Die Vorstellung eines Flugzeugträgers unter deutscher Flagge mag befremdlich anmuten. Doch die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, sowie Kanzlerin Merkel fordern nun, in Kooperation mit Frankreich die Durchsetzung dieses mehr als zweifelhaften Projekts.
Ein Mammutprojekt
„Bereits jetzt arbeiten Deutschland und Frankreich gemeinsam am Projekt eines europäischen Kampfflugzeugs“, argumentiert Kramp-Karrenbauer in ihrem Konzept für eine EU-Reform. „Im nächsten Schritt könnten wir mit dem symbolischen Projekt des Baus eines gemeinsamen europäischen Flugzeugträgers beginnen“, so AKK weiter. Ziel des Projekts sei es, der globalen Rolle der EU „als Sicherheits- und Friedensmacht Ausdruck zu verleihen“.
Am Montag erhielt AKK für ihr Mammutprojekt Rückendeckung von Angela Merkel. Nach einem Treffen mit dem lettischen Ministerpräsidenten Krisjanis Karins in Berlin versicherte die Kanzlerin, ein deutsch-französischer Flugzeugträger sei „richtig und gut“ und sie sei gern bereit, „daran mitzuarbeiten“.
Das Gerede vom Flugzeugträger muss im Kontext von Donald Trumps wiederholtem Drängen gesehen werden, Europa solle wesentlich mehr für Rüstung ausgeben. Während nur vier europäische NATO-Länder 2017 die 2-Prozent-BIP-Vorgabe erreichten, forderte Trump im Juli letzten Jahres gar, diese Marke auf 4 Prozent zu erhöhen – und damit eine Erhöhung der NATO-Rüstungsausgaben von weit über einer halben Billion US-Dollar.
Nicht zuletzt durch die Obsession mit seiner Space Force ist wohlbekannt, dass Trump in prestigeträchtige Großprojekte vernarrt ist. Ein deutsch-französischer Flugzeugträger ist gewiss nach dem Geschmack des US-Präsidenten, der diesen daher als persönlichen Erfolg verkaufen kann und wird.
Die Bundesregierung scheut erneut die Konfrontation mit Washington und optiert für ein unsinniges Rüstungsprojekt. Doch während Trump in zwei, spätestens sechs Jahren Geschichte ist, sind Flugzeugträger Projekte, die auf viele Jahrzehnte angelegt sind – und dazu Unsummen an Geldern verschlingen.
So schlug das Flaggschiff der US-amerikanischen Flugzeugträger, die USS Gerald R. Ford, inflationsbereinigt insgesamt mit stolzen 21,7 Milliarden US-Dollar zu Buche. Und allein die zweijährige Generalüberholung und Modernisierung des einzigen französischen Flugzeugträgers, die atombetriebene „Charles de Gaulle“, kostete 1,3 Milliarden Euro.
Ein Paradigmenwechsel
Scharfe Kritik am Vorstoß der Union kommt vom Koalitionspartner SPD – die zum Abwenden ihres unaufhaltbar scheinenden Untergangs in die Belanglosigkeit in der post-Merkel-Ära ihr Profil möglicherweise mit einer zarten Militarismus- und Rüstungsskepsis schärfen will.
Der Kanzlerin sei „die Fantasie durchgegangen“, poltert SPD-Verteidigungsexperte Rolf Mützenich gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Mützenich erkennt, dass Flugzeugträger in erster Linie „ein militärisches Machtinstrument“ seien und schließt korrekt, dass die reine Forderung danach „einen Paradigmenwechsel im Selbstverständnis der europäischen Sicherheitspolitik“ einläutet.
Das ist der Kern, worum es hier geht. Es wird nicht einfach die nächste militärische Sau durchs Dorf getrieben. Ein europäischer Flugzeugträger degradiert Skandälchen wie die Eurodrohne oder die Gorch Fock zu regelrechten Banalitäten.
Im Verlauf von bald 20 Jahren „War on Terror“- Katastrophe hat sich das Gesicht des Krieges fundamental gewandelt. Die Invasionen in Afghanistan 2001 und Irak 2003 ähnelten noch den Kriegen vergangener Jahrhunderte – der Emperor betritt Feindesland, rammt seine Flagge in den Boden und brüllt lauthals: „Meins!“
Libyen 2011 oder der Kampf gegen den IS ab 2014 waren aus westlicher Sicht im Grunde bereits reine Zerstörungskriege aus der Luft. Feindesland wurde mit einem Bombenteppich überzogen und unterstellte lokale Gruppen erledigten die verlustreiche Drecksarbeit am Boden. Da diese Verbündeten immer wieder auch Dschihadisten waren, erhielt die NATO vollkommen zu Recht ihren Spitznamen: „Al-Qaidas Luftwaffe“.
Friedensnobelpreisträger Obama läutete den Paradigmenwechsel ein, den „militärischen Fußabdruck“ des U.S. Empire zu minimieren und ging in all den Schattenkriegen von Jemen über Somalia bis Pakistan dazu über, nicht mehr mittels Bataillonen, sondern per Drohne und Night-Raids von U.S. Special Forces in „chirurgischen“ Angriffen den Tod über die Zivilbevölkerung dieser Länder zu bringen.
Kriege von Ländern gegen andere Länder scheinen immer mehr als Relikt alter Tage. Und Europa stand in dieser Wandlung der Natur des Krieges stets eng an Washingtons Seite.
Mehr Großmachtkriege wagen
Doch ein eigener Flugzeugträger wäre die exakte Umkehr dieser Entwicklung. Ein Paradigmenwechsel. Denn Flugzeugträger sind neben ihrer militärischen Bedeutung in erster Linie ein Symbol. Sie sollen Macht demonstrieren und diese Macht in die Krisenherde dieser Welt projizieren.
Sie dienen weder zur Abschreckung von Dschihadisten in den Höhlen Pakistans oder den Bergen des Jemen – ja noch nicht einmal von vermeintlich feindlichen Staaten wie Iran, Nordkorea oder Syrien. Sie sind ein Tool aus dem Repertoire der ausgestorben geglaubten Spezies der Großmachtkriege.
Sie richten sich ausschließlich gegen: China und Russland.
Flugzeugträger sind in erster Linie ein Symbol der Machtdemonstration und zur Projektion dieser Macht in die Krisenherde dieser Welt.
Nachdem der Kriegs-Thinktank RAND Corporation im Auftrag der US-Regierung in einem 116-Seiten-Report den Krieg der USA gegen China bereits akribisch durchgespielt hat und auch die U.S. Air Force unter Trump ihre langfristige Ausrichtung weg vom „War on Terror“-Kleinklein mittlerweile hin zum Großmachtkrieg gegen China verschiebt, zieht nun auch die „Friedensmacht“ Europa mit und rüstet sich proaktiv für den 3. Weltkrieg.
Ein Blick ins Geschichtsbuch ist angebracht: Die ersten Anstrengungen eines deutschen Flugzeugträgers unternahm vergeblich die Kaiserliche Marine unter Emperor Wilhelm II. Der zweite gescheiterte Versuch sollte unter Adolf Hitler die Weltmeere für das Nazi-Imperium sichern.
Die Kanzlerin nun in einem historischen Atemzug mit Kaiser und Führer.
Die Friedensmacht Europa
Ja, auch ich glaube an die „Friedensmacht Europa“. Ich sehe vor mir, wie die Länder Europas diese Friedensmacht tatsächlich sein könnten.
Europa hat im Prinzip gute Beziehungen zu allen Akteuren im Syrienkrieg und könnte hier als ehrlicher Broker agieren.
Es könnte in der Ukraine zwischen Moskau und Washington vermitteln und die Stellung des Landes als historischen Puffer stärken, anstatt den Weg der historischen Dummheit weiterzugehen und es um jeden Preis in den Westen herüberreißen zu wollen.
Es könnte der iranophoben Kriegsachse USA-Israel-Saudi-Arabien-Emirate mit einem diplomatischen Bekenntnis zum Iran entschieden entgegentreten und die halbherzige durch eine echte wirtschaftliche Kooperation ersetzen.
Statt der Klüngelei mit den übelsten Diktatoren des afrikanischen Kontinents könnte es die absurden EU-Agrarsubventionen cutten und ihre neokolonialistische Ausbeutung in Afrika durch echte Wirtschaftskooperation ersetzen.
Es könnte seine ausgezeichneten Beziehungen sowohl nach Palästina als auch nach Israel nutzen, um auch diesen historischen Konflikt endlich anzugehen.
Es könnte von Jemen bis Kolumbien und zurück nach Syrien und Afghanistan echte Hilfs- und Kooperationsprogramme starten, die das Leben der Menschen verbessern, anstatt Profitinteressen westlicher Rüstungskonzerne zu dienen – es könnte die Menschen in diesen Ländern um Vergebung bitten, für Zerstörung und Tod, die wir in den letzten zwanzig Jahren über sie gebracht haben.
Doch anstatt auch nur einen Bruchteil von all dem zu tun, fantasiert die „Friedensmacht Europa“ vom eigenen Flugzeugträger. Was für ein Hohn, was für eine Pervertierung von Sprache. Was für ein imperialistisches Hirngespinst.
Dieser Artikel erschien zuerst auf JusticeNow!.
Kommentare 4
Lieber Herr Reimann,
so sehr ich Ihre Beiträge schätze, so ernten Sie heute von mir doch leisen Widerspruch. Ein Flugzeugträger ist als Waffensystem sicher erst einmal eine militärische Machtdemonstration. Man sollte sich aber immer vor Augen halten, wofür dieses Waffensystem tatsächlich eingesetzt werden kann. Für eine direkte militärische Konfrontatiom mit Russland oder China ist es eher nicht geeignet, wohl aber für interventionistische Aufgaben gegen Staaten, die nicht in der Lage sind, sich dagegen zu verteidigen. Flugzeugträger sind Angriffswaffen. In dieser Hinsicht ist das von den CDU-Granden befürwortete Projekt kein Paradigmenwechsel (der hat bereits 1999 mit dem Überfall auf Jugoslawien stattgefunden), sondern nur eine konsequente Fortsetzung des eingeschlagenen Kurses, mehr "Verantwortung" (sprich: Durchsetzung eigener Interessen in besagten Ländern/Regionen mit Waffengewalt) in der Welt zu übernehmen. Und ja, da stimme ich Ihnen wieder zu: Die Sprache ist wieder pervertiert und erinnert an jene vom Vorabend des II. Weltkrieges, allen voran die Sprache unserer Qualitätsmedien.
Die vielen dem Trumpel versprochenen Rüstungsmilliarden müssen ja irgendwie angelegt werden. Da kommt ein schwimmender BER gerade recht, wenn man vor einem eigenen verlustvollen Krieg scheut. Dass man unter "Sicherheit" auch soziale Sicherheit und Umweltsicherheit (Strukturwandel auf allen Ebenen) verstehen kann, kommt unseren "NATO-Strichern" natürlich nicht in den Sinn. Dabei könnte ich mit einem derartigen 2%-Ziel gut leben.
Vielen Dank für den Widerspruch, lieber Rebellierender.
Ich teile uneingeschränkt Ihre Ansicht, dass '99 ein Paradigmenwechsel war und der Flugzeugträger eine Fortführung dieser Entwicklung ist. Dennoch bin ich der Ansicht, dass dieser einen erneuten Paradigmenwechsel markiert und muss hirfür kurz ausholen:
Ich erkenne bei mir selbst, dass sich parallel zur Dokumentation und konsequenter Ablehnung all der Kriege in Middle East und der eher kurz-mittelfristigen Unternehmung, mit aller Kraft gegen den drohenden Iran-Krieg anzuschreiben, meine Aufmerksamkeit langsam aber sicher Richtung China zwar nicht eindimensional verschiebt, aber doch diversifiziert. Wenn wir nur kurz die historische Vogelperspektive einnehmen, erkennen wir recht schnell, dass "der Nahe Osten des 21. Jarhunderts" der Westpazifik sein wird (und die Arktis, aber das ist ein anderes Thema).
Das fing an mit Obamas und Clintons "Pivot to Asia"-Doktrin und der Zusage, bis 2020 jeweils 60 Prozent der US Navy und der US Air Force vor Chinas Haustür zu stationieren, und ging weiter mit Trumps angestrebter Umstrukturierung der US Air Force, von der Militärexperten von progressiv bis konservativ meinen, dass sie den mittelfristigen Shift weg vom War on Terror, hin zu Großmachtkriegen reflektiert: Wer meint, Al-Qaida & Co. mit Waffengewalt besiegen zu können, "braucht" Drohnen und Special Forces, keine neuen Bomberstaffeln.
Und der AKK/Merkel-Irrsinn eines eigenen Flugzeugträgers ist das Äquivalent dazu. Damit meine ich natürlich nicht, dass wir in 5 Jahren Krieg gegen China führen werden - und auch nicht in 25 - sondern dass wir in den Wahnsinn des alten Kalten Kriegs zurückkehren, in der die Welt von Rüstungsexzessen, Drohgebärden und Containment dominiert wird - und der permanenten Gefahr eines Dritten Weltkriegs. Und da mir meine politische Glaskugel für die Mitte des 21. Jahrhunderts ebendiese Entwicklung prognostiziert - das Lesen des oben erwähnten 116-Seiten RAND-Papiers oder Bücher von Schachbrett-Neorealisten wie Brzezinski oder Mearsheimer tragen ihren Teil dazu bei -, warne ich davor und schreibe dagegen an.
Beste Grüß und Cheers!
PS, Lesetipps: Diese Vogelperspektive der US-Hegemonialpolitik habe ich ausfürlich in "Kein Hegemon neben mir!" behandelt und die Entwicklungder US Air Force in Die U.S. Air Force rüstet sich für den Krieg gegen Russland und China
so perpetuiert sich hilfloser anti-militarismus:
mit dreist-einseitiger, fehlerhafter kritik an waffen-systemen
(carrier können ebenso dienen der überwachung/sicherung
von see-wegen)
beiben die politiker/militärs, die bei uns im namen der wähler
waffen einsetzen(zu kriegerischen oder verteidigungs-mitteln)
außen vor.
die in der bevölkerung weit-verbreiteten ängste gegen un-sicherheiten,
gewaltsame erpressungen, die sehnsucht nach
ausgeglichenem frieden fallen unter den tisch
derer, die sich mit horror-szenarien:
un-entbehrlich und wichtig machen wollen.
und als alternativen zu gewaltsamkeiten auf dem globus
pony-hof-illusionen propagieren.