Räumliche Diskursverschiebung

Rechtsextremismus Patrick Stegemann, Sören Musyal, "Die rechte Mobilmachung". - Die Autoren bemerken eine „Verlagerung politischer Diskurse in soziale Netzwerke”.

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Die Autoren bemerken eine „Verlagerung politischer Diskurse in soziale Netzwerke”. Sie zitieren einen Report, der Instagram zur „wichtigsten Informationsplattform der 18- bis 24-jährigen Deutschen“ erklärt. Rechte Influencer garnieren ihre Botschaften mit dem Weihrauch des Pop. Ebenda im „Pop der Gegenwart“, herrsche „rechte Hegemonie“, so der Kulturkritiker Georg Seeßlen.

Patrick Stegemann, Sören Musyal, „Die rechte Mobilmachung. Wie radikale Netzaktivisten die Demokratie angreifen“, Econ, 290 Seiten, 17.99,-

Hacker gibt es, die sich in ihren Kinderzimmern wie in Kommandozentralen der Orionflotte fühlen. Sie lösen Staatskrisen im Pyjama aus. Strategie und Zufall konkurrieren in ihrem Einflussbereich. Sie navigieren von Konnektiv zu Konnektiv. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen erfasst so eine flüchtige Gruppenbildung: „Verbunden für den Moment, für das Thema“.

„Flüchtig, aber mächtig“, sagen die Autoren. Die temporär Assoziierten sehen sich nicht unbedingt in einem ideologischen Zusammenhang. Sie erkennen weder das Indoktrinationspotential noch den Unterschied zwischen Information und Desinformation.

Im „Kampf um die Köpfe“ zählt der Zugang zu den Interessensphären mehr als ein Zugriff auf Überzeugungen. Virale Beeinflussungen wirken unter Umständen wie betäubende Übernahmen. Der Popfaktor narkotisiert den Probanden und dominiert die Politisierung. Im Wettbewerb um Aufmerksamkeit setzen rechte Macher*innen auch auf Präsentationen, die sich divers lesen lassen. Man schafft Interpretationsspielräume, deren Weitläufigkeit kritische Einordnungen von dirigierenden Behauptungen den Erschöpfungstod sterben lassen.

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Die Autoren erkennen ein gemeinschaftliches Abrücken der Akteure von Facebook, Twitter und YouTube. Die Influencer setzen auf kleine Plattformen und nehmen für die totale Darstellungsfreiheit Reichweitenverluste in Kauf.

„Die massive Nutzung von Telegram zeigt, dass die bedingungslose freie Rede häufig zum Einfalltor der extremen Rechten wird.“

Sie spekulieren auf Stereotypen im Sozialverhalten von Mehrheitsgesellschaftern, die sich nicht repräsentiert sehen und sich deshalb auch nicht öffentlich äußern. Dieser Typus ist daran gewöhnt, den Objekten seiner Begierde in irgendwelche Verbotskeller nachzusteigen. Er kann zwar sonst nichts, aber Darknet-Surfen geht schon.

Leute, die keinen Offenbarungsdruck haben, brauchen auch keine schillernden Vorlagen und Foren. Ihnen genügt das Digital-Äquivalent zur Bahnhofskinoanalog-Monotonie der zeitlosen 1960er-Jahre. Manches wird nur mit Schmuddel-Zertifikat als echt erachtet.

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Alles dreht sich in vielen Szenen um wenige Namen. Den größten Einfluss schreiben die Autoren einer Person zu. Einzigartig macht sie nicht zuletzt, dass es keine linksextreme Gegenspielerin mit vergleichbarer Namensprominenz gibt.

Dazu bald mehr.

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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