On the road (again)

Folk Heute erscheint das neue Album von Bob Dylan. Und das neue Album der Indierock-Band Two Gallants. Der lässige Altmeister, die jungen Wilden: was die Künstler eint

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Zunächst konnte Bob Dylan nicht sehr viel anfangen mit James Joyce. „Ich verstand nur Bahnhof“, schreibt er in seiner Autobiografie über Ulysses, den bedeutendsten Roman des irischen Schriftstellers. Joyce habe auf ihn wie der arroganteste Mensch aller Zeiten gewirkt. „Er ging mit offenen Augen durch die Welt und konnte sich hervorragend ausdrücken, aber was er schrieb, blieb mir schleierhaft.“ In der Szene beschreibt Dylan, wie Archibald MacLeish ihn bittet, Songs für sein Theaterstück zu schreiben. Das muss im Jahr 1971 gewesen sein.

Ganze 31 Jahre später gründen Adam Stephens und Tyson Vogel, die sich seit Kindesjahren kennen, in ihrer Heimat San Francisco eine neue Band. Beide lesen zu diesem Zeitpunkt Dubliners, eine Geschichtensammlung von – James Joyce. Nach einer seiner Kurzgeschichten benennen sie sich: Two Gallants.

Heute, am selben Tag, erscheinen neue Alben der Künstler: Tempest von Dylan, The Bloom and the Blight von den Two Gallants. Auf den ersten Blick haben die beiden Interpreten wenig gemein: Hier der ziemlich lässige Altmeister, da die Band, jung und wütend. Dylan, um dessen Person immer der größte Kult veranstaltet wird. Die Two Gallants, die nur als Band funktionieren. Weil Sänger und Gitarrist Adam Stephens ohne das virtuose Schlagzeugspiel von Tyson Vogel wie ein gewöhnlicher Singer/Songwriter klänge.

Wie von Dylan oder Cash

Doch Dylan und die Two Gallants eint mehr als sie trennt. Natürlich ist es überflüssig festzustellen, dass Dylan auf irgendeine Art die Two Gallants beeinflusst hat – beeinflusst hat er sie schließlich alle. Vielleicht ist es bei den Two Gallants aber anders. Vielleicht sind sie nicht nur einfach von Dylan beeinflusst, sondern gehören zu seinen wenigen legitimen Nachfolgern. (Immerhin gibt es Spekulationen darüber, dass Tempest Dylans letztes Album sein soll, weil es heißt wie Shakespeares letztes Theaterstück. Er möchte davon nichts wissen.)

Die Two Gallants (die sich übrigens britisch aussprechen, mit zwei langen „a“) können Geschichten erzählen, wie sie seinerzeit Johnny Cash oder eben Bob Dylan erzählt haben. Und man nimmt sie ihnen auch noch ab.

Nicht unbedingt Stoff für Popsongs heutzutage: unerwiderte Liebe, Mord, Gefängnis. Und natürlich: das ständige Unterwegssein. Der Song Steady Rollin‘ der Two Gallants atmet in jeder Zeile den Geist der Bücher Jack Kerouacs, die auch Dylan so verehrte. Dylan und die Two Gallants haben wohl auch die gleichen Einflüsse gehabt. Die gleichen Musiker, aber auch die gleichen Schriftsteller und die Ganoven ihrer Werke, die gleichen Reisen, Länder und Landstraßen.

Jazzig und beschwingt

Das neue Two-Gallants-Album beginnt, wie man es von ihnen erwartet, staubig und trocken, mit verzerrter Gitarre und Rückkopplung. Doch längst nicht das gesamte Album klingt hart wie der Opener Halcyon Days. Das zweite Stück, Song of Songs, ist ein schöner Popsong, zu Beginn ungewohnt fröhlich und melodiös. Neu ist auch, dass nun fast alle Lieder der Band Formatradiolänge haben – keine ausufernden Epen wie Threnody in minor B von ihrem Album What the toll tells aus dem Jahr 2006 also.

Auch der Song Willie ist kurz – aber schön. Stephens sing ihn näselnd und krächzend. Im Video zur aktuellen Single Broken Eyes hat Sänger Adam Stephens sich zusätzlich zur Gitarre die Mundharmonikahalterung umgehängt.

Von Dylans neuem Album war im Voraus leider nicht viel zu hören. Die wunderbare Singe Duquesne Whistle zumindest hätte auch auf einem seiner jüngsten drei Alben erschienen sein können: ein Ragtime, jazzig und beschwingt. Dazu ein unterhaltsames Musikvideo. Bob Dylan scheint ziemlich im Reinen mit sich zu sein. Wahrscheinlich hat er seinen Frieden gemacht. Mit sich. Und mit James Joyce. Im April 2009 erschien sein jüngstes Album, Together through life. Darauf sang er: „I'm listening to Billy Joe Shaver / And I'm reading James Joyce / Some people they tell me / I got the blood of the land in my voice.”

Bob Dylan - Duquesne Whistle

Die Rechte des verwendeten Bildes der Two Gallants liegen bei http://www.flickr.com/photos/_fxr Lizenz: CC BY 2.0

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Geschrieben von

Jakob Rondthaler

Online-Redakteur, Blogger

Jakob Rondthaler

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