Feminismus mit männlichem Antlitz

Chimamanda Ngozi Adichie Von ihr stammt ein Satz, der seine eigene Umlaufbahn bekommen hat: „Wir sollten alle Feminist*innen sein.“

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Von ihr stammt ein Satz, der seine eigene Umlaufbahn bekommen hat:

„Wir sollten alle Feminist*innen sein.“

Chimamanda Ngozi Adichies Credo lautet:

„Die Kultur erschafft die Menschen nicht. Die Menschen erschaffen die Kultur.“

Nach einer verbreiteten Auffassung gestattet der Feminismus die Konstruktion eines elementaren Gegensatzes zwischen westlicher Dekadenz und „afrikanischer Kultur“. Das Stigma „unafrikanisch“ komplettiert das negative Begriffsbündel. Es stimuliert eine Denunzierungs- und eine Distanzierungsbereitschaft. Wer was werden will, setzt sich besser nicht dem Vorwurf aus, feministische Standpunkte zu vertreten.

Chimamanda Ngozi Adichie, „Mehr Feminismus“, 112 Seiten, 8.-

Das behauptet Adichie in ihrem Manifest „Mehr Feminismus“ (im Original: We Should All Be Feminists). Die toxischen Konnotationen der restaurativen Rede kulminieren in der Unterstellung:

Feministinnen sind unglücklich.

Adichie veranlasst die Standardinvektive dazu, sich bei jeder Gelegenheit als „glückliche afrikanische Feministin zu bezeichnen“. Alles käme darauf an, so erklärt die Autorin, die eigenen Motive am ausdrucksstärksten und eindrucksvollsten zu artikulieren und so schöne Selbstverständlichkeiten zu schaffen.

Die Durchbrechung der Gleichsetzung von feministisch & unglücklich entspricht einem Widerstandsakt. Es geht um Deutungen. Wer das Sagen hat, erkennt man daran, welche Deutungen akzeptabel erscheinen.

Adichie addiert Situationen, in denen ihr Geschlechterdiskriminierung als Resultat schierer Gedankenlosigkeit begegnete. So ergibt sich nur auf den ersten Blick eine lapidare Aufzählung. Tatsächlich zeigt sich jedes Mal die Chance, ein Umdenken einzuleiten.

Chimamanda Ngozi Adichie nimmt die Beispiele vor allem aus ihrem Alltag in Lagos

„Lagos ist eine Metropole mit nahezu zwanzig Millionen Einwohnern, mehr Energie als London, mehr Unternehmergeist als New York, und die Leute erfinden alles Mögliche.“

Das ist der richtige Puls, Chimamanda Ngozi Adichie liebt den Beat und lebt im Flow der Stadt. Aber „in viele renommierte Clubs und Bars … kann ich nicht allein gehen. … Man muss in Begleitung eines Mannes sein.“

Der Mann wird von jedem Concierge (Concierge bezeichnet ursprünglich den Torwächter einer Burg) des kostspieligen Vergnügens gegrüßt, die Begleitung unterliegt der stillschweigenden Bewertung des prüfenden Blicks. Der Komment kommt aus gesellschaftlichen Übereinkünften. Die einladende Verbalgeste eines Subalternen könnte als anmaßend verstanden werden, sogar als Tabubruch.

„Ich weiß, dass sie es nicht böse meinen“, verkündet Adichie.

All die Hausmeister und Frühstückdirektoren und Empfangsminister haben ihre Order und bewegen sich in einem engen sozialen Korsett, dass ihnen die geringste Bewegungsfreiheit gewährt. Trotzdem will Adichie auf dem Weg in die Chefwelt auch das Personal agitieren.

Menschlichkeit statt Männlichkeit - Lasst uns aus Kinderzimmern Agenturen der Zukunft machen

Adichie weiß, dass Frauen als Mütter zu Propagandistinnen des Männlichkeitswahns werden können. Sie appelliert:

„Männlichkeit ist ein eiserner kleiner Käfig, in den wir unsere Jungen sperren.“

Später mehr.

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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