Ich bin ein moralischer Hardliner

Generationen im Gespräch Vorgestern Abend erinnerte Philipp Ruch im Gespräch mit Franziska Heinisch (vom Jugendrat der Generationenstiftung) in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche an „eine ...

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Gestern Abend erinnerte Philipp Ruch im Gespräch mit Franziska Heinisch (vom Jugendrat der Generationenstiftung) in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche an „eine Geschichte der (fatalen) Kontinuität“. Wenige wichtige Akteure, „die selbst keine Nazis sind, bringen neue Nazis an die Macht“. Von daher, so bekannte Ruch an einem idealen Bekenntnisort, rühre sein „tiefes Misstrauen gegen den deutschen Konservatismus“.

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Da steht er als Person gewordener Alarm und beweist den Anstand der Anteilnahme (Aufstand der Anständigen) im Dialog mit einer Ahne, die Achtundsechzig jung war und nun als „Oma gegen Rechts“ Morgenluft wittert. Für sie verbindet sich mit der Revolution als Idee Nostalgie.

Philipp Ruch im Gespräch mit einer unbesorgten Bürgerin

Eingebetteter Medieninhalt

„Im Kampf der Generationen verbünden sich häufig die Kinder mit den Greisen: Die einen geben Orakelsprüche von sich, die anderen deuten sie, die Natur spricht, und die Erfahrung übersetzt.“ Jean-Paul Sartre

„Entweder wir gewinnen in den nächsten sieben Jahren“ den Kampf gegen Rechts oder „wir verlieren ihn“ mit Folgen, die sich die meisten nicht vorstellen können. Dann wird uns niemand „besetzen“ und so vor uns selbst retten.

Philipp Ruchs Hauptsätze fräsen mit der Gewalt von Vollholzerntemaschinen Schneisen in den gegenwärtigen Diskurs über den Zustand Deutschlands. Doch unter den Nebensätzen tauchen äquilibristische Versager*innen auf und verweisen auf Gleichgewichtsschwierigkeiten.

Ruch ist Maximalist und eine der am stärksten herausfordernden Persönlichkeiten im akuten Jetzt. Er steht u.a. in der Tradition eines Dieter Kunzelmanns. Nur traut man ihm Pudding Attentate mit echtem Sprengstoff zu. Jede Parteilinie würde er überschreiten. Deshalb bleibt ihm nur die Kunst, die nach/für Heiner Müller „die Funktion hat(te), Wirklichkeit unmöglich zu machen“.

Da steht er wie ein vom Pferd gestiegener Apokalyptischer Reiter und sagt:

„Wir haben jetzt 1932.“

Dem Sinn nach:

Sie denken vielleicht, dass kann nicht sein. Zweiunddreißig war ein Jahr der parlamentarischen Unruhe. Aber ich sage Ihnen …

„Wir haben jetzt 1932.“

Von Papen will die NSDAP einbinden, um sie bis zur Kenntlichkeit ihrer Regierungsunfähigkeit zu entlarven.

Ruch spricht in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche von „einer Geschichte der (fatalen) Kontinuität“. Wenige wichtige Akteure, „die selbst keine Nazis sind, bringen die neuen Nazis an die Macht“. Von daher, so bekennt Ruch, rühre sein „tiefes Misstrauen gegen den deutschen Konservatismus“.

„Ich bin ein moralischer Hardliner“, verkündet Ruch, wenn auch nicht ex cathedra.

Lange spricht er über die Menschen, die „wir im Mittelmeer ertrinken lassen“.

„Das sind unsere Toten.“

Die Valeurs des Wir changieren. Ein Mangel an Unterscheidungsschärfe macht sich gewiss nicht bemerkbar. Vermutlich habe ich die Kurve nicht gekriegt von dem Wir im Kampf gegen Rechts zum Wir der von Ruch gegeißelten bürgerlichen Indifferenz. „Sechs große Aktionen“ hat Ruchs Zentrum für politische Schönheit gegen „die Flüchtlingsabwehrpolitik der Bundesregierung“ unternommen. Der „wichtigste Erkenntniswert“, der sich aus der Aktionsanalyse ergeben war, lautete: „Wir haben alles getan“, was im pazifistischen Empowerment möglich ist, „es hat nichts genutzt“.

Bald mehr.

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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