Das Echo von 2003

Koalition gegen den Iran Das Pentagon kündigte an, eine internationale Militärallianz zu gründen – zur Absicherung kommerzieller Schifffahrtsrouten, wie es heißt. Eine Reminiszenz an Irak 2003.

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Am Dienstag kündigte das Pentagon Pläne an, eine internationale Militärkoalition gegen den Iran auf die Beine zu stellen, die in den strategischen Gewässern um die Arabische Halbinsel patrouillieren und dort vermeintlich kommerzielle Schifffahrtsrouten absichern soll.

„Aktuell arbeiten wir mit einer Reihe von Ländern zusammen, um zu sehen, ob wir eine Koalition bilden können, die die Freiheit der Schifffahrt sowohl in der Straße von Hormus als auch im Bab al-Mandab gewährleisten würde“, erklärt Marine General Joseph Dunford vor wenigen Stunden in einem Statement.

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General Joseph Dunford, Vorsitzender des Joint Chiefs of Staff, verkündete den Plan, eine internationale Militärallianz gegen den Iran zu gründen.

Dunford ist Vorsitzender des Joint Chiefs of Staff, ein Pentagon-Gremium, das die höchsten Regierungsvertreter in Militärfragen berät, eine Art Pentagon-interner Thinktank mit größtem Einfluss auf die Regierung.

Reaktion auf abgeschossene Tanker?

Die Bildung dieser Militärkoalition kommt im Rahmen von weiterhin ungeklärten Angriffen auf Öltanker im Gebiet um die Straße von Hormus in den letzten Monaten. Am 12. Mai wurden zwei saudische, ein norwegischer und ein emiratischer Öltanker in der Nähe des emiratischen Fujairah-Hafens teils schwer beschädigt. Einen Monat später am 13. Juni wurden zwei Tanker – unter den Flaggen Panamas und der Marshall Inseln – im Golf von Oman angegriffen.

Die Trump-Administration – insbesondere in Person von Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo, zwei Ultra-Iran-Falken und die größten Kriegstreiber in der US-Regierung – beschuldigte Iran, hinter den Angriffen auf die Tanker zu stecken, ohne jedoch einen Beweis dafür vorzulegen.

Auch die israelische Regierung und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) beschuldigten Teheran, ohne Beweise vorzulegen. Die iranische Führung stritt vehement ab, etwas mit den Angriffen zu tun zu haben.

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Die neue Militärallianz soll in der Straße von Hormus und dem Bab al-Mandab patrouillieren.

Ein Fünftel bis ein Viertel des weltweit gehandelten Öls wird durch die Straße von Hormus verschifft, einer Meerenge zwischen dem Iran und der Arabischen Halbinsel, die an ihrer engsten Stelle nur 38 Kilometer breit ist. Sie ist der wichtigste Flaschenhals der globalen Ölversorgung – noch vor der Straße von Malakka – und seit Jahrzehnten von höchster geostrategischer Bedeutung. Teheran drohte in der Vergangenheit oft mit der Schließung der Straße.

Auch der Bab al-Mandab, besser bekannt als das „Tor der Tränen“, vor der Küste Jemens ist als Eingang zum Roten Meer und damit zum Suezkanal von höchster strategischer Bedeutung. (Hier eine ausführliche JusticeNow!-Analyse zum Tor der Tränen.)

US-Iran-Spannungen eskalieren

Der jüngste Plan der Bildung einer Militärallianz muss im Kontext sich zuspitzender US-Iran-Spannungen gesehen werden. Bereits im Wahlkampf wetterte Trump gegen den Iran und nannte das Iran-Nuklearabkommen den „schlechtesten Deal aller Zeiten“. Ich selbst bezeichnete den Deal an anderer Stelle als „Blaupause für friedliche, lösungsorientierte Diplomatie im 21. Jahrhundert“.

Widerwillig unterzeichnete Trump wiederholt die Bestätigung, der Iran halte sich tadellos an die Vorgaben des Deals, bis er im Mai 2018 schließlich unter Bruch des Völkerrechts – das Abkommen ist in Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrats kodifiziert – unilateral aus dem Deal ausstieg.

Es folgte ein Jahr sich zuspitzender Rhetorik, Säbelrasseln und die erdrückendsten Sanktionen gegen den Iran in der Geschichte. Unter Demütigung vor allem Europas, Chinas und der Türkei zwang Trump alle Länder dieser Welt, ihre Ölimporte aus dem Iran auf Zero herunterzufahren.

Dann kamen die erwähnten Angriffe auf die Öltanker in der Golfregion. John Bolton – des Präsidenten wichtigster Berater in Fragen der Außenpolitik – stellte Pläne auf, 120.000 US-Soldatinnen und -Soldaten in die Golfregion zu entsenden. Zunächst wurden 1.000 weitere Truppen und ein Flugzeugträger sowie weitere Kriegsschiffe im Persischen Golf stationiert.

Am 20. Juni schoss der Iran über der Straße von Hormus eine US-Drohne im Wert von 220 Millionen Dollar ab. Washington behauptet, die Drohne sei im internationalen Luftraum gewesen, Teheran erklärt, sie habe iranisches Hoheitsgebiet verletzt.

Ein kleinster Fehler könnte genügen, um einen Krieg loszutreten.

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Der 2015 geschlossene Iran-Deal gilt als Musterbeispiel internationaler Diplomatie, er ist einer der wichtigsten internationalen Verträge des noch jungen Jahrhunderts. Hier die Delegierten der Vertragsparteien der P5+1-Länder, der EU und des Irans in Écublens-Lausanne, Schweiz, am 2. April 2015.

Bezahlen sollen andere

Laut dem heutigen Vorschlag des Pentagons werde eine Koalition verschiedener Nationen in strategischen Gewässern um den Persischen Golf patrouillieren und kommerzielle Schiffe eskortieren, erklärte General Dunford am Dienstag.

„Wir erwarten, dass das eigentliche Patrouillieren und Eskortieren von anderen Parteien durchgeführt wird“, so Dunfords Statement überraschend weiter. Und ein Reporter von Al-Jazeera in Washington zitiert Donald Trump, der gesagt habe, „die USA sollten nicht dafür bezahlen“.

Eines muss man ihr lassen, die Trump-Administration hat Chuzpe: Sie fordert eine Anti-Iran-Koalition, die andere betreiben und bezahlen sollen.

Das Echo von 2003

Dunfords Statement weiter: „Ich denke, dass wir wahrscheinlich in den nächsten Wochen herausfinden werden, welche Nationen den politischen Willen haben, diese Initiative zu unterstützen. Dann werden wir direkt mit den Militärs zusammenarbeiten, um die spezifischen Fähigkeiten zu identifizieren, diese Initiative zu unterstützen.“

Ein kurzer Blick auf die Rhetorik des Generals: „Koalition“, „Wille“ – in meinen durchaus vorbelasteten, kriegspropagandasensibilisierten Ohren klingt das fast wie George W. Bushs berühmtberüchtigte „Koalition der Willigen“, jene Allianz aus 43 Verbrecherstaaten, die 2003 illegal den Irak überfallen hat und so das Chaos im Nahen Osten, inklusive die Schlächter des Islamischen Staats, im großen Maße mitzuverantworten hat.

„Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.“ – soll Mark Twain einst gesagt haben. Nach 16 Jahren erleben wir schließlich den „Reim“ auf den Irakkrieg: Die Architekten von damals arbeiten Punkt um Punkt das Kriegstreiber-Playbook aus halbgaren Anschuldigungen und täglich auf uns eindonnernder Kriegspropaganda erneut an uns ab.

Trumps rechtsextremer, ultramilitaristischer Sicherheitsberater John Bolton war unter Bush 2003 aktiv daran beteiligt, der Welt die Lüge der Massenvernichtungswaffen zu verkaufen und manipulierte dafür Geheimdienstinformationen. Dem Gründer und Chef der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), José Bustani, der sich 2002 couragiert gegen den Irakkrieg einsetzte, drohte Bolton damals unverhohlen: „Wir wissen, dass du zwei Söhne in New York hast. Wir wissen, dass deine Tochter in London lebt. Wir wissen, wo deine Frau ist.“

Bereits 2015 rief Bolton in einem Op-Ed in der New York Times unverhohlen dazu auf, den Iran zu bombardieren und versprach 2018 in Paris einer Delegation einer kultartigen iranischen Exil-Terrororganisation den Regime Change in Teheran.

Ist dies eine Person, der wir in Sachen Iran irgendetwas glauben sollten?

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John Bolton war maßgeblich daran beteiligt, der Weltöffentlichkeit den illegalen Irakkrieg 2003 zu verkaufen. Hier mit George W. Bush und Condoleezza Rice (wie er einst Sicherheitsberaterin) im Jahr 2005 im White House.

Trump selbst ist ein Serienlügner: Mit Stichtag 10. Juli hat Präsident Trump nicht weniger als 10.796 „falsche oder irreführende Behauptungen aufgestellt“, so der Lügen-Counter der Washington Post.

Ist dies ein Präsident, dem wir auch nur irgendetwas bei irgendeinem Thema glauben sollten?

Trump selbst mag keinen Krieg gegen den Iran wollen – die rechtsradikalen Kriegsfalken, die er um sich geschart hat, dafür umso mehr.

Trump versteht nichts von den Dynamiken im Nahen Osten, von Kriegsstrategien, Geopolitik, Welterdölversorgung, Kriegspropaganda oder auch nur rudimentärer Geographie – die rechtsradikalen Kriegsfalken, die er um sich geschart hat, dafür umso mehr.

Die Welt stolpert vor unser aller Augen Schritt für Schritt in den nächsten Krieg. Ein Krieg, gegen den Irak 2003 wie ein Picknick im Freien bei lauer Sommerbrise erscheinen würde. Wir alle müssen höchst wachsam sein und uns von der Kriegspropaganda aus Washington nicht unsere Sinne und unser Urteilsvermögen vernebeln lassen.

Ich möchte an dieser Stelle auf ein Gespräch hinweisen, das ich am 25. Juni nach einer Veranstaltung des UN-Menschenrechtsrats in Genf mit meinem Freund und Kollegen Mathias Tretschog hielt und in dem wir uns auch intensiv über die hier thematisierten US-Iran-Spannungen unterhielten.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf JusticeNow!.

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Geschrieben von

Jakob Reimann

Auf meinem blog justicenow.de setze ich mich kritisch mit den Themen Kapitalismus, Krieg und Rattenschwanz auseinander. Herrschaftsfrei, gewaltfrei!

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