Politischer Schwitzkasten

Antisemitismus BDS steht für Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen. Die Schlagwort-Abkürzung überschreibt eine Kampagne ...

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Nachbarschaftliche Ausgrenzungspolitik

BDS steht für Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen. Die Schlagwort-Abkürzung überschreibt eine Kampagne, die Israel unter Druck setzt und dabei eine Boykott-Tradition perpetuiert, in der seit den 1920er Jahren nachbarschaftliche Ausgrenzungspolitik betrieben wird. Eine Legende verjazzt den politischen Schwitzkasten zu einer Allianz im Spektrum derNeuen sozialen Bewegungen. Angeblich soll „das lose koordinierte Netzwerk … (ohne formale Mitgliedschaft) 2005 als Reaktion auf einen Aufruf derpalästinensischen Zivilgesellschaftgegründet worden sein“.

Alex Feuerherdt, Florian Markl, Die Israel-Boykottbewegung, Hentrich & Hentrich, 196 Seiten, 19.90 Euro

Infame Synchronisation

In Wahrheit, so Alex Feuerherdt und Florian Markl, geht es „um die Verdammung und Delegitimierung Israels“. Die Autoren belegen eine frühe agitatorisch-feindliche Gleichsetzung von jüdisch und zionistisch im Vorgriff auf eine infame Synchronisation, die es erlaubt, der Fratze des schieren Ressentiments das holde Antlitz einer konstruktiv-gebildeten Kritik zu geben.

Der Keim der in einem antikolonial-progressiv-emanzipatorischen Jargon eingelagerten Feindseligkeit steckt in der militärischen Niederlage als einer Totalität. An die Stelle der Waffengewalt tritt die soziale Strangulation. Man strebt einen „wirtschaftlichen Kollaps“ an. Das belegen Feuerherdt und Markl. Sie unterscheiden Boykottebenen. Auf der dritten Stufe der Niedertracht reicht es, mit einem aus der BDS-Perspektive kontaminierten Unternehmen Geschäfte zu machen. Eine Zentrale des Boykotts konzertierte Jahrzehnte aus Damaskus die unversöhnlichen Interventionen. Man warnte u.a. Coca-Cola, American Express und schließlich auch das Hilton Hotel-Konsortium vor Investitionen im verfemten Land. Um die Macht zu begreifen, auf die sich die Agent*innen der Ächtung berufen, sei hier nur episodisch der Hinweis angebracht: Sonst steigt kein saudischer Prinz mehr in einem New Yorker Hilton ab. Selbstverständlich war das lediglich das kleinste versprochene Übel. Auch Enteignungen wurden in Aussicht gestellt.

Alles in allem verfehlte das Embargo sein Ziel. Israel konnte ökonomisch nicht erdrosselt werden. Partikularinteressen hebelten die arabische Allianz aus. Im Kontext der BDS-Analyse zählt zumal die lange Vorgeschichte und die historischen Anknüpfungspunkte des modern maskierten, mit seinen Graswurzler-Aspirationen lauter falsche Fährten legenden Restriktionsregimes. So sagen es die Autoren.

BDS suggeriert eine bunt-bodenständige, queer-kompatible Basis im Geist des couragierten Bürger*innenengagements.

Man trägt das Parfüm des Pluralismus auf. 172 Organisationen und Verbände bilden das Fundament einer Aggression, die sich als Bürgerinitiative geriet, so Feuerherdt/Markl. Die Autoren zählen „die Terrororganisationen Hamas, Islamischer Jihad, PFLP und Fatah“ zum BDS. Der Terminus „Zivilgesellschaft“ führe auch deshalb in die Irre, weil „in den palästinensischen Gebieten“ nichts geschehen könne, was nicht von den Gebietsfürsten gebilligt würde.

Morgen mehr.

Aus der Ankündigung

Die aktuelle Israel-Boykottbewegung behauptet, 2005 als Reaktion auf einen Aufruf der „palästinensischen Zivilgesellschaft“ entstanden zu sein, lediglich für die Einhaltung von Menschenrechten einzutreten und nicht antisemitisch zu sein. Die Realität sieht jedoch anders aus: Die Bewegung vernebelt durch die Berufung auf die Zivilgesellschaft ihre tatsächlichen Wurzeln. Es geht ihr nicht um die Rechte der Palästinenser, sondern um die Dämonisierung und Delegitimierung Israels. Sie vertritt alten Hass in neuem Gewand. In ihrer Propaganda wird Israel auf grotesk verzerrte Art und Weise diffamiert, ausgesondert und nicht nach den gleichen Maßstäben behandelt wie alle anderen Länder der Welt. Hieß es früher „Kauft nicht bei Juden!“, so lautet die Parole heute: „Boykottiert Israel!“

Zu den Autoren

Alex Feuerherdt, geboren 1969, ist freier Publizist und lebt in Köln. Er veröffentlicht regelmäßig Texte zu den Schwerpunktthemen Israel/Nahost, Antisemitismus und Fußball, u.a. in der „Jüdischen Allgemeinen“, bei n-tv.de, in der „Jungle World“ und in „konkret“. Zudem ist er Betreiber des Blogs „Lizas Welt“.

Florian Markl, geboren 1975, ist Politikwissenschaftler und wissenschaftlicher Leiter des unabhängigen Nahost-Thinktanks „Mena-Watch“ in Wien. Zuvor war er Archivar und Historiker beim Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und Lehrbeauftragter an der Universität Wien.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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