Die „8,9 Prozent“, die manch ein Pirat mittlerweile auf dem T-Shirt trägt, sind im Saarland eher nicht in Sicht. Dass die Piratenpartei bei der Landtagswahl am Sonntag ein Ergebnis erzielt, das heranreicht an den Erfolg bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im September – daran glauben wohl nicht einmal die optimistischsten Mitglieder. Doch rechnet sich Spitzenkandidatin Jasmin Maurer immerhin sechs bis sieben Prozent aus. Und damit sorgen die Piraten dann doch noch für etwas Spannung im Langweiler-Wahlkampf an der Saar.
Denn eigentlich wirkt die Neuwahl nach dem Scheitern der Jamaika-Koalition unter Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wie ein abgekartetes Spiel: Das Ergebnis und die Bildung einer Großen Koalition scheinen bereits festzustehen. Das Abschneiden der Politneulinge indes hat nicht nur für die Piraten selbst strategische Bedeutung. Das Saarland ist nicht Berlin, was die – vermeintliche – Wählerschicht der Piraten angeht. Die Bevölkerung des südwestlichsten Zipfels der Republik ist im Durchschnitt älter; der Anteil der Studenten an der Gesamtbevölkerung ist in der Hauptstadt doppelt so hoch wie im kleinsten westdeutschen Flächenland. Dort können die Piraten also erstmals beweisen, dass sie auch „draußen im Lande“ eine echte Basis finden.
Tektonische Verschiebungen
Die „kleine Bundestagswahl“, wie Cem Özdemir sie neulich nannte, findet zwar erst am 13. Mai statt – wenn die Bürger in Nordrhein-Westfalen einen neuen Landtag wählen. Die tektonischen Verschiebungen in der politischen Landschaft, die sich momentan auf Bundesebene andeuten, lassen sich aber auch im Saarland beobachten: Viele Möglichkeiten gibt es dort nicht mehr.
Die FDP dümpelt in Umfragen bei zwei Prozent, und sie hat an der Saar auch niemanden, mit dem sie Hoffnung auf den einen oder anderen zusätzlichen Prozentpunkt verbinden könnte – keinen wie Christian Lindner, der die FDP in den Wahlkampf in NRW führt. Die Grünen sind im Saarland ebenfalls schwach – Demoskopen taxieren sie bei fünf Prozent. Selbst wenn sie in den Landtag einziehen, wird es für Rot-Grün nicht reichen. Ein Bündnis mit der Linkspartei schließlich hat SPD-Landeschef Heiko Maas bereits ausgeschlossen: Sie sei „nicht regierungsfähig“, verkündete er. Er bezieht dies vor allem auf die haushaltspolitischen Forderungen der Linken, die die Schuldenbremse ablehnt.
Bleibt also eine Große Koalition. Gewählt wird nun vor allem, wer diese anführt. Das immerhin bleibt umkämpft: Die jüngsten Umfragen sehen die Sozialdemokraten gleichauf mit der Union, bei jeweils 34 Prozent (Forschungsgruppe Wahlen) respektive 33 Prozent (Infratest dimap). Heiko Maas oder Annegret Kramp-Karrenbauer? Die Frage dürfte für die Parteien, aber auch für die Karriere der Kandidaten das Entscheidende sein. Für die inhaltliche Ausrichtung der Koalition aus SPD und CDU bedeutet es dagegen wenig.
Wenig konkrete Erfolge
Erhält die SPD mehr Stimmen als die CDU, schafft Maas den Sprung an die Regierungsspitze – nach fast 13 Jahren Opposition für die Sozialdemokraten. Falls Kramp-Karrenbauer gewinnt, muss Maas, wenn er Wort hält, als Juniorpartner in die Große Koalition ziehen. Dann allerdings muss er seiner Partei auch erklären, warum er diesen Schritt geht, ohne mit der Linken auch nur zu sondieren. Leicht wird das nicht: Die Saar-SPD gilt als linker Landesverband, nicht alle in der Partei sind einer rot-rot-grünen oder rot-roten Koalition abgeneigt.
Die Piraten standen in den Umfragen zuletzt bei sechs Prozent – die Fünf-Prozent-Hürde scheint damit so gut wie geknackt. Klappt der Einzug ins Landesparlament tatsächlich, hätte die Partei bewiesen, dass sie auch im ländlichen Raum, jenseits der virtuellen Boheme, punkten kann und dass sie schnell reagieren kann. Auf dem jüngsten Bundesparteitag im Dezember glaubte man noch, im Mai erstmals in Schleswig-Holstein in einem Flächenland bestehen zu müssen. Als Kramp-Karrenbauer die Koalition im Januar aufkündigte, traf das die Piraten wohl genauso unvorbereitet wie die FDP, die gerade dabei war, bei ihrem Dreikönigstreffen den Neuanfang einzuleiten.
60 Tage müssen reichen
In einen Zeitraum von 60 Tagen musste der Termin für die Neuwahlen fallen, so schreibt es die Landesverfassung vor. 60 Tage hatten also auch die Piraten, den Wahlkampf zu organisieren. Gerade einmal um die 350 Mitglieder haben sie im Saarland. Sollten sie in den Landtag einziehen, zeigt das auch, wie mobilisierungsfähig die Partei ist. Es beweist darüber hinaus, dass sie mittlerweile bundesweit stark genug aufgestellt ist, um aktiv Politik zu gestalten. Und diszipliniert genug, sich ein Parteiprogramm zu verpassen, wenn auch im Schnelldurchlauf. Das alles sind wichtige Säulen des Erfolgs auch für die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Mai.
Allerdings: Auf die bisherige Arbeit der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus ließe der Erfolg sich wohl nicht zurückführen. In der Probezeit, den ersten hundert Tagen im Parlament, hat man von den Hauptstadt-Piraten nicht allzu viel gehört. Und wenn doch, dann ging es um Querelen zwischen den Mitgliedern, Erpressungsversuche und Nötigung und um fragwürdige Äußerungen einzelner Personen. Bundesweit konnte die Partei in Debatten kaum Akzente setzen. Piraten-Wähler transportieren mit ihren Stimmen nach wie vor oft die eher vage Sehnsucht nach einer neuen Politikform. Möglicherweise sichert gerade das der Partei den Erfolg.
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