Chemisches Echo

Kolonialismus/Klimakrise Über Zusammenhänge zwischen Kolonialismus und Klimakrise sprachen Imeh Frieda Ituen und Joshua Kwesi Aikins im Kreuzberger Südblock

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Über Zusammenhänge zwischen Kolonialismus und Klimakrise sprachen Imeh Frieda Ituen (Mitte) und Joshua Kwesi Aikins (rechts) gestern Abend im Aquarium des Kreuzberger Südblocks im Rahmen der Reihe „Schwarze Perspektiven“.

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Von allen Bildern des Grauens, die Joshua Kwesi Aikins in seiner Widerstandspoetik zusammenfasst, ist dies das stärkste: In atlantischen Tiefen lässt sich das chemische Echo einer mörderischen Praxis feststellen. Im Zuge millionenfacher Deportationen afrikanischer Sklav*innen fanden unzählige Hochseemorde statt. Das Meer bestattete sie. Der Tod hallt nach in organischen Prozessen.

Als mythische Konstante des ozeanischen Transfers ging das Echo in die Literatur ein. Ich weiß nicht mehr, wo ich das gelesen habe, aber das Sujet pendelnder Freier, die sich vor der Flugzeugära auf den Routen der Sklavenschiffe den Schmerz der Ahnen zwischen den Kontinenten vergegenwärtigen mussten, hat mich schon einmal mitgenommen.

Aus der Ankündigung

Klimawandel ist endlich zu einem Kernthema aktueller politischer Debatten avanciert - angesichts der katastrophalen Auswirkungen des westlichen und westlich inspirierten Lebensstils ist es höchste Zeit, sich kritisch und lösungsorientiert damit auseinanderzusetzen. Doch es gibt eine Leerstelle in der aktuellen Debatte: Die Rede vom "menschengemachten" Klimawandel, vom "Anthropozän" etc. tut so, als seien alle Menschen gleichermaßen verantwortlich und gleichermaßen von den Folgen des Klimawandels betroffen. Doch beides ist nicht der Fall: ein Blick auf Verursacher*innen und Betroffene offenbart, dass Rassismus Geschichte und Gegenwart des Klimawandels maßgeblich beeinflusst. Von den Klimafolgen des Genozids in Südamerika zu Beginn der Kolonisierung bis hin zu den kolonialen Kontinuitäten der imperialen Lebensweise, Schwarze Menschen und PoC im Globalen Süden, aber auch im Globalen Norden, sind disproportional von Umweltverschmutzung und Klimwandelfolgen betroffen. In der Externalisierung von Umweltkosten in den Globalen Süden bei der gleichzeitigen Konzentrierung von Gewinnen aus Naturausbeutung in Europa und im kolonialen Westen zeigt sich die Kolonialität der Klimakrise. Dies wird aktuell in der Klimawandel-Leugnung der neuen Rechten deutlich. Eine Schwarze, rassismuskritische Perspektive auf Klimawandel ist daher unabdingbar.

Vor Jahren hörte ich Aikins einmal sagen:

„Die nordischen Nationen neigen dazu, sich als die Guten zu imaginieren.”

Wir sahen damals gemeinsam „Concerning Violence“. Auch heute packt der Politikwissenschaftler den Film aus und spielt eine Sequenz ein. „Concerning Violence“ illustriert Frantz Fanons Vermächtnis „Die Verdammten dieser Erde”. Die Musikerin Lauryn Hill spricht den Text:

„Der Kolonialismus ist Gewalt in ihrem natürlichen Zustand, und er wird nur nachgeben, wenn man ihm mit noch größerer Gewalt begegnet.”

Der Film erinnert daran, dass Dekolonisation kein europäisches Geschenk an Afrika war. Er zeigt den Kampf um Unabhängigkeit im Zeitraum von 1960 bis 1984. Die ersten Szenen deuten Afrika als Freizeitpark. Die herrschende Rasse golft, schießt, sonnt sich. Sie macht eine gute Figur auf Gartenfesten. Sie äußert sich abfällig über das Personal. Sie spricht vom „Kaffer”. Sie ist durchdrungen von ihrer Überlegenheit und ihrer Sendung: Wenn wir gehen, geht der Kontinent in die Knie.“

Die Aufnahmen stammen aus schwedischen Archiven. 1974 besuchten Reporter die „Volksbewegung zur Befreiung Angolas” (MPLA) im Dschungel. Sie dokumentierten Vorbereitungen eines Angriffs mit Bazookas auf einen portugiesischen Stützpunkt. Der Film malt die TV-Konserve mit Leuchtspur-Impressionismus an. Dazu Lauryn Hill aus dem Off:

„National liberation, national renaissance, the restoration of nationhood to the people, commonwealth: whatever may be the headings used or the new formulas introduced, decolonization is always a violent phenomenon.”

Die Gewalt hört nicht auf. Der Klimawandel (ist) die Fortsetzung der weißen Gewalt mit anderen Mitteln.

Sie äußert sich im Klimawandel. Ituen und Aikins sprechen von einer „dringenden Notwendigkeit“, Klimawandel & Rassismus zusammenzudenken. Die Klimakrise gewinne da ihre Totalität zuerst, wo die Gesellschaften von kolonialen Hierarchien aus ihren ursprünglichen Verankerungen gezogen wurden. Der Klimawandel sei die Fortsetzung der weißen Gewalt mit anderen Mitteln.

Ituen erklärt: „Es ist unsere Aufgabe, die Gewalt als solche wahrzunehmen.“

Ihre Masterarbeit trägt den Titel: „Livelihood Enhancement for Small-Scale Farmers in the Context of Landuse Conflicts – The Role of Agroforestry.“

Aikins ergänzt: „Auch wir setzen einen ökologischen Fußabdruck in die Nacken unserer eigenen Leute im Globalen Süden. Obwohl wir der imperialen Lebensweise anhängen, sind wir nicht.“

Er vollendet mit einem Zitat von Stuart Hall:

„We are in but not of the west.“

Bald mehr.

P.S.

Von Africavenir

Any “Green New Deal” or “green industrial revolution” cannot be bound within our nation’s borders, or prioritise the wellbeing of westerners over black and brown lives in the rest of the world. As we make these moves towards climate emergency, it is important that progressives do not internalise the colonial principles that got us in this mess.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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