Ein Strauß voller Einwände

Feminismus braucht Männer, schreibt Margarete Stokowski in den „letzten Tage des Patriarchats“

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Ein Strauß voller Einwände

Bild: Cover

Sie wirbelt da Staub auf, „wo es eh schon dreckig ist“. Zugleich warnt Margarete Stokowski: „Wer nicht aufpasst, macht durch Sprache alles schlimmer.“ Seit 2011 bereichert die Spiegel-Online-Kolumnistin das öffentliche Gespräch und fördert die Debattenkultur in den Kommentarspalten.

Eine Sammlung von Beiträgen erscheint nun unter dem Titel „Die letzten Tage des Patriarchats“. In „Hamse jedient im Genderkrieg“ moniert die Autorin den bellizistischen Duktus und atemlosen Frontberichterstattungston in Darstellungen des „Geschlechterkampfes“.

„Und dann bringt ein Mann seine Frau um, und was wird daraus? Ein Beziehungsdrama“.

Eingebetteter Medieninhalt

Stokowski zeigt, wie die Meldung eines Mordes unter ihrer lyrischen Garnitur die Dimensionen einer Gewalttat zu verlieren droht, während feministische Diversität und weibliche Wut als gesellschaftliche Störungen geschildert werden. Der Herrschaftstext setzt sich gegen alternative Sprechweisen durch. Die Kolonisierten tradieren ihre Zu- und Abrichtungen, um in den Zwingern nicht den Halt zu verlieren. Richtig soll sein, was alltäglich/normal ist.

Die Bluttat nach einer Zurückweisung schillert als „Unerwiderte Liebe in Thüringen“. Der herbeifabulierte romantische Hintergrund baut eine Kulisse auf, vor der sich ein in tödlicher Ohnmacht seinen Tiefpunkt erreichendes Gefälle als eskapistischer Liebesakt darstellt. Mit Stokowski fragt man sich, woher die Not rührt, ein Verbrechen, in dem sich Machtverhältnisse spiegeln, mit Delinquenz verschattenden Bewertungen zu verknüpfen.

Da legt die journalistische Narration ein Verständnis im Spektrum der Leidenschaft nah; sie suggeriert aber „Feindseligkeit“, sobald das überschießende Temperament sich in weiblichen Forderungen kontextualisiert.

„Wir verfügen über einen riesigen Apparat aus Rechtfertigungsstrategien für Gewalt durch Männer.“

Das maskuline Repertoire im Spektrum von Anmaßung und Übergriff schildert sich scheinbar selbständig als naturphänomenal. Tatsächlich ergeben sich die Apologien aus der Deutungshoheit. Der „weiße mittelalte heterosexuelle Mann“ ist das Subjekt der Welt. Er deutet sich selbst so wie alle anderen. Ihm eingeschrieben ist ein gigantischer Herabsetzungstext.

Stokowski extrahiert in ihren Untersuchungen die Überlegenheitsmetaphern, -formeln, -floskeln. Sie hilft zu verstehen, warum es so mühsam ist, dem Offensichtlichen Geltung zu verschaffen. Ihre Kolumnen beweisen aber, dass das Patriarchat unter Druck geraten ist. Überall da, wo der Druck eine Schmerzgrenze erreicht hat, vernehmen wir die Klage des Bedeutungsverlustes.

Margarete Stokowski, „Die letzten Tage des Patriarchats“, Rowohlt, 309 Seiten, 20,-

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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