Eine illegale Siedlung als Geschenk

Völkerrechtsverletzungen Ein großes Geschenk: Für Trumps Anerkennung israelischer Souveränität über die syrischen Golanhöhen schenkt Netanjahu ihm eine neue illegale Siedlung mit seinem Namen.

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Während zu Ostern Kinder Süßigkeiten sammeln und im jüdischen Pessach-Fest mit vier Gläsern Wein der göttlichen Verheißungen erinnert wird, berauschen sich dieser Tage die Mächtigen dieser Welt auf ganz andere Weise und beschenken sich mit schwerer verdaulicher Kost als Schokoosterhasen.

Völkerrechtsbruch als zeremonieller Pomp

Am 21. März kündigte US-Präsident Donald Trump – auf Twitter, wo sonst? – an, es sei „an der Zeit, dass die Vereinigten Staaten die Souveränität Israels über die Golanhöhen uneingeschränkt anerkennen!“ (JusticeNow! berichtete).

Gemeint ist der 1967 im Sechstagekrieg von Israel eingenommene und seit 1982 illegal annektierte Landstrich im Südwesten Syriens, der neben vitalen Wasserquellen und Ölvorkommen vor allem wegen seiner geostrategischen Lage im Vierländereck Jordanien-Israel-Syrien-Libanon von zentraler Bedeutung für die israelische Regierung ist. Genau heute vor einem Monat setzte Trump seine Ankündigung schließlich in die Tat um und unterzeichnete – nach einer „kurzen Geschichtsstunde“ durch seine Berater, was die Golanhöhen denn überhaupt sind – in Washington zusammen mit Ehrengast Benjamin Netanjahu die entsprechenden Dokumente.

Trump und Netanjahu sagen auf der Veranstaltung Liebeslieder aufeinander. Mit Jared Kushner, John Bolton und Mike Pompeo war die Riege der bedingungslos pro-israelischen Hardliner-Falken komplett. Alle Anwesenden hatten sichtlich Spaß, gewiss wurden Drinks und Häppchen gereicht: Völkerrechtsbruch zum zeremoniellen Pomp aufgeblasen.

Völkerrechtswidrig, da selbstverständlich nicht nur Israels Annexion selbst illegal ist, sondern auch Trumps Anerkennung das Völkerrecht bricht; genauer: ein Bruch einer Resolution des UN-Sicherheitsrat aus dem Jahre 1981 darstellt. Die damals von der Reagan-Regierung mitgetragene Resolution 497 erklärt Israels Annexion des Golan für „null und nichtig […] und ohne internationale rechtliche Wirkung.“

Doch was kümmert einen Donald Trump schon dieses Völkerrecht?

Ein Geschenk für den Narzissten

Am Dienstag meldete sich Israels Premier Netanjahu per Videobotschaft von den Golanhöhen (zum Pessach-Fest machte die Netanjahu-Familie einen Ausflug auf den Golan: Völkerrechtsbruch als Familienspaß). „Alle Israelis waren tief berührt“ von Trumps „historischer Entscheidung, Israels Souveränität über die Golanhöhen anzuerkennen“, so Netanjahu in seinem windigen Video. Er verkündete seinen Plan, eine „neue Community“ (Euphemismus für illegale Siedlung) auf den Golanhöhen nach Donald Trump zu benennen.

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Dies ist genau nach dem Geschmack des krankhaft narzisstischen US-Präsidenten: Einem Mann, der anstatt Geheimdienst-Briefings zu lesen, zweimal am Tag eine 25-Seiten-Mappe erhält, in dem für ihn schmeichelhafte Tweets und Fernsehbeiträge oder einfach nur Trump-Fotos zusammengetragen sind, ist es wohl das größte Streicheln seines erbärmlichen Egos, auf dem Eingangsschild einer neuen illegalen Siedlung auf dem Golan in fetten Lettern TRUMP stehen zu sehen. Netanjahu weiß genau, welche Knöpfe er beim so leicht durchschaubaren Trump drücken muss und schleift ihn erneut am Nasenring durch die Manege der internationalen Politik.

Netanjahus privater Santa Claus

Trumps Golan-Entscheidung ist bei weitem nicht das erste Geschenk, das der US-Präsident seinem israelischen Counterpart auf dem Silbertablett überreichte. Die bislang erfüllten Punkte von Netanjahus langer Wunschliste umfassen:

  • Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt
  • Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem
  • Ausstieg aus dem Iran-Nuklearabkommen
  • präzedenzlose Sanktionen gegen den Iran
  • Schutz Israels vor Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs wegen der Exekution Hunderter Palästinenser am Gaza-Zaun
  • Streichung von Zahlungen über mehrere Hundert Millionen US-Dollar an das UNRWA-Werk für palästinensische Flüchtlinge
  • offene Kriegshandlungen gegen iranische Truppen in Syrien
  • Anerkennung israelischer Souveränität über die Golanhöhen
  • Designierung eines Teils des iranischen Militärs (IRGC) zur Terrororganisation
  • Sanktionen gegen die libanesische Hisbollah

Die israelische Zeitung Haaretz findet die treffende Bezeichnung für die Beziehung der beiden: Trump ist Netanjahus „eigener privater Santa Claus – das ganze Jahr über.“

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Netanjahu und sein "privater Santa Claus" bei den Vereinten Nationen 2017.

Und diese Liste ist gewiss nicht erschöpfend. Auch Netanjahu erkennt die reale Gefahr, dass Donald Trump entweder regulär durch die Wahl 2020 oder vorher durch Impeachment aus dem Oval Office entfernt wird – und greift in Trumps Schlaraffenland alles ab, was geht, bevor die Zeiten, in denen Besatzungs-Milch und Apartheids-Honig fließen, auf unbestimmte Zeit vorbei sind.

Der Golan als Testlauf

Die Golanhöhen sind das Vorgeplänkel auf das, was mit ziemlich hoher Sicherheit kommen wird: Die formale Annexion des Westjordanlands durch Israel. Oder zumindest der 61 Prozent der Fläche umfassenden Area C. Genau das kündigte Netanjahu vor der Wahl im April an.

Die Golanhöhen waren de facto der Testlauf für das Westjordanland und die kriminelle Achse Trump-Netanjahu kann hochzufrieden sein: Zwar gab es nach der Golan-Entscheidung in den weltweiten Medien zarte Stimmen der Kritik, doch suchte ich vergebens nach unmissverständlichen Worten der völkerrechtlichen Verurteilung: Allein die Golan-Frage macht Netanjahu nach den Genfer Konventionen und der UN-Charta zum Kriegsverbrecher und Trump zum Komplizen in Kriegsverbrechen. Doch längst wird die nächste Sau durchs mediale Dorf getrieben – internationale Politik lebt immer auch von der kollektiven Amnesie von uns allen. Auch die Reaktion vonseiten der Politik, besonders aus Europa, hätte irrelevanter und im Ergebnis kriecherischer kaum sein können.

Und sollte Netanjahu sein Wahlversprechen tatsächlich umsetzen und das Westjordanland formal annektieren, ist ein Szenario, in dem Trump nicht Netanjahus Cheerleader und Partner-in-Crime spielt, nur schwer vorstellbar. Als Sequel der 25.-März-Zeremonie wird Netanjahus privater Santa Claus auch diesen Schritt mitgehen und Israels Souveränität über das Westjordanland anerkennen.

Als Dankeschön gibt es dann bestimmt eine nigelnagelneue Trump-Siedlung im biblischen Palästina.

Dieser Text erschien zuerst auf JusticeNow!.

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Geschrieben von

Jakob Reimann

Auf meinem blog justicenow.de setze ich mich kritisch mit den Themen Kapitalismus, Krieg und Rattenschwanz auseinander. Herrschaftsfrei, gewaltfrei!

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