Am 4. Oktober starben im westafrikanischen Niger vier US Special Forces bei Kämpfen während einer Routineaufklärungsmission nahe der Grenze zu Mali. Während sich Hobbyseelsorger Donald Trump mit den einfühlsamen Worten „Er wusste, worauf er sich einließ.“ per Telefon an die trauernde Witwe einer der vier Getöteten wandte, fragten sich vermutlich die meisten US-Amerikaner, wo Niger denn überhaupt liegt – und wer, anders als der Autor, kein besserwisserischer Geographie-Nerd ist, der oder dem sei dies auch verziehen – doch vor allem aber wohl die Frage: „Was zur Hölle machen wir im Niger?“ Die meisten US-Amerikaner waren vermutlich auch mehr als erstaunt zu erfahren, dass die USA ganze 800 Soldaten in der nigrischen Wüste stationiert haben.
Das Fußvolk des US Empire
Der Aufruhr um die Toten vom Niger stieß eine Debatte um die globale US-Militärpräsenz an, die schnell erkennen ließ, dass die Hunderten von Truppen im Niger nur die Spitze des Eisbergs sind und gegen das globale Kontingent erblassen. Auf den Seiten des Pentagon findet sich eine vierteljährlich aktualisierte Excel-Tabelle, die all das akribisch aufschlüsselt und Erstaunliches zutage bringt:
Die USA haben in mindestens 172 Ländern dieser Welt insgesamt 240.000 Soldaten stationiert. Zur Erinnerung: es gibt gerade einmal 194 Länder auf dem Globus (193 UN-Mitglieder plus Palästina), in 89 Prozent dieser Länder ist also das US-Militär stationiert. Wenn wir uns 2017 eine wichtige Zahl merken wollen, so ist es gewiss diese: 172 Länder.
Angeführt wird die Liste von Japan mit 39.980 Truppen verteilt auf stolze 84 US-Militärbasen im Land. Zusammen mit den insgesamt mehr als 130.000 Truppen der US-Pazifikflotte bilden „die Japaner“ demnach die Speerspitze des sich in den nächsten Jahr(zehnt)en androhenden Weltkriegs gegen China.
Knapp zweiter auf der Liste ist – ja, tatsächlich: Deutschland mit 36.034 Truppen in insgesamt 38 US-Militärbasen. Und das 72 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und 27 Jahre nach der Wiedervereinigung. (Nein, liebe BRD-GmbH-ler, ich argumentiere hier gewiss nicht in eurem Sinne.)
Insgesamt gibt es 19 Länder auf diesem Globus mit mindestens 1.000 stationierten US-Soldaten. Neben Afghanistan und Irak – zusammen 19.567 Truppen – sind darunter in erster Linie die repressiven und teils faschistischen Öldiktaturen der Golfregion. Mit Italien, Großbritannien, Spanien und selbst Österreich sowie Dutzenden kleineren Länderkontingenten sind Zehntausende US-Soldaten quer über ganz Europa stationiert, mit ihrem Hauptquartier in Stuttgart.
Auf dem zweiten Platz – werden zivile Pentagon-Leute hinzugezählt gar mit Abstand auf dem ersten Platz – findet sich ein eher unerwartetes „Land“ wieder: UNBEKANNT. Was genau sich hinter diesen 51.490 Geistern verbirgt, können wir uns alle selbst zusammenfantasieren. Ich vermute, dass es sich um Special Special Forces handelt, die außerhalb der regulären Mechanismen und Protokolle agieren, vielleicht eingeschleust in hohe Kader im Iran oder versteckt irgendwo in den Wäldern um Moskau hausend. Oder um die liebevollen Worte Thomas de Maizières zu gebrauchen: Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.
Der unendliche Krieg
Das US Empire ist das mächtigste Imperium der Menschheitsgeschichte. Doch dieses Imperium wird den USA in den nächsten Jahrzehnten unter den Füßen wegbröseln. Auf sämtlichen Gebieten – Wirtschaft, Handel, Finanz, Technologie, Raumfahrt, Spitzenforschung, Politik, Diplomatie, Entwicklungshilfe, Infrastruktur – wird auf mittlere Frist China die USA überholen, oder hat dies wie auf dem Gebiet des globalen Handels bereits getan. Nur auf dem Gebiet der Kultur ist kein Ende der globalen US-Dominanz abzusehen, China ist einfach „uncool“ – wie Foreign Policy es formuliert.
Die gegenwärtige und noch auf Jahre anhaltende Übermacht der USA wird getragen von letztendlich einem einzigen Pfeiler: ihrem Militär. Und damit in der abschreckenden in den letzten 100 Jahren unzählige Male demonstrierten Bereitschaft, die militärische Vergeltung nicht nur anzudrohen, sondern gegen jedes Land einzusetzen, was es wagt, sich Washington substanziell zu widersetzen. Ob groß oder klein, arm oder reich, Verbündeter oder Feind spielt hierbei keine Rolle.
Mit den Anschlägen des 11. September, der Ausrufung der Achse des Bösen und dem Beginn des globalen War on Terror traten wir in ein neues Zeitalter ein, so wie es vor und nach Christus gibt, scheint es nun eine Zeitrechnung vor und nach 9/11 zu geben. Es ist das Zeitalter des unendlichen Kriegs. Unendlich nicht nur weil er zeitlich unbegrenzt ist, sondern auch weil er als selbsterfüllende Prophezeiung mit seiner Wirkung die Ursache permanent neu erschafft und sich so selbst am Leben hält. Im Jahr 2000 gab es weltweit 405 durch Terror getötete Menschen, 2014 gab es dann 32.727 Terrortote – eine Ver-81-fachung nach 14 Jahren Krieg gegen den Terror. Unendlich außerdem, weil er per Definition unmöglich, siegreich zu beenden ist. Es hat immer Terrorismus gegeben und wird ihn auch immer geben, zumindest solange sich an den grundlegenden Mechanismen, wie das Zusammenleben auf dieser Welt organisiert ist, nichts ändert. Mit militärischer Gewalt kann Terror nicht überwunden werden. Feinde können ausgelöscht werden. Doch Terrorismus ist kein physischer Feind, sondern eine militärische Strategie. Genauso wie zwar Boxer XYZ nicht jedoch der linke Uppercut als solcher besiegt werden kann, kann zwar bin Laden nicht jedoch der Terrorismus besiegt werden.
Doch die USA als Schutzpatron eben dieser Ideologie setzen alles daran, dass wir diesem Phantom auch weiterhin hinterherjagen und stolpern selbst machttrunken von einem irreführend so genannten Anti-Terror-Krieg in den nächsten. Von klassischen Invasionen wie im Irak und Afghanistan über Luftkriege wie in Libyen und im IS-Territorium bis hin zu Schattenkriegen unter dem Radar der Öffentlichkeit wie auf den Philippinen oder in Westafrika – mit Jemen, Syrien, Somalia, Pakistan irgendwo zwischen diesen Grenzfällen – oder auch mit (noch) reinem Cyberkrieg wie im Iran oder Nordkorea. Jedem Land wird das passend scheinende Kriegsmodell übergestülpt – und 240.000 Soldaten in 172 Ländern stellen sicher, dass jedes Land dieser Welt problemlos als nächstes dran sein kann. Ein ausuferndes globales Netzwerk ohne demokratische Kontrolle oder Debatte fungiert als permanente Drohgebärde.
Mit einem geisteskranken, von Hass und Gewalt getriebenen, ultranationalistischen, durch und durch militaristischen und größenwahnsinnigen Narzissten für vier oder gar acht Jahre im Weißen Haus fällt es im Hier und Heute gewiss schwer, sich für den zwangsläufigen Fall des US Empire ein unblutiges Szenario für das 21. Jahrhundert auszumalen, das Szenario eines geschrumpften Riesen, der nur mit blauen Flecken und ein paar gebrochenen Rippen auf Augenhöhe in der multipolaren Welt landet. Mit dem Mutter aller Bomben abwerfenden Donald Trump, der noch nicht einmal weiß, welches Land er überhaupt gerade bombardiert hat, ist es traurigerweise leichter, sich einen globalen Feuerball vorzustellen. Doch die Hoffnung auf ein Ende des Krieges als politisches Werkzeug ist überall greifbar. Sie liegt in der Vernunft der Bevölkerung der USA, und der aller anderen Länder dieser Welt. Sie liegt in den friedliebenden Köpfen der Milliarden von Menschen auf diesem Globus.
Sie liegt im Protest dieser Menschen gegen ihre politischen Führer.
Dieser Text erschien zuerst auf JusticeNow!
Kommentare 6
dummerweise ist es nicht das Pentagon bzw. der militärisch industrielle Komplex aka deep state alleine , der dieses Szenarion inszeniert. Es sind auch die korrupten oder durch ökonomische Sanktionen in die Knie gezwungenen 172 Regierungen.
Dass diese Regierungen damit nicht die existentiellen Bedürfnisse der jeweiligen Bevölkerungen repräsentieren oder gar schützen braucht man kaum in Frage stellen, wenn klar ist was die Bedrohung ist.
Leider ist das aber der Punkt, der nicht klar ist und die meisten Menschen haben auch keinen Mut es sich klarzumachen, vor allem dass ihre eigene und tägliche kapitalistiche Praxis mit dieser Bedrohung erzwungen wird. Westliches Millitär und Staaten sind mittlerweile auf globaler Ebene die Garanten für die Aufrechterhaltung eines destruktiven "Bussines as usual" , eines an sich schon untergehenden Geldverwertungssystems, das nur sehr wenigen Menschen zur Ermächtigung dient.
Es wird heute dringender als jemals eine präsente pazifistische Bewegung gebraucht, die , um mal ein banales auf Deutschland bezogenes Beispiel zu nennen , jeden Tag zu Tausenden bei Heckler & Koch, in Rammstein, bei Krauss Maffei , Daimler etc. pp. und vor dem Paralment stehen ...
Diese "Tausende" stehen aber nicht da wo sie stehen müssten , um ihre Interessen wahrzunemen. Sie sitzen vielmehr im Kino oder vor der Glotze und schauen sich in 3D Avatra oder ähnlichen Kram an , wo ihnen vor Rührung die Tränene in den Augen stehen , weil dort die Idigenen ( also sie selbst) dieselbe Bedrohung überwinden, an der sie potentiell krepieren.
Es bleibt uns die Hoffnung, dass in nicht zu ferner Zukunft keine Rohstoffe mehr verfügbar sind , die diese Gewaltmaschine weiter nähren kann. Alle aber die daran glauben , dass alles technisch Machbare auch gemacht wird , sind jetzt schon tot.
@iDog: Kannst Du (mir) Deinen letzten Satz etwas genauer erläutern?
Ja das ist zweideutig , stimmt.
Wenn man daran glaubt , dass alles technisch Machbare auch gemacht wird, ist man entweder im übertragenen Sinne tot , nämlich hirntot, denn das ist an sich der dummste Mythos vom Fortschrittsglaube, dem man aufsitzen kann, weil ja offensichtlich, zumindest bislang, nicht gemacht wird was machbar wäre, oder , sollte man doch damit recht behalten, sich der Glaube also bestätigen und es wird tatsächlich alles noch gemacht, dann ist das das Ende der Welt, nicht weniger. Wieviele Atomsprenköpfe und Killerviren warten nochmal auf einen Befehl? Bei den Atomsprengköpfen bin ich sicher : offiziell knapp 16 000 !
ne sorry , kurz gegoogelt : 15 000
Der Glaube an der (einst evtl.) reellen Verwirklichung alles technisch Machbaren hat m.E. nix mit Dummheit zu tun. Die Realisierung möglicherweise schon, aber das liegt im Auge des jeweiligen Betrachters.
Das hier beschriebene Imperium wird wohl alles erdenkliche tun, um den Status Quo (seiner vermeintlichen oder gewünschten Überlegenheit) aufrechtzuerhalten. Selbst um den Preis eines Endes mit Schrecken.
« Der Glaube an der (einst evtl.) reellen Verwirklichung alles technisch Machbaren hat m.E. nix mit Dummheit zu tun. Die Realisierung möglicherweise schon, aber das liegt im Auge des jeweiligen Betrachters. »
Seh ich anders: Dieser Glaube dient vor allem dazu die Bedrohung durch das technisch Machbare aufrechtzuerhalten. Es ist aber faktisch komplett unsinnig das Machbare zu verwirklichen, zb alle 15 000 Atombomben zu zünden oder aller Killerviren freizusetzen, wenn es rein destruktiv ist. Das wissen auch alle.
Der Mensch ist nicht lebensmüde, auch die Dummköpfe nicht. Die Verwirklichen nur die Teile des Machbaren im Sinne der Geldverwertungsmaschine, von denen sie meinen Vorteile zu haben, meist rein rechnerische. Dabei zerstören sie auch alles , aber langsam, zu langsam für ihre Dummheit, um es auf sich zu beziehen, oder weil sie total entfremdet längst jedes Verhältnis zum Leben an sich verloren haben, das eben auch über das eigne Dasein hinausgeht. Sie sind nur noch mechanische Vollstrecker eines mechanischen Weltbildes, die sich vernüftig nennen dürfen, weil sie Machbarkeit innerhalb eines instrumentalisierten Denkmodells repräsentieren.
Es gibt natürlich ein Menge Dinge, die machbar wären, und die leider nicht gemacht werden, obwohl sie erwiesenermaßen nur positive Auswirkung hätten. Und da haben Sie recht, dabei kommt es dann auf den Blickwinkel an. Diese Dinge werden aber nicht gemacht, weil sie aus dem Blickwinkel der Geldvermehrung bzw. des Denkmodells nichts einbringen würden.
Sobald man sich fragt was ohne Geld technisch machbar ist, wird die Sache übrigens wesentlich ungefährlicher. Und immerhin ist alles was wir machen eine Technik.