20.000 Luftschläge

Jemen Das Land braucht ein internationales Kriegsverbrechertribunal, vor dem sich die Koalition und ihre westlichen Unterstützer für den Genozid verantworten müssen

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20.000 Luftschläge

Foto: Mohammed Huwais/AFP/Getty Images

Das Yemen Data Project (YDP) ist eine privat finanzierte non-profit NGO, die seit Kriegsbeginn akribisch Buch über den Krieg im Jemen führt. Seit Tag 1 zählt das YDP die Luftschläge der Saudi-Emirate-Koalition auf die Zivilbevölkerung des Jemen.

Heute, am 20. August 2019, überschritt der „Coalition Air Raids“-Counter die Marke von 20.000 und steht aktuell bei 20.025 Luftschlägen. Der Krieg begann am 26. März 2015. Das macht knapp 13 Luftschläge jeden Tag. Seit fast viereinhalb Jahren. Jeden Tag.

Unter diesen Luftschlägen befanden sich tödliche Angriffe auf so glorreiche militärische Ziele wie unzählige Hochzeitsfeiern und Beerdigungen, Flüchtlingsboote und -lager, Fischerboote, Hunderte Krankenhäuser, Moscheen, eine Blindenschule und eine Kartoffelchipsfabrik, in der zehn Angestellte eingeschlossen wurden und elendig in den Flammen verbrannten.

YDP geht über das bloße Zählen hinaus und weist die Angriffe auf zivile Targets auch, so gut es geht, entsprechenden Kategorien zu und zählte etwa Angriffe auf folgende Einrichtungen:

2.017 Wohngebiete
774 Transportinfrastruktur
649 Farmen
292 Regierungsgebäude
217 Marktplätze
90 Fabriken
241 Schulen
132 Wasser- und Elektrizitätswerke
16 Banken
21 Radio-/TV-Stationen
51 Moscheen
60 Sporteinrichtungen

Hier die komplette Auflistung des Yemen Data Project.

Nach dem – anhaltenden – Völkermord in Darfur ab 2003 wird die Menschenfamilie im Jemen Zeugin des zweiten Genozids im 21. Jahrhundert. Neben Zehntausenden Kriegstoten implementiert die Saudi-Emirate-Koalition eine hermetische Luft-, See- und Landblockade – und hält so Millionen von Menschen buchstäblich in Geiselhaft.

Die Koalition setzt die historische Hungersnot und die größte Choleraepidemie der Menschheitsgeschichte als Kriegswaffen ein. Neben lebenswichtiger Infrastruktur wie Wasseraufbereitungsanlagen und Krankenhäuser zerstört sie systematisch die Industrie und entsprechende Infrastruktur des Landes und sorgt so dafür, dass sich der Jemen auch Jahrzehnte nach Kriegsende nicht vom Genozid erholen wird.

Die UN spricht vollkommen zutreffend von der „schlimmsten humanitären Katastrophe der Welt“.

Artikel II c) der UN-Völkermordkonvention verbietet die „vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen“ – eine 1-zu-1-Beschreibung von dem, was wir im Jemen erleben. Die Saudi-Emirate-Koalition macht sich des Genozids schuldig.

Und der Westen ist der Komplize dieses Verbrechen. Weit über die Hälfte der Waffen der Kriegskoalition stammt aus den USA, gefolgt von Frankreich, Russland, Großbritannien und Deutschland in den Top-5 der Waffenlieferanten – die 20.000 Bomben, die den Jemen verwüstet haben, sind westliche Bomben.

Eingebetteter Medieninhalt

Herkunftsländer der Waffenexporte an die acht Länder der Saudi-Emirate-Koalition in den Jahren des Jemenkriegs (2015-2018). Data source: SIPRI Arms Transfers Database.

Artikel III e) der UN-Völkermordkonvention stellt „Komplizenschaft an Genozid“ unter Strafe. Neben dem so sehnlich gewünschten Frieden und so dringend benötigter humanitärer Hilfe braucht das Land ein umfassendes internationales Kriegsverbrechertribunal im Stil der Nürnberger Prozesse.

Neben den Entscheidungsträgern und Militärs der neunköpfigen Saudi-Emirate-Koalition müssen mindestens auch die Regierungen in Washington, Paris, Moskau, London und Berlin als Kriegsverbrecher angeklagt und ein Leben lang weggesperrt werden.

Die Führungen all dieser Länder müssen sich in Den Haag für ihre Schande verantworten. Ohne Gerechtigkeit kann es keinen Frieden geben.

Peace!

Dieser Artikel erschien zuerst auf JusticeNow!.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jakob Reimann

Auf meinem blog justicenow.de setze ich mich kritisch mit den Themen Kapitalismus, Krieg und Rattenschwanz auseinander. Herrschaftsfrei, gewaltfrei!

Jakob Reimann

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