Rüsten für den Krieg gegen Russland und China

U.S. Air Force Trumps Staatssekretärin Heather Wilson kündet die größte Expansion der Luftstreitkräfte seit Ende des Kalten Krieges an – eine Fokusverschiebung hin zu Großmachtkriegen.

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Am Montag vergangener Woche legte Heather Wilson – seit Mai 2017 Trumps leitende Staatssekretärin der U.S. Air Force – auf der jährlichen Space & Cyber Conference des weltweit tätigen US-Thinktanks Air Force Association den neuen Fahrplan der Trump-Regierung für die US-Luftstreitkräfte dar: die historische Expansion der U.S. Air Force.

Wilson identifizierte gleich zu Beginn ihrer 30-minütigen Rede den vermeintlichen Kontext der neuen expansionistischen Entwicklungen – Russland führe auf eigenem Boden die größte Militärübung seit vier Jahrzehnten durch, China habe seinen ersten einsatzfähigen Flugzeugträger in den Pazifik entsandt und militarisiere aggressiv das Südchinesische Meer – und offenbarte somit zugleich das alte Dilemma globaler Sicherheitspolitik: des Einen Offensive ist des Anderen Defensive, und umgekehrt. Es ist schlicht irreführend, Moskaus jüngstes Verhalten außerhalb des Kontexts jahrzehntelanger NATO-Osterweiterung und des größten Aufmarschs von NATO-Truppen an Russlands Grenzen seit Ende des Kalten Krieges, oder Pekings Verhalten außerhalb des Kontexts jahrzehntelanger extremer militärischer Einkreisung Chinas durch die USA, inklusive Hochrüstung Japans zur US-Militärkolonie und der 130.000 Seeleute umfassenden US-Pazifikflotte, bewerten zu wollen.

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US-Staatssekretärin für die U.S. Air Force Heather Wilson.

Die größte Hochrüstung seit Ende des Kalten Kriegs

Staatssekretärin Wilson erklärte, die U.S. Air Force werde im Zeitfenster 2025-2030 ihr derzeitiges Kontingent an operativen Fliegerstaffeln von 312 auf 386 ausbauen, was einer Erhöhung um 25 Prozent entspricht – und damit der größten Hochrüstung der Air Force seit dem Ende des Kalten Kriegs.

Eine Staffel umfasst zwischen zwölf und 24 Flugzeugen, Wilsons Aufstockung entspricht damit weit über 1.000 neuen Bombern, Kampfjets und Drohnen sowie Aufklärungs- und Tankflugzeugen. Rund 25 Milliarden US-Dollar werden auf das jährliche Air-Force-Budget aufaddiert, auch wird nicht weniger als 40.000 zusätzliches Personal benötigt, womit die Trump-Regierung den Trend der „drastischen Reduzierung der vergangenen Jahre“ umkehrt, wie Military.com einschätzt.

Foreign Policy erhielt exklusiven Einblick in die Zusammensetzung der 74 neuen Staffeln. Der prozentual größte Zuwachs unter den verschiedenen Fliegerstaffeln – die Wilson martialisch als „die geballte Faust amerikanischer Entschlossenheit“ bezeichnet – entfällt auf die Bomberstaffeln: Flugzeuge also, die mit Nuklearwaffen bestückt werden können und in erster Linie der Zerstörung stationärer Ziele wie Gebäude oder anderer massiver Infrastruktur, nicht aber mobiler Kampfeinheiten dienen – was als Verschiebung des strategischen Fokus hin zu Kriegen gegen Nationen, nicht gegen Terrorgruppen interpretiert wird. Ebenso kommt es zu einer massiven Erhöhung der Zahl von Betankungsflugzeugen, wie sie in Unterstützung des illegalen Kriegs Saudi-Arabiens gegen die Zivilbevölkerung des Jemen eingesetzt werden, der über die endlosen Wüsten der Arabischen Halbinsel hinweg ohne US-Luftbetankung faktisch unmöglich wäre.

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Die Bomberstaffeln erhalten den prozentual größten Zuwachs. Bomber wie dieser mit Nuklearwaffen bestückbare B-2A Spirit dienen in erster Linie der Zerstörung stationärer Ziele wie Gebäude und anderer Infrastruktur.

Ein zentrales Thema von Wilsons Rede ist weiterhin ein Projekt, welches Donald Trump zunächst als privaten Scherz verstand, es dann jedoch recht schnell als medial griffiges Schlagwort – ähnlich seiner Mauer nach Mexiko oder seinem Muslim Ban – erkannte, das an seiner Basis hervorragend ankam und so dem Wahlkampf diente.

Donald Trumps Space Force

Im März machte Trump dieses Projekt schließlich offiziell: er nahm die Schaffung einer „Space Force“ in die US-Strategie zur Nationalen Sicherheit auf. „Der Weltraum ist ein Kriegsschauplatz, genau wie Land, Luft und See.“, so Trump am 13. März, obwohl sich das Weiße Haus, die U.S. Air Force sowie Verteidigungsminister James Mattis in er Vergangenheit vehement gegen diesen Vorstoß aussprachen, während Trumps Vizepräsident Mike Pence hingegen erklärt, „Wir müssen amerikanische Dominanz im Weltraum erlangen.“

„Hiermit weise ich … das Pentagon an, sofortige Schritte zur Einrichtung einer Space Force als sechsten Zweig der US-Streitkräfte einzuleiten“, so Trump nach Unterzeichnung eines entsprechenden Präsidialdekrets am 18. Juni, obwohl sich Verfassungsrechtler und Militärexperten einig sind, dass die Schaffung eines gänzlich neuen Zweigs des US-Militärs durch den US-Kongress angewiesen werden müsse.

Space Force all the way!

— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 9. August 2018

Auch Air-Force-Staatssekretärin Heather Wilson kündigte in ihrer Rede vergangene Woche die Schaffung des neuen „Space Department“ an. „Wir können den Weltraum nicht länger als Selbstzweck verstehen – er ist eine Kriegsmission.“, so Wilson vor einem Saal applaudierender Militärs. „Wir arbeiten an einem Kampfkommando … das auf unsere Weltraumoperationen den Fokus des Krieges legt.“ Ein von Reuters gesichtetes Pentagon-Papier erklärt, Trumps Space Force werde noch vor Ablauf dieses Jahres geschaffen.

Trumps Space Force ist aus Sicht des Völkerrechts mehr als bedenklich: Die USA sind zusammen mit 106 anderen Staaten Teil des sogenannten Weltraumvertrags, der bereits im ersten Satz seines Vertragstextes die „Erforschung und Nutzung des Weltraums zu friedlichen Zwecken“ festschreibt. Zwar ist die Militarisierung mit konventionellem Gerät nicht per se verboten, doch untersagt Art. IV des Weltraumvertrags die Stationierung von „Kernwaffen oder anderen Massenvernichtungswaffen“ sowie jegliche militärische Nutzung des Mondes und anderer Himmelskörper. Trumps Space Force ebnet den Weg hin zu ebendiesen katastrophalen Szenarien, die der Weltraumvertrag 1967 im eliminatorischen Umfeld des Kalten Krieges so unmissverständlich zu unterbinden suchte.

Neue Kampfjets an Russlands Grenzen

In den letzten Jahren vollzog die NATO an ihrer Ostflanke zur russischen Grenze die größte Truppenstationierung seit der Endzeit des Kalten Krieges in den 1980er Jahren. Auf Drängen der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wird für diesen Zweck in Deutschland ein neues NATO-Hauptquartier eingerichtet; mit der Etablierung des „Military Schengen“ soll die rasche Truppenverlegung in Europa gewährleistet werden. Im Rahmen dieser sich zuspitzenden Militarisierung des europäischen Kontinents fährt auch die U.S. Air Force ihre Präsenz vor Russlands Haustür massiv hoch.

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Auf Drängen von Ursula von der Leyen wird in Deutschland ein neues NATO-Hauptquartier eingerichtet, um den NATO-Truppentransport an Russlands Grenzen koordinieren zu können. Hier mit James Mattis, der als US-Verteidigungsminister die Verantwortung für die historische Expansion der U.S. Air Force trägt.

In sämtlichen NATO-Ländern Osteuropas investiert die Air Force Multimillionen-Dollar-Beträge in den Ausbau ihrer Luftwaffenstützpunkte – mehr als 50 Millionen US-Dollar fließen hierbei nach Ungarn, mehr als 60 Millionen in die Modernisierung zweier Air-Force-Basen in Rumänien, mit mehr als 100 Millionen werden zwei Basen in der Slowakei hochgerüstet – der Großteil stets explizit kriegsrelevante Investitionen wie neue Hangars für Kampfjets oder Treibstoff- und Waffenlager. Neben Hunderten Soldaten entsandte die U.S. Air Force jüngst auch mehrere Dutzend neuer Kampfjets allein nach Rumänien, darunter zwölf mit radioaktiv verseuchter Uranmunition bewaffneter A-10 Thunderbolts, besser bekannt als „Warzenschweine“. Und nachdem die Air Force bereits seit Monaten in Polen Reaper-Kampfdrohnen stationiert hat, werden diese aller Wahrscheinlichkeit nach demnächst auch von Rumänien aus starten.

Sowohl die exzessive Stationierung von Luftstreitkräften in Osteuropa als auch der Aufbau von Trumps Space Force, sowie die historische, langfristig angelegte Hochrüstung der U.S. Air Force insgesamt spiegeln eine tendenziell einsetzende Abkehr von der „War on Terror“-Doktrin der vergangenen 17 Jahre wider: eine allmählich schwindende Relevanz der Kleinkriege gegen Al-Qaida, Taliban, ISIS & Co., auch sind Nordkorea, Iran oder Syrien nicht die potentiellen Targets der strategischen Neuausrichtung.

Die historische Aufrüstung der U.S. Air Force – so sind sich Militärexperten einig – reflektiert eine Fokusverschiebung in der Militärdoktrin des US Empire hin zu Großmachtkriegen im 21. Jahrhundert: Kriege gegen Russland oder China.

Kein Hegemon neben mir!

Es ist eines der grundlegenden Motive strategischer Geopolitik, dass das gegenwärtige Imperium zum Erhalt seiner globalen Macht, den Aufstieg anderer regionaler Hegemonen um jeden Preis verhindern muss – insbesondere in den drei geostrategischen Kernregionen Ostasien, Persischer Golf und Europa. Dies ist der Grund, warum die USA gegen Nazi-Deutschland und das imperiale Japan in den Krieg zogen und letzteres in eine bis heute bestehende Militärkolonie verwandelten, dessen eigene Armee auch 73 Jahre nach Kriegsende noch unter Washingtons Kommando steht, warum die NATO als Tool der USA Europas Armeen militärisch kontrolliert und sich unaufhörlich an Russlands Grenzen hin osterweitert, warum Saddam gestürzt und Saudi-Arabiens Militär in US-amerikanische Abhängigkeit gebracht wurde, warum gegenwärtig der Krieg gegen den Iran vorbereitet wird – und warum das US Empire in 172 Ländern dieser Welt 240.000 Soldaten stationiert hat.

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China als Imperium in den Kinderschuhen ist hingegen ein gänzlich anderes Kaliber als die eben Genannten Möchtegern-Hegemonen. Washingtons Eindämmungspolitik mag eine zeitlich aufschiebende Wirkung haben, ist in letzter Konsequenz jedoch irrelevant: China wird in naher Zukunft zum Regionalhegemon in Ostasien aufsteigen und in den nächsten Jahrzehnten schließlich die USA als einzige Supermacht auf dem Planeten ablösen.

Das 21. Jahrhundert ist das chinesische, nicht das US-amerikanische.

Dieser Übergang kann entweder friedlich vonstattengehen – oder potentiell in Form des Dritten Weltkriegs. Die Staatssekretärin der U.S. Air Force Heather Wilson hat letzte Woche mit ihrer Grundsatzrede erneut klargemacht, auf welches Szenario Washington hinarbeitet.

Dieser Artikel erschien zuerst auf JusticeNow!.

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Geschrieben von

Jakob Reimann

Auf meinem blog justicenow.de setze ich mich kritisch mit den Themen Kapitalismus, Krieg und Rattenschwanz auseinander. Herrschaftsfrei, gewaltfrei!

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