelle sprechen.
Es hat leider trotzdem eine fatale Gleichgültigkeit, besonders unter Jugendlichen, eingesetzt: „Betrifft mich nicht“ - „Ist doch längst heilbar“ - „Man liest/hört ja kaum noch etwas, also wird es schon nicht so schlimm sein“ - „Ich sehe einem Mädchen/Jungen doch an, ob sie/er krank ist“ usw. und daher ist die Zahl der Neuinfektionen weltweit wieder ansteigend, auch in Deutschland. Dabei ist es so leicht sich zu schützen: Kondome bei Vaginal- und Anal-Verkehr, beim Oral-Verkehr keine Aufnahme von Ejakulat = Safer Sex.
Nähere Auskunft erteilt gern die jeweilige AIDS-Hilfe in Ihrer Nähe (Telefonbuch, Internet usw.).
www.aidshilfe.de/de/sich-schuetzen
Am 1. Dezember ist Welt-AIDS-Tag.
Lieber ed2m, kann es sein, daß Sie sich verschrieben haben und es heißen müßte: "nicht etwa n i c h t verdient, genauer betrachtet zu werden, sondern es (vielmehr geradezu)..."? Sonst würde ich den Satz nicht verstehen.
Gewisse rechte Kräfte mit von Vaticanum II abgefallenen katholischen Bewegungen in Zusammenhang zu bringen, ist eine interessante Perspektive. Das ist ein kompliziertes Feld; mir fällt dazu noch ein, daß man die gewöhnlichen sich christlich nennenden Parteien in Europa einteilen kann in solche, die sich tatsächlich auf die rk Kirche beziehen (und dann auf die offizielle), und andere, für die das "C" mehr nur ein Instrument ist und die im Grunde einfach nur konservativ sind; ich habe darüber mal eine Untersuchung von einem britischen Politologen gelesen (Hanley?). Die deutschen Unionsparteien fallen danach unter "nur konservativ" (Hanley, wenn er so heißt, sagt, deshalb war es für sie nicht schwer, zum wenig christlichen Neoliberalismus umzuschwenken), die italienische DC unter "eher christlich" (weshalb sie an der neoliberealen Herausforderung zerbrach). Es ist aber ja trotzdem offensichtlich, daß die richtigen Katholiken als Teil der CDU- und CSU-Basis von dieser nicht wegzudenken sind und daß es da auch entsprechende Spannungen gibt. Also, das bestätigt, was Sie sagen: Es wäre höchst fahrlässig, sich für die rk Kirche n i c h t zu interessieren.
Lieber TomGuard, Sie sind offensichtlich ein Antimarxist. Dazu haben Sie ja jedes Recht der Welt, es verdient aber hervorgehoben zu werden, weil Sie sich hier häufig als Marxist maskieren. Es ist sehr einfach: Sie geraten in Haßausbrüche, wenn der Ausdruck "Individuum" fäll, während für Marx die Assoziation der freien Individuen der höchste Wert ist. Diese Assoziation ist ein Synonym für Kommunismus, Ich darf zitieren:
"Der private Austausch [...] steht im Gegensatz [...] zu dem freien Austausch von Individuen, die assoziiert sind auf der Grundlage der gemeinsamen Aneignung und Kontrolle der Produktionsmittel. (Letztre Assoziation ist nichts Wllkürliches; sie setzt die Entwicklung materieller und geistiger Bedingungen voraus, die an diesem Punkt nicht weiter auszuführen sind.)" (Grundrisse, Ausg. Berlin 1953, S. 76 f.)
Hallo Josef,
ich freu mich über das Du, ist mir eine Ehre.
Gut, dann versteh' ich halt die "Nahtstelle" nicht, um die es Dir (?) "hier gerade" geht, kann mir auch nicht vorstellen, wie sowas in eine saubere Kritik von Staat und Nation, die zugleich eine der Religion ist, einzuschleppen geht. Aber das laß uns meinethalben hier so stehen lassen.
herzliche Grüße
Meister Jäger,
Marx spricht da nicht vom bürgerlichen Individuum, das nur als Spaltprodukt gewaltsamer Verfasstheit der Privateigentümer zu haben ist, also kein "Mensch", sondern ein gesellschaftliches Institut ist. (Lassen Sie sich das ggf von j-ap erklären)
Von diesem Institut, seinen Charaktermasken und den Ideologemen und -gien des "Individualismus" (ich sprach von dem Wert (!), welcher Individualität beigemessen wird) redete ich deutlich und klar.
Ich dementiere übrigens nicht, um einen "Status" als "Marxist" zu behaupten oder zu verteidigen, da mag mich "einschätzen" und sortieren, wer wie immer wozu lustig ist.
Nur merken Sie sich gefälligst eines:
Meine Feindschaftserklärungen haben mit "Hass" nichts zu tun. Ernstlich ärgerlich werd' ich schon eher mal angesichts moralisch / psychologisierender Deklassierungs- bzw. Semi-Kriminalisierungsversuche mit solchen Zuschreibungen.
Allerdings nicht im hier vorliegenden Fall.
Haben Sie mich verstanden?
TG
@j-ap
"Denn der Versuch, Gottesglauben und Vernunft miteinander zu vereinbaren, muß in einer zumindest instrumentell aufgeklärten Welt scheitern, weil er genau jene objektive Geltung nicht mehr hat, die etwa Augustinus noch voraussetzen konnte."
Mittels des Konstruktivismus wird gerade wieder eine Annäherung versucht, also theologische und philosophische Erkenntnis in Einklang zu bringen.
Und dann möchte ich auch noch Schleiermacher erwähnen. Der Mensch ist ja nun nicht nur Vernunft. Bloße Vernünftigkeit sei auch eine Form der Beschränktheit. Wer hat das nun noch mal gesagt? Will mir grad nicht einfallen.
Ansonsten: schöner Blog!
FrauSmilla schrieb am 26.11.2010 um 18:34
Was Sie mit "wir" meinen, transformiere ich einmal auf das "ich" und bin tatsächlich der Überzeugung, dass die Ansicht von Prof. Singer richtig ist. Was ihn zu seiner Ansicht verleitet sind Messungen, die er durchgeführt hat, nicht Worte, die es zu interpretieren gab.
Seine Einsicht ist sicher nicht vollkommen, wie auch? Aber darauf bin ich mit meiner Einlassung vor Ihrem Kommentar schon eingegangen.
Die von Ihnen angeführte Chiralität hat damit eigentlich gar nichts zu tun, sondern eher etwas mit der Fähigkeit des Kohlenstoffs, mit sich selbst stabile Verbindungen einzugehen, deren Potential zur Komplexität sich z.B. in der DNS wiederfindet. Das war gemeint mit der Fähigkeit zur Selbstorganisation und meinem energischen Widerspruch, dies - und natürlich auch anderes - auf das Wirken eines Gottes zurückzuführen.
Die Super-Symmetrie, die am LHC zu finden Sie anführen, hat im Übrigen nichts mit der Symmetrie zu tun, die das Bindungsmodell des C-Atoms betrifft. Dieses Modell wird bestimmt durch die Ladungsverteilung der vier Außenelektronen und dem sich aus dem Tertraedermodell ergebenden energetischen Minimum. Insofern ist der Kohlenstoff nicht chiraldisch sondern symmetrisch: kein Außenelektron wird bevorzugt, und wenn doch, entgeht dies unseren Messgeräten.
Was vielleicht schwer zu erfassen ist, liegt darin, dass ich jede esoterische oder philosophische Interpretation bezüglich materieller Zusammenhänge ablehne, solange nicht geklärt ist, was diese besagen. Insofern betrachte ich Ihre Einrede als "interpretativen Akt"
(Unsere Kognition fußt also auf Wahrscheinlichkeitsberechnungen und Inferenzen. Das Faszinierende ist dabei, dass wir das Ergebnis dieses interpretativen Aktes für die Wirklichkeit nehmen. Wir merken nicht, dass wir konstruieren, sondern uns ist als bildeten wir ab.) s.o.
ansehe, der unterstellt, ich hätte vielleicht etwas anderes gemeint.
Es ist ja immer schön, Antworten und Einlassungen von intelligenten Menschen zu erhalten, aber meist gehen diese an dem vorbei, was aus meinen Sätzen hervorgeht. Eigentlich schade.
Gruß
@Angelia
Mir geht es im Grunde gar nicht um Benedikt und seine Person. Worum es mir geht: wie die eigenen Bilder, die man im Kopf hat, einer anderen Person übergestülpt werden. Darum, wie Klischees und Ressentiments entstehen und wirken. Und wie sie zu vermeiden wären.
Sieht man ja auch hier im Blog. Da wird Benedikt aufgrund seines Gesichtsausdrucks eine Entfremdung von den Niederungen des Lebens, Machtbesessenheit und fehlende Lebensklugheit attestiert. Klischees und Ressentiments werden so aufs Übelste bedient und fortgepflanzt. Von Menschen, die sich in anderen Fällen verbitten würden, von körperlichen Merkmalen auf Charaktereigenschaften zu schließen. Beim Papst aber geht das anscheinend. Da darf man plötzlich. Warum?
Das geht doch nur, wenn man ihm zuvor ein Stück seines Menschseins abgeschnitten hat. Also sprich: wenn man ihm genau das antut, was man ihm zuvor unterstellt hat, daß er es täte.
Ich muß zugeben, mir ist Benedikt auch nicht sonderlich sympathisch. Aber wenn ich meine, er sei von den Niederungen des Lebens enthoben, spreche ich ihm einen Teil seines Menschseins ab, und das will ich nicht. Denn der Schmerz wie die Freude, und auch die Lust, ist doch das, was die Menschen vereint, was sie gemeinsam haben. Niederungen bleiben niemandem erspart, sie sehen vermutlich nur für jeden anders aus. Daher nehme ich ganz einfach mal an, auch der Papst leidet mitunter genauso wie ich, und wie alle anderen auch.
Im übrigen: auch kath. Gläubige sind bei weitem nicht so papsthörig, wie ihnen gerade von Glaubens- und Kirchenfernen - ich vermute aus Unkenntnis heraus - oft unterstellt wird.
Lieber j-ap ,
Chrisam ist Olivenöl, dem Balsame beigemischt werden, um dem Wohlgeruch Christi nachzuahmen.
Sauerkraut gehört zu den Vitamin-C-Spendern, angereichert mit Olivenöl und anderen balsamischen Zutaten dürfte sein Genuss des Christen Sinnesfreuden noch mehr entfachen.
Er wäre der Gnade der Indulgenz (Ablass), fürchte ich, ferner denn je.
Ihre Frage ist eine des Teufels.
@TomGard
Was treibt Sie zu einer Diktion wie in Ihrer Einlassung am 27.11.2010 um 00:09? Das soll "Meister Jäger" sich gefälligst was merken? "Haben Sie mich verstanden?"
Das liest sich, als wollten Sie hier ein kleines Herrchen-Bedürfnis ausleben. Drollig und insofern bereichernd.
"Was treibt Sie zu einer Diktion wie ... "
Das Thema, Herr Weinsztein, sowohl im Allgemeinen wie auch in den besonderen Hinsichten, die im angesprochenen Wortwechsel enthalten sind. Abstrakt-allgemeine Menschlichkeit nebst der dazu ausgehobenen "Individualität" als dem je Besonderen des Allgemeinen und Abstrakten; Form und Inhalt von Autorität und autoritativem Denken / Verhalten; "Marxist", "Antimarxist", mit den Konnotationen "Humanismus / Antihumanismus". Und noch etliche mitspielende Feinstrukturen, u.a. "Mann / Weib".
Über dem getriggerten Lustgewinn haben Sie den Satz vorletzten Satz überlesen (wollen):
"Allerdings nicht im hier vorliegenden Fall."
Hoast mi?
beste Grüße
TG
Ps Josef:
Der Satz, den Titta zitiert, von einer "objektiven Geltung" einer "Vereinbarung" von Gottesglauben und Vernunft, die historisch gegeben oder verloren sein kann, die soll wohl die "Nahtstelle" nennen, die Du meinst?
Dann wärs wohl das ständische, rassistisch geprägte Herrschaftsbewußtsein, das sich selbstals historische Vernunft und darin für objektiv ausgibt, von dem ich vor Monaten mal redete?
Geschenkt. Solche luxuriösen Inszenierungen, nebst den antideutschen Billigversionen des Genres, sind mir unterdes wurschtepiepe.
Denn ratzingert noch schön,
liebe Grüße
TG
Das "nicht" reiche ich hiermit nach und danke für die Korrektur :)
www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/der-papst-ist-auch-nur-ein-mann/
Lieber SP,
wenn Sie schon „sexuelle Analphabeten“ oder „Schwachköpfen“ das Wort reden, lade ich Sie einmal ein, ohne Anführungszeichen „ABC Sexualität“ in eine deutschsprachige Suchmaschine einzugeben und sich die Resultate anzusehen. Von allem möglichen ist dort die Rede, nur nicht von safer sex. Sie mögen Ihre Schlachten geschlagen haben, und das auch erfolgreich, aber irgendwo ist auf dem Weg verloren gegangen, die Erkenntnisse an Kinder und junge Erwachsene weiter zu geben. Man kann also Ignoranz im buchstäblichen Sinne überall finden, wenn man nur mit offenen Augen durch die Welt geht.
Bemerkenswert ist, dass im Zusammenhang mit dem Papst-Interview nun ausdrücklich die Nähe zur ABC-Strategie (abstinence, be faithful, use a condom) betont wird
www.radiovaticana.org/it1/Articolo.asp?c=440912
auch ein Umstand, der von der deutschen Presse schlicht unterschlagen worden ist. Denn das bedeutet zweierlei: Das Infrage stellen der Richtigkeit einer ausschließlich auf Enthaltsamkeit beruhenden Erziehung – was ja das ganz sonderbare Konvolut etwa bei der Tea Party ist, allerdings mit ganz und gar evangelikalen Tönen. Und die generelle Neubewertung von Strategien zu Aufklärung und Verhalten, nachdem Sisyphos zwar den Stein ein wenig bergan gerollt hatte, der aber nun wieder im Tal liegt.
Mit ist bekannt, dass in Schulen in Deutschland der technisch richtige Gebrauch von Kondomen vermittelt würde. Und Eltern dies der eigenen Brut beibringen. Die Betonung liegt aber überwiegend auf der Verhütung vor ungewollter Schwangerschaft, legt zudem die Last auf die Schultern der Mädchen und Frauen (klassische Frage: Nimmst Du die Pille? Na, dann ist doch alles in bester Ordnung). Etwas dazu habe ich hier gefunden: www.babyzimmer.de/forum/script/beitrag.php?forumsid=1=833883
Ich bin demnächst wieder in einem Land unterwegs, wo Kondome eine außerordentliche Anschaffung bedeuten. Nicht nur, weil mangels Fahrzeug der Weg zum nächsten Laden in 30 Km Entfernung schon ein Hindernis darstellt. Sondern auch, da ein Kondom einen halben Tageslohn kostet, zumindest die Made in China mit dem Untertitel Trust them or not. Die Europäischen sind doppelt so teuer. Wird AIDS sichtbar, werden die Betreffenden ganz schnell aus dem Dorf entfernt, möglichst in die nächste Missionsniederlassung, Gespräche darüber warum oder wer sich angesteckt haben könnte, werden nicht geführt. Wie wollen Sie dort bei aller Aufklärung ganz praktisch die Erkenntnisse umsetzen?
Und damit komme ich zum Schluss, zur Verbindung zwischen Verhalten, Krankheit und Prävention: Gerade die Diskussion um preiswerte Medikamente, die eine Lebensverlängerung trotz Infektion erlauben, hat bei vielen Menschen den fatalen Irrtum erweckt, dass es „doch etwas gegen AIDS“ gebe. Ursache und Wirkung wurden dadurch in ihr jeweiliges Gegenteil verkehrt. Damit meine ich nicht, dass es verkehrt sei, eben diese Medikamente billig abzugeben, sondern die fehlende Aufklärung darüber, dass es eben keine solchen gegen HIV sind. Weswegen bei mir jedes Mal der Magen rebelliert, wenn ich WeltAIDSTag lese: AntiHIVAktionstage und zwar 365 Mal im Jahr wären angemessener.
Gruß, e2m
www.taz.de/1/debatte/kolumnen/artikel/1/wink-mit-dem-tannenbaum/
www.condomerie.de/Weihnachtsschmuck
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@ed2murrow
Ich habe die Feststellung gemacht, dass es Menschen oftmals überfordert eine permanente, jetzt bereits über Jahrzehnte andauernde, Gefährdung im Bewußtsein zu halten. Konkret: "Mann/frau will nichts mehr davon hören, sehen, lesen und verdrängt die unterschwellig weiter existierende Bedrohung."
Das ist sicher ein menschliches Verhalten, was aus "Überforderung" resultiert und mit "Verdrängung" richtig benannt ist.
Um mich nicht total zu "verzetteln", habe ich mich fast immer, wenn ich über das Thema schrieb, auf einen "überschaubaren Bereich" (z.B. schwule Männer in Westeuropa, den U.S.A. und Kanada) beschränkt. Da es aber eine weltweite Pandemie gab und gibt, hat diese, meine, Eingrenzung einen etwas "verharmlosenden" Beigeschmack und ich halte mich inzwischen mit Beiträgen zum Thema zurück, weil mir mehrfach vorgeworfen wurde "das Problem auf die Gay-Community in den westlichen Staaten zu reduzieren ..."
Als gute Ergänzung könnte ich mir vorstellen, dass in den Internet-Foren, in denen ich aktiv bin, MitforistInnen über z.B. die Situation auf dem afrikanischen und asiatischen Kontinent, vielleicht erweitert um Osteuropa, schreiben, während ich mich auf den Bereich konzentriere, in dem ich mich ein wenig auskenne (Anmerkung: Ich bin zahlendes und ehrenamtlich arbeitendes Mitglied der lokalen AIDS-Hilfe).
Vielleicht noch etwas zur Ergänzung:
Unter Schwulen haben wir es inzwischen mit einer Generation zu tun, die erst geboren wurde, als die große AIDS-Panik schon wieder abgeflaut war. Diese Jugendlichen reagieren auf Ermahnungen von "Überlebenden" genauso so störrisch, wie heterosexuelle Jugendliche auf Ermahnungen von Erwachsenen reagieren. Sie denken, "... lass die doch reden, ich weiß selbst was ich tue ..."
Bei heterosexuellen Jugendlichen kommt noch der fatale Trugschluß hinzu, sie betreffe das überhaupt nicht, "weil sie heterosexuell sind ..."
Auch diesen Punkt habe ich 'mal thematisiert (als ich noch "Illusionen" hatte :-), hier Auszüge:
"(...) Sie denken vielleicht, „ich bin Angehöriger des Bildungsbürgertums, bin aufgeklärt, gut informiert und meine Kinder sind das ebenfalls .... HIV / AIDS, das ist allenfalls ein Problem der anderen?“
So dachte auch jener Oberstudienrat, dessen Tochter „ja noch viel zu jung war für Sex, die so vernünftig war, dass sie mit ihren Eltern über alles reden würde ...“. Die Wirklichkeit sah anders aus. Der Tochter wäre es peinlich gewesen über „so etwas, wie Fragen zur Sexualität“ mit ihren Eltern zu reden. Andererseits, ihre Schulfreundinnen hatten angeblich alle bereits sexuelle Erfahrungen gesammelt und so wollte sie es jetzt endlich hinter sich bringen. Sie dachte „AIDS, das betrifft doch uns bürgerliche, heterosexuelle Kinder aus gutem Hause überhaupt nicht.“
Ihr Freund kam auch aus gutem Hause, hatte schon einige sexuelle Erfahrungen gesammelt und ... wußte nichts von seiner HIV-Infektion.
Beide hatten auf einer Party bereits etwas Alkohol getrunken, um „lockerer“ zu werden, da waren die guten Vorsätze (Kondom-Benutzung) vergessen, als es „zur Sache“ ging ...!!!
Das Ehepaar aus der oberen Mittelschicht hatte „nur“ ein Kind. Ihr Sohn machte einen so klugen, abgeklärten Eindruck, der würde seine Eltern nicht enttäuschen. Dass er noch keine Freundin hatte, fanden seine Eltern „ganz normal“... das würde schon noch kommen, er war so fleißig und strebsam, da blieb für „so etwas“ jetzt noch keine Zeit ... dachten die Eltern. Dass der Sohn längst sexuelle Erfahrungen sammelte, allerdings nicht mit Mädchen, sondern mit jungen Männern, diese Möglichkeit hatten die ach so aufgeklärten Eltern nicht einen Moment lang in Betracht gezogen. Niemals hatten Sie auch nur so etwas, wie „falls Du schwul sein solltest, wird das keine Tragödie für uns sein“ gesagt. Der Sohn wollte gern „der Stolz“ seiner aufopfernden Eltern bleiben und deshalb „verschonte er sie mit seinem Sexualleben, das sie ja doch nicht verstanden oder gebilligt hätten,“ wie er meinte. Und da der Junge seine Sexualität „als vermeintlich nicht akzeptiert und nicht erwünscht“ empfand, kostete ihn die Geheimhaltung seiner sexuellen Identität soviel Energie, dass dabei der Gedanke an den Schutz vor HIV / AIDS auf der Strecke blieb.
Sexualität fängt nicht irgendwann an, nachdem die Kinder ihr Studium oder ihre Berufsausbildung beendet haben und Zeit „für so etwas“ ist! Die ersten sexuellen Erfahrungen sammeln Jugendliche (heute) häufig in einem Alter, in dem die Eltern sich „ganz sicher“ sind, dass ihr Kind an „so etwas“ noch gar nicht denkt ..." (Quelle: community.zeit.de/user/knueppel/beitrag/2008/12/01/1-dezember-weltaidstag-let039s-talk-about-hiv-aids )
Gruß
SP
@ SP
Ich frage mich immer wieder, warum bestimmte Dinge denn auf eine angebliche Überforderung zurückgeführt werden, nur weil sie eine unüberschaubare Fülle von Fällen betrifft.
Es gibt ja auch einen anderen Bereich von Verkehr, den Straßenverkehr. Was wird da nicht alles in die Verkehrerziehung gesteckt. Als Fußgänger wird schon dem kleinsten Kiddie eingebleut, schau rechts, dann links, dann wieder rechts (oder war's umgekehrt?)... um zu sehen, ob eine Gefahr auf dich zukommt. Das sollte doch in Bezug auf körperliche Gesundheit auch gegen Infektionen gelten.
Und ich finde auch, dass nicht mit dem Auto zu fahren -vor allem mit Modellen, die man nicht wirklich kennt-durchaus geeignet ist, die Zahl der Verkehrstoten und -verletzten nach unten zu korrigieren, ganz gleich ob Mann/Frau einE Ente hat oder eineN Alfa. Zu der Erkenntnis muss ich nicht erst gelangen, in dem ich kirchlichen Mitgliedschaften oder denen beim ADAC das Wort redete.
Um auf das ursprüngliche Thema zurück zu kommen: Mit dem Kondom erleben wir Dispute ganz ähnlich wie bei der Veröffentlichung von Humanae Vitae, nur ein Stockwerk tiefer gehängt: Weil nun keine Enzyklika veröffentlicht wurde, sondern ein Interview in Buchform; die Ziele von Humanae Vitae zwar noch immer als gültige Perspektive, aber eben auch nur als solche bezeichnet worden sind. Und das ist wiederum der Rückschluß auf Regensburg: Der Papst sprach zwar von einem Pult aus, aber nicht ex-cathedra und damit gerade nicht mit dem Unfehlbarkeitsattribut in Glaubensdingen. Gleichwohl sah sich ein Gutteil der islamischen Lehre veranlaßt, zu respondieren, auf recht überraschende Art und Weise. Diese ganz bemerkenswerten Öffnungen, die auch sehr viel mit Symbolik zu tun haben, so sehr sie im Detail mehr oder weniger goutiert werden, sind ein Hilfmittel und die Chance, nun gewisse, uralte Blockaden zu überwinden.
Dazu, ganz "untheologisch" :-) und "naiv fragend" das Zitat aus einem anderen Internet-Forum ...
"(...) Wie kann es überhaupt sein, dass sich Milliarden von Menschen von so einem alten Furz irgendwas verbieten lassen? Welche echte Autorität hat der denn? Und wie weit soll das gehen? Wenn der Papst sagen würde, dass Sicherheitsgurte in Autos schlecht sind, würden Katholiken die dann nicht mehr benutzen? ..."
hinez, 23.11.2010 - 16:08 Uhr
(Quelle: "jetzt.de"/Süddeutsche Zeitung, Link: jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/514915/Der-Papst-schweigt )
@ed2murrow
"(...) Ich frage mich immer wieder, warum bestimmte Dinge denn auf eine angebliche Überforderung zurückgeführt werden, nur weil sie eine unüberschaubare Fülle von Fällen betrifft (...) Als Fußgänger wird schon dem kleinsten Kiddie eingebleut, schau rechts, dann links, dann wieder rechts (oder war's umgekehrt?)... um zu sehen, ob eine Gefahr auf dich zukommt. Das sollte doch in Bezug auf körperliche Gesundheit auch gegen Infektionen gelten ..."
Vielleicht möchten Sie Ihre Auffassung 'mal in der Praxis ausprobieren, indem Sie sich für die HIV-/AIDS-Prävention engagieren und vielleicht als offen heterosexueller Mann (das meine ich nicht ironisch, sondern als Ausdruck Ihrer Identität) vor Schulkindern sprechen?
Wir Schwulen machen das seit langem, z.B. hier:
www.schlau-nrw.de/
Hallo TomGard,
nein, das war nicht die von mir gemeinte »Nahtstelle«, wobei dieses Wort, wo ich nun darüber nachdenke, auch völlig falsch ist, da es eben nicht um eine Naht, sondern gerade um eine Ruptur geht.
Diese Ruptur verläuft, wie ich weiter oben beschrieb, zwischen augustinischem und thomistischem Denken hier und Duns Scotus dort.
Das ist deshalb so eminent wichtig und eben keine »luxuriöse Inszenierung«, weil von da aus ganz gewaltige Ströme und Strömungen sichtbar werden, die die anschließende Realgeschichte aufs stärkste beeinflußt haben.
Unter anderem ergab sich daraus auch, was wir gestrigen Tages nebenan thematisierten: Die ebenso fürchterliche wie völlig sinnlose Trennung in Intellektuelle hier und Restmenschheit da. Ist nämlich erst einmal wahnhaft »klar«, daß Begriffe nicht etwa eine konkrete Wirklichkeit beschreiben oder eine Wahrheit bezeigen, sondern im Grunde Schall und Rauch sind, die mit etwas positivistisch-konstruktivistischem Kneterei zur Not auch das glatte Gegenteil bezeichnen könnten, dann ergibt sich der Rest des grandiosen Unheils von selbst.
Dann nämlich kann man Kant so rezipieren, wie es Hegel tat, und Hegel anschließend so, wie es die Lassallianer getan haben, und am langen Ende kann der größte deutsche Sozialdemokrat aller Zeiten, Gustav Noske, nach (!) dem zweiten Weltkrieg in seinen Memoiren schreiben, daß es eine kleine Gruppe galizischer Ostjuden (gemeint war damit natürlich Rosa Luxemburg) gewesen sei, die aus der Arbeiterbewegung und ihrem Reformismus eine völlig unkonkrete und abstrakte »Revolutionsrabulistik« gemacht hätten, die der deutsche Arbeiter nicht mehr verstanden habe.
Jetzt könntest Du's ja schon langsam mal wissen, lieber Tom, daß ich solche Artikel wie den da oben nicht deshalb schreibe, weil ich gerade nichts besseres zu tun wüßte, sondern mir in aller Regel schon etwas dabei denke.
Viele Grüße
vom Josef
Soll ich jetzt konsterniert sein, weil ein Schnösel, der, hoffe ich für ihn, lange genug leben wird, um als alter Sack durchgehen zu dürfen, einen anderen als Darmwind bezeichnet? Mit diesem Zitat, finde ich, geben Sie nur das wieder, was man ehedem von Ostberlin, DDR und Politbüro sagte und schrieb. Nur gebietet dieser alte Mann nicht über Panzer, sondern über mehr als eine Milliarde Seelen. Da kann man sich in der Tat fragen, was wohl das Erfolgsrezept einer Firma ist, die seit ein paar lächerlichen Jahrtausenden besteht. Aber nicht so naiv redundant wie ein User hinez.
Ihnen ebenfalls einen sehr entspannten Nachmittag.
Vielleicht habe ich das schon, allerdings in einem etwas anderen Kontext als dem schulischen. Und vielleicht sogar etwas länger als nur mit gelegentlichen externen Beratungen.
Naja, Josef. Mir scheint es ganz offen zu Tag zu liegen, daß und wie Du Dich in diesem Substrang, und ebenso in dem Koran-Thread nebenan, als ein kundiger und v.a. verständiger Interpret und Deuter einer (!) Ideengeschichte, die dann auch Geistesgeschichte und iwie unter'm Strich - zumindest utopisch! - auch Weltgeschichte sein soll, aufführst und dies - um mich ganz vorsichtig auszudrücken - zumindest kontingent dasselbe Verfahren ist, mit dem sich der Papst als nicht nur klerikal erwählter und berufener, sondern eben auch verständiger Deuter einer göttlichen Offenbarung und eines göttlichen Willens aufführt . Und zu diesem Behufe - wie es scheint - hast Du die einzigen, zudem einfach und deutlich vorgetragenen Einwände gegen dieses Verfahren, die es in diesem Thread gegeben hat - aus der Feder von Rahab - gegenüber dem Rest einer damit zugleich ausgehobenen Gemeinde ebenso vom Tisch gewischt, wie Ratzinger das mit Einwänden von Nichttheologen hält, nämlich als von vornherein unberufen und irrelevant.
"Luxuriös" ist, finde ich (*lach*), ein durchaus zartfühlendes, wenn auch allemal abschätziges Attribut dafür. Und damit ist das Thema für mich erledigt.
Ein Wort noch zur Sache selbst.
Vielleicht hast Du gelesen, an was ich Dich neulich in einem Kurzkommentar mit der Behauptung gemahnen wollte, die Kirchen kämen infolge einer "(Re-)Sakralisierung" der Politik ins Gedränge.
Das wäre ja zu differenzieren. Die Protestanten, obwohl davon nicht ausgenommen, profitieren auf anderen Feldern davon, besonders spektakulär die Evangelikalen in Europa.
Die "Dialektik", von der Du weiter oben gesprochen hast, grob gesagt also der Umstand, daß sich geistliche Hirten mit ihren Schafen auch gemein machen müssen, wollen sie sich nicht bloß aushalten lassen, sondern auch Einfluß gewinnen oder behalten, die scheint mir im vorliegenden Fall wirklich am Werke. Der Papst gab semioffiziell ein Stück katholentypischer klerikaler Deutungshoheit an die nachgeordneten Hirten genau so ab, daß ein "Durchschlagen" derselben auf die staatlich gewährte säkulare Gewissenshoheit der Schäfchen als "erlaubt" verstanden werden kann und soll .
Was Du hier gegeneinander gestellt hast, die von Dir gelobte "Humanisierung" (der Sexualität), der der Papst das Wort rede, im Gegensatz zu einer höchstrichterlichen Erlaubnis zum Kondomgebrauch, welche die weltlichen Kommentatoren mit Macht darin sehen wollten, das steht folglich rein gar nicht gegeneinander. Es ist das Spannungsfeld, auf das Ratzinger zielte, wenn er denn noch halbwegs bei Verstand ist, wie Du und andere behaupten (und was ich durchaus für eher wenig selbstverständlich halte ...).
Und also liegt es für mich nahe - Titta deutete dasselbe auch schon an - den ganzen Vorfall als eine echte Initiative des Papstes zu deuten, die sowohl auf seinen Laden selbst wie nach außen gezielt, hoch symbolisch etwas tut, was von einem unerzwungenen Bemühen zeugen soll, seinem Klerus auch außerhalb seiner unbestrittenen Domänen wieder Anschluß an die weltlichen Herr-lichkeit und Deutungsmacht zu verschaffen. Eine kleine Offensive, die ostentativ Offensiven an der Hirtenbasis ermutigen kann und also wohl auch soll.
Aufgrund der Methode vermute ich, daß ein praktisches Motiv dazu massive Spannungen im Klerus selbst sind, die Ratzinger am hoch symbolischen Gegenstand gewissermaßen "kurz" schließen wollte. Vulgo: Er hetzt die Meute der Aspiranten auf seine sesselfurzenden und in Kleruspolitik befangenen Bischöfe.
Aber ob das nun stimmt oder ein Fehlschluß ist ...
nichts könnte mir gleichgültiger sein.
In diesem Sinne:
Weitermachen! *breitgrins*
beste Grüße
Tom
@j -ap schrieb am 26.11.2010 um 14:54
"Die Konsequenz des Nominalismus war, viel später, die absolute Transzendenz Gottes. Wenn nämlich Gott jenseits allen menschlichen Wollens und Erkennens liegt, dann kann Gott tun und lassen, was er will — auch das Gegenteil dessen, was er einmal gewollt und getan hat."
können sie das für mich nochmal näher erläutern: warum der nominalismus zu der absoluten transzendenz gottes geführt hat. weiter oben wurde von rahab geschrieben, dass die islamkritik in der regensburger rede sich auf einen islamischen gelehrten beziehe, der gerade diese absolute transzendenz befürworte. was konsequent weiter gedacht zu einer ablehnung der legitimationsfigur der gottesebenbildlichkeit und analogie zwischen menschlicher und göttlicher vernunft führe.
ein widerpart zu thomas stellte ja auch der Dominikanermönch Meister Eckehart dar, der in einer neuplatonischen tradition verankert war. in einem mehr prozessorinetertem ansatz und im gegensatz zu thomas, der dem sein gottes den vorrang vor dem erkennen/intellekt/geist einräumte, betonte dieser umgekehrt den vorrang des erkennens vor dem sein. er war ein verterter einer negativen theologie, die gott als etwas dunkles, unbestimmbares und von menschen nicht zu erkenenndes auffasst.
ist er damit auch ein vertreter dieser von ihnen in ihren folgen als so unheilvoll geschilderten absoluten transzendenz?
"In den scheinbar widersprüchlichen Sätzen ´>Deus est intelligere und >Esse est Deus geht es jedenfalls in gleicher Weise darum, die absolute Transzendenz Gottes zum Ausdruck zu bringen: einmal als reiner Intellekt, das andere Mal als Fülle der Vollkommenheit."
(quelle: de.wikipedia.org/wiki/Meister_Eckhart#Wesen_Gottes_und_Sch.C3.B6pfung)
richtig ist, dass er dem gehorsam und der entäußerung des eigenen willens einen zentralen stellenwert einräumte, was bei ihm aber ohne jeden bezug auf eine weltliche oder geistlichen autorität geschieht. er wird deshalb wohl auch der mystik zugerechnet.
von der ethik her ist er wohl ein vertreter einer voluntaristischen ethik.
dass die vernunft sich vom glauben schon lange emmanzipiert hat ist ein wesentlicher einwand. der instrumentelle vernuftbegriff ist, der hier ja auch schon so schön szientistisch als "religion der wissenschaft" vorgeführt wurde, ist wahrscheinloch etwas wogegen sich der olle ratze gerade ja verwahren würde bzw, was er vermutlich mit seinem projekt "glauben und vernunft" kritisieren will.
wie heißt es in der "dialektik der Aufklärung": „Wie die Mythen schon Aufklärung vollziehen, so verstrickt Aufklärung mit jedem ihrer Schritte tiefer sich in Mythologie.“ dann nämlich wenn wissenschaft als die einzig mögliche und wahre erkenntnis ins bild gesetzt wird. entschuldigung, aber das ist auch eine form von ideologie.
habe nun noch eine quelle im internet aufgetan, die meine frage zu eckhart (ist er dann auch ein nominlist?) beantwortet.
laut der geschichte der philosophie von karl vorländer ist er wie thomas und albert ein realist ( das allgemeine ist das wahrhaft seiende) und intellektualist (sein ist erkenntnis). (www.textlog.de/6372.html)
daneben aber eben wohl auch ein verefchter der absoluten transzendenz gottes, oder?
Die alten Griechen haben gerne mit Därmen verhütet,
oft auch Menschendärme von lebenden Objekten :)
Die alten Griechen haben gerne mit Därmen verhütet,
oft auch Menschendärme von lebenden Objekten :)
(TomGard schrieb am 28.11.2010 um 17:20)
Lieber Tom,
ich hoffe, Du nimmst es mir nicht krumm, wenn ich das so offen schreibe, aber Dein letzter Kommentar hier klingt für mich so, wie auch soviele andere von Dir in den letzten Wochen:
Nämlich irgendwie nach deutscher Wissenssoziologie der 1920er-Jahre (Max Scheler, Karl Mannheim usw.), wo jede Äußerung auf einen Standpunkt rückabgebildet, auf die soziale Lage des Äußernden reduziert oder aus irgendeinem Milieu abgeleitet und dann mit Sprüchen wie 'Das Sein bestimmt das Bewußtsein' im Grunde nur eine kontingente Milieustudie präsentiert wird.
Da kann, wer will, auch gleich den Kollegen Watzlawik lesen: Bei dem ist jeder seines Glückes und d.h. seiner jeweiligen Wirklichkeitsdefinitionen eig'ner Schmied.
Ich weiß nicht, was ich Dir auf diesen Kommentar, der ja fast schon so klingt, als wäre er der Institutionenökonomie entlehnt, antworten soll.
Grüße
vom Josef
(mabli schrieb am 28.11.2010 um 19:47)
können sie das für mich nochmal näher erläutern: warum der nominalismus zu der absoluten transzendenz gottes geführt hat.
voluntas ordinataVerbindung
Keiner in den Himmeln und auf Erden darf sich dem Erbarmer anders nahen denn als Sklave.
über
überdie Offenbarung selbst
@ j-ap schrieb am 29.11.2010 um 14:34
ich bin nun auch kein theologe und kann auf dem gebiet also auch nur etwas spekulieren. aber mir scheint es so als wäre das, was du absolute transzendenz gottes nennst nicht per se etwas schlechtes, sondern je nach Kontext kann es auch durchaus positive folgen haben.
ich kann dann noch eher über die christliche seite etwas sagen, aber ich würde es erstmal nicht ausschließen, dass das im islam ebenso ist.
du schreibst:
"Allahs Transzendenz bedeutet, daß er nicht ergründet werden kann, sondern nur angebetet. Er kann durch den menschlichen Geist nicht erreicht werden. Jeder Gedanke über ihn ist ungenügend und falsch."
ähnliches ist auch im christentum mit dem bilderverbot in den 10 Geboten ausgedrückt. ("Du sollst dir kein bildnis machen")
Theologen/Mystiker wie Meister Eckehart, den ich ja oben erwähnte, haben ebenso die Vorstellung, dass Gott erstmal nicht erkennbar für den Menschen ist, er ist in der sprache nicht darzustellen. wie sich auch die meisten mystiker einig sind dass mystische erfahrung nicht in der sprache abbildbar ist, weil die sprache eben immer etwas einfriert und verdinglicht.
Diese Gottesbild unterscheidet sich in meinen Augen von einer persönlichen vermenschlichten Beziehung zu Gott als dem Väterchen mit dem Rauschebart, der auf der Wolke sitzt, in wohltuender Weise.
eckehart geht sogar weit, dass er ihm jegliche, auch positive, Eigenschaften abspricht.
Mit Eckeharts Worten: "Alles, was du da über deinen Gott denkst und sagt, dass bist du mehr selber als er, du lästerst ihn, denn, was er wirklich ist, vermögen alle jene weisen Meister aus Paris nicht zu sagen. [..] Drum schweig und klaffe nicht über ihn, behänge ihn nicht mit den Kleidern der Attribute und Eigenschaften, sondern nimm ihn ohne Eigenschaft."
das hindert aber nicht daran zu sagen: "Nicht davon bin ich selig, dass Gott gut ist ... Davon alleine bin ich selig, dass Gott vernünftig ist und ich dies erkenne.[..] Im Sein ist Gott nur in seinem Vorhof, in der Vernüftigkeit erst in seinem Tempel"
Das Erkennen kann dann nur durch das Erkennen der Einheit des "seelenfunkens" im Grunde der menschlichen seele und dem göttlichen seinsgrund stattfinden. der trinitarische gott erscheint dann bloß als Außfluss aus diesem absoluten und umfassenden seinsgrund, "der stillen wüste" der gottheit. also eckehart vertritt, trotz der negativen theologie, wie thomas die ansicht, dass gott wesentlich intellekt sei und der menschliche intellekt diesen göttlichen intellekt in gewisser weise abbilde.
warum schreibe ich das alles jetzt? eigentlich nur um zu zeigen, dass ein gottesbild, welches gott keine eigenschaften zuschreibt, ihn sogar als nicht-erkennbar bezeichnet und die vorstellung, dass gott vernünftigkeit ist und jeder mensch an dieser vernünftigkeit teilhat, sich eben nicht widersprechen. es führt daher eben nicht zwangsläufig zu einer entfernung zwischen gott und welt, dass man diesen erstmal prinzipiell als dunkel und nicht beschreibbar auffasst .
Also, der Papst sagt:
»Ich würde sagen, das Problem Aids kann man nicht bloß mit Werbeslogans überwinden. Wenn die Seele fehlt, wenn die Afrikaner sich nicht selbst helfen, kann diese Geisel [sic!] nicht mit der Verteilung von Kondomen beseitigt werden: Im Gegenteil, es besteht das Risiko, das Problem zu vergrößern. Die Lösung kann nur mit einem doppelten Engagement gefunden werden: Das erste ist eine Humanisierung der Sexualität, das heißt eine geistige und menschliche Erneuerung, die eine neue Art des Umgangs miteinander bringt. Und das zweite eine wahre Freundschaft auch und vor allem mit den Leidenden (...)«
und J-AP interpretiert:
"Kondome sind Hilfsmittel, aber keine Lösung. Ihre Verwendung würde in den betroffenen Ländern — beileibe nicht nur in Afrika, sondern auch in Lateinamerika und Teilen Asiens — nur im Zusammenhang mit einer echten Humanisierung der Sexualität akzeptiert werden [akzeptiert vom Papst oder von den Afrikanern? -oca], was unter anderem die Ächtung von Vergewaltigung sowie die Freiheit zur gegenseitigen Liebe zwischen Sexualpartnern zur Voraussetzung haben würde."
Wo zum Geier hat der Papst im obigen Zitat die Verwendung von Kondomen im Zusammenhang mit irgendwas anderem akzeptiert? Er fordert genau zwei Dinge: "Humanisierung der Sexualität, geistige Erneuerung blabla" und "Freundschaft mit den Leidenden".
Ich bin wirklich neugierig darauf, welche kreative Form der Papst-Sprech-Deutung Dich zu der Annahme verleitet, der Papst habe an der zitierten Stelle die Verwendung von Kondomen als "Hilfsmittel" gebilligt.
Er hat bloß gesagt, dass Kondome nix bringen, weil Afrika nicht nach seinen päpstlichen Vorstellungen lebt. Ob Kondome n a c h der Verwirklichung der katholischen Sexualmoral erlaubt sein würden, oder - was logischer wäre - überhaupt nicht mehr notwendig wären, dazu sagt er in dem Zitat nichts.
Lieber J-AP, trotz der Begeisterung mancher FC-Kollegen finde ich Deinen Beitrag wirklich haarstäubend. Ähnliche theologisierende Argumentationsmuster wie die Deinen lassen den Papst auch vom Segen der Christianisierung Lateinamerikas schwafeln. Und wenn der Presse hierzulande etwas vorzuwerfen wäre, dann sicherlich ihr wohlwollendes Unverständnis der reaktionären Papst-Thesen.
"schau rechts, dann links, dann wieder rechts ... um zu sehen, ob eine Gefahr auf dich zukommt. Das sollte doch in Bezug auf körperliche Gesundheit auch gegen Infektionen gelten"
Könnte sein, dass das rechts-links-Schauen die Spontaneität des Straßeüberquerens und den Genuss dabei nur sehr geringfügig einschränkt... Außerdem sind wir im Alter der Verkehrserziehung vielleicht noch empfänglicher für elterlich-lehrerliche Ratschläge als im Alter der Sexualverkehrserziehung...
(Entschuldigt bitte diese belanglosen Kommentare!)
" Pas plus que Dieu ne peut pécher, Lui qui ne peut le vouloir, je ne puis pécher sans que ma volonté le veuille : en son amour, mon bien-aimé m’a donné cette liberté par sa bonté. Mais si je voulais pécher, pourquoi ne le supporterait-il pas ? S’il ne le supportait pas, son pouvoir m’enlèverait ma liberté ; mais sa bonté ne pourrait supporter que son pouvoir m’ôte ma liberté en rien ; autrement dit, elle ne pourrait supporter qu’aucun pouvoir m’ôte mon vouloir sans que ma volonté y consente. Sa bonté m’a donc donné, par pure bonté, une volonté libre"
Marguerite Porete, Le Miroir des âmes simples et anéanties
1310 verbrannt
suite. »
schade, dass mein schulfranzösisch nicht mehr ausreicht das zu verstehen.
die beginen und begarden müssen schon sowas wie mittelalter hippies gewesen sein. mit eigenen kommunen und so... :-)
und vor allem mit einer vorstellung von freiem willen
weshalb die beginen ja auch "nichtregulierte" frauen waren
meister Eckhard hat übrigens bei dieser Margarete gespickt - wird angenommen
gut möglich. bei aller unsicherheit über die biografischen daten meister eckharts, wird ja , glaube ich, angenommen, dass er längere zeit als seelsorger für fraunenklöster in süddeustchland und straßbourg zuständig war, unter anderem damit betraut, dass problem der von der kirche mit argwohn beäugten bewegung der beginen unter kontrolle zu bringen.
wie auch immer, er ist ja später selbst der häresie wegen veurteilt worden, ist aber kurz nach dem urteil eines natürlichen tode gestorben.