Mobiles Eigentum

Schwarzer Feminismus „Schwarzer Feminismus“ heißt ein im „Unrast Verlag“ erschienenes Buch der Autorin, Kuratorin und Filmemacherin Natasha A. Kelly. Es referiert und dokumentiert ...

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Schwarzer Feminismus“ heißt ein im „Unrast Verlag“ erschienenes Buch der Autorin, Kuratorin und Filmemacherin Natasha A. Kelly. Es referiert und dokumentiert eine feministische Traditionslinie und versammelt Texte von Sojourner Truth, Angela Davis, bell hooks, Audre Lorde, Barbara Smith sowie Kimberlé Crenshaw. Die Beiträge „bauen historisch aufeinander auf“. Die Übersetzungen versteht Kelly „als feministisches Handeln“. Entsprechend wurde in nicht-feministische Fassungen eingegriffen.

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Die nordamerikanischen Menschenzuchtanstalten des Antebellum South hatten keine antiken Vorbilder. Obwohl die von Versklavten bewirtschafteten Plantagen auf Erhöhungen agrarischer Normen ausgerichtet waren, folgten ihre Optimierungsmaximen den Gewitterboten des industriellen Zeitalters. Die Sklavenhalter der britischen, spanischen und französischen Kolonien, die als Vereinigte Staaten von Amerika unabhängig wurden, erachteten die Unterworfenen als mobiles Eigentum.

„Denn in der Versklavung wurde die Persönlichkeit von der verkommenen Idee des Eigentums verschlungen – der Mensch wurde zum beweglichen Eigentum.“

Das erläuterte Angela Davis 1971 in einem unter Haftbedingungen entstandenen Aufsatz, der vor allem die Rolle der Schwarzen Frau in der Verschleppungszeit mit ihren bis in die Gegenwart virulenten Folgen klärt.

Angela Davis‘ „Reflexionen über die Rolle der Schwarzen Frau* in der versklavten Community“ folgt in der von Natasha A. Kelly kuratierten Sammlung grundlegender Texte zum „Schwarzer Feminismus“ der bannbrechenden Rede von Sojourner Truth 1851 auf einem Frauenkongress in Akron, Ohio.

Lasst sie nicht sprechen

Es waren Frauen, die eine der ersten Schwarzen Feministinnen auf einem Emanzipationskongress vor hundertsiebzig Jahren nicht zu Wort kommen lassen wollten. Weiße Feministinnen traten als Garantinnen der Ungleichheit auf. Sie forderten:

„Lasst sie nicht sprechen.“

Sojourner Truth hielt trotzdem eine die Himmel der weißen Selbstgerechtigkeit erschütternde Rede vor Geschlechtsgenossinnen, die zwar strukturell erniedrigt wurden, sich jedoch auf Galanteriegebote berufen konnten. Man hatte einer weißen Frau aus der Kutsche und über Gehwegschäden hinweg zu helfen. Niemand hatte Sojourner Truth je eine respektvolle Hand gereicht. Dies gleichermaßen konstatierend und kritisierend, fragte Sojourner Truth:

„Bin ich etwa keine Frau*? Sehen Sie mich an! Sehen Sie sich meinen Arm an! Ich habe gepflügt, gepflanzt und die Ernte eingebracht, und kein Mann hat mir gesagt, was zu tun war! Bin ich etwa keine Frau*?“

Die weißen US-Feministinnen nahmen eine degradierende Unterscheidung vor, die der zeitgleichen Ausgrenzung politisierter Arbeiterinnen in Europa entsprach. Man hinderte arme Aktivistinnen vielfach, wenn auch nicht überall daran, den bürgerlichen Emanzipationszug zu besteigen, und unterwarf sie restriktiven Betrachtungen, in denen sie als Mündel und der Fürsorge Bedürftige erschienen. Man vergegenständlichte sie und verständigte sich über sie ebenso wie man sich über Dienstmädchen austauschte. Stichwort Bemächtigung der Deutungshoheit.

Bourgeoise Verve kollaborierte mit der Aufstandsbereitschaft der niedrigen Stände nur in Großbritannien. Zur Gründungssitzung des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF) im März 1894 wurden Sozialistinnen nicht eingeladen.

Die bürgerlichen Aktivistinnen strebten nach einer Aufwertung hin zur mündigen Staatsbürgerin. Arbeiterinnen waren nach ihrem Klassenverständnis Frauen, die erzogen werden mussten.

Clara Zetkin sprach von einer „reinlichen Scheidung“ der bürgerlichen von der proletarischen Frauenbewegung in Deutschland. Das hätte sie auch über den US-amerikanischen Suffragetten Swing sagen können. Die Verdreifachung erschwerender Faktoren – Geschlecht, Klasse, Race – platzierte Schwarze Frauen an einem gesellschaftlichen Rand, der Verworfenheit, zumindest jedoch den absoluten sozialen Endpunkt suggerierte. Bis in die 1960er Jahre gelang es der US-weißen Frauenbewegung nicht, belastbare Bündnisse mit Schwarzen feministischen Blöcken einzugehen. Weiße Strategien schlossen Schwarze aus keinen anderen als den von Sojourner Truth kritisierten Gründen aus.

Die Biografie der als Tochter von Sklaven in Unfreiheit geborenen Sojourner Truth liefert ein frühes Beispiel für Selbstermächtigung. Die Aktivistin erkämpfte ihre Freiheit und engagierte sich zum Wohl der Nachkommen von Verschleppten. Sie brach und erfand Regeln und stellte sogar einen amerikanischen Präsidenten zur Rede. Erst hundertfünfzig Jahre nach dem Auftritt in Akron erhielt die von Sojourner Truth erstmals benannte Form der Mehrfachdiskriminierung einen Namen. 1989 prägte Kimberlé Crenshaw den Begriff der Intersektionalität, um das Zusammenspiel von unterschiedlichen Unterdrückungsformen zu beschreiben.

Angela Davis stellte lange vor Kimberlé Crenshaw fest, dass „die spezifischen Diskriminierungserfahrungen“ Schwarzer Frauen vom weißen feministischen Diskurs nicht begriffen werden. Die Geschichte der Versklavung weist dem Schwarzen Feminismus einen exklusiven Verhandlungskontext zu. Für das US-Sklavenprogramm habe es keine „präexistierenden sozialen Strukturen oder kulturelle Vorschriften“ gegeben, „die zur Versöhnung mit den Umständen der Knechtschaft hätten führen können“.

Angela Davis rekurriert auf Marx: Der Leibeigne „wird als unorganische Bedingung der Produktion in die Reihe der andren Naturwesen gestellt, neben das Vieh und als Anhängsel der Erde“.

Hüterin einer widerständigen Hausgemeinschaft

Angela Davis schildert die Schwarze Frau in der anglo- und franko-amerikanischen Sklavenhaltergesellschaft als „Hüterin des häuslichen Widerstands“. Sie sei in einer negativen Gleichsetzung dem Schwarzen Mann nicht unterlegen und ihm allein deshalb überlegen gewesen. Dem als Entrechteter in seinen Schutzfunktionen versagenden Mann begegnete eine auf den Domänen der Haushaltsführung nicht aus der Bahn geworfene Frau. Daraus ergaben sich zwei Spielfiguren des Ressentiments: die mit guter Dominanz waltende Matriarchin und die mit böser Dominanz Kastrierende.

Die Verherrlichung des Schwarzen Phallus, die in den 1960er Jahren eine politische Konnotation bekam und in rechtspopulistischen Bedrohungsszenarien bis heute vital geblieben ist, könnte seinen Ursprung in einem Trostprogramm haben.

Dazu bald mehr.

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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