Was gibt es über eine Medienfigur wie Joschka Fischer noch zu sagen, welche Bilder noch zu zeigen? Der Filmemacher Pepe Danquart versucht mit seiner Dokumentation Joschka und Herr Fischer nicht erst den Eindruck zu erwecken, einen ganz neuen Joschka Fischer zeigen zu können.
Dabei fehlen die ikonischen Motive nicht – Danquarts Film zeigt auch die Vereidigung als Minister in Turnschuhen oder den Farbbeutelbewurf auf dem Bielefelder Parteitag. Neu ist der Ansatz, Fischer im Rahmen einer eigens aufgebauten Videoinstallation mit den Bildern von sich selbst zu konfrontieren und dessen Reaktionen zum Sujet des Filmes zu machen.
"Joschka und Herr Fischer" auf arte
Das hat bei einer routinierten Mediengestalt wie Fischer etwas – unfreiwillig? – Museales, auch weil Fischer freimütig über Emotionen und Fehler redet, die sich problemlos eingestehen lassen. „Ich habe alles falsch gemacht, was man falsch machen kann“, resümiert er etwa die Zeit seines ersten Ministeramtes. Als die Tür zu seinem neuen Büro zufiel, habe er sich wie ein „gefangenes wildes Tier“ gefühlt. Tatsächlich wirkt er auf den Bildern jener Tage seltsam verloren.
Entlang von Fischers Biografie hat Danquart auch einiges aufgetrieben, was bislang nur selten gesehen wurde: Anders als beim ironisch gemeinten Zusammenschnitt von strickenden Parteitagsbesuchern, hat man bei den Super-8-Aufnahmen aus Fischers Heimatstadt Gerabronn in Baden-Württemberg das Gefühl, etwas über das Milieu, aus dem Fischer kommt, zu erfahren. Gerade in den frühen Jahren erzählt Danquart nicht nur Fischers Geschichte, sondern Pars pro Toto die einer ganzen, aufbegehrenden Nachkriegsgeneration.
Selbstbeschau
Mit optisch abgehobenen Exkursen, die von prominenten Zeitgenossen thematisch unternommen werden, soll ein Gegengewicht zu Fischers Selbstbeschau hergestellt werden: Die Interviewpartner wie Hans Koschnick oder die Band Fehlfarben reden mitunter gar nicht über Fischer, sondern über die Nachkriegszeit und das Missverständnis mit dem Hit Ein Jahr (Es geht voran). Das irritiert zum Teil, etwa wenn die Schauspielerin Katharina Thalbach sich an ihre DDR-Sozialisation erinnert. Grundsätzlich sind die Ausführungen in den rund 140 Filmminuten aber eine willkommene Auflockerung; auch weil man hier auf anekdotische Art etwas über die persönlichen Momente hinter den nachlesbaren Fakten erfahren kann. Daniel Cohn-Bendit erklärt, dass er mit seiner „bourgeoisen“ Vorliebe für Austern in der deutschen Studentenbewegung auf Ablehnung stieß.
Es ist dem Film Joschka und Herr Fischer anzumerken, dass Danquart eine große Nähe zum Thema und zu seinem Protagonisten hat, dass der renommierte Filmemacher (Höllentour, Am Limit) in der Lebensgeschichte Fischers Aspekte seiner eigenen Biografie wiedererkennt. Kritik muss der erste grüne Außenminister folglich kaum fürchten. Der umstrittene Kosovo-Krieg ohne UN-Mandat und die Auseinandersetzung darüber wird zwar durchaus thematisiert, dezidiert kritische Stimmen kommen dabei aber inhaltlich nicht vor, sondern treten lediglich als Farbbeutel-Werfer, „Buh-“ und „Verräter“-Rufer im Archivmaterial in Erscheinung. Danquart will sich aber auch gar nicht als neutraler Vermittler begreifen: „Ich habe noch nie Sinn darin gesehen, zu jeder Position auch eine Gegenseite zu Wort kommen zu lassen, um Ausgewogenheit zu simulieren. Ich bin gegen diese fadenscheinige Behauptung von Objektivität.“
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