Sprache und Herrschaft

#AfricanBookFestival Minna Salami sagte: „Die Dekolonisierung des Denkens ist ein Prozess, an dem die multinationalen Konzerne als die Erben der Kolonialmächte kein Interesse haben.“

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Sprache und Herrschaft

Foto: Stringer/ Getty Images

Afrikan Book Festival Berlin kurz vor dem final countdown - Snack und Schnack mit Rückenansicht der Kuratorin des Festivals Olumide Popoola.

1986 veröffentlichte der kenianische Schriftsteller und ewige Nobelpreiskandidat Ngũgĩ wa Thiong‘o unter dem Titel „Decolonising the Mind“ eine Essaysammlung. Die deutsche Übersetzung erschien mit dramatischer Verspätung 2017. Ngũgĩ wa Thiong‘o untersucht in dem Band Folgen des kolonialen Fallouts. Er zeigt, wie kulturelle Enteignung das Bewusstsein deformiert. Die weiße Suprematie zerstört Leben. Ngũgĩ wa Thiong‘o lässt den Leser begreifen, wie zentral afrikanische Sprachen für die Anschlussmontagen an die ursprünglichen gesellschaftlichen Temperamente sind. Gleichwohl ist Englisch die Lingua franca der schwarzen Kritik im und am Jetzt geblieben. Zweifelhaft erscheint manchen, ob man in einer Usurpatorensprache überhaupt zum Beat des Eigenen findet. Die Frage stellt Andreas Bohne als Moderator der feministisch aktivistisch bloggenden Minna Salami sowie dem Literaturprofessor, Journalisten und Schriftsteller Mũkoma wa Ngũgĩ. Der in Amerika als Sohn eines Weltberühmten geborene Kenianer betonte die Relevanz von „Decolonising the Mind“. Er verlegt für das Begreifen einen Steg. „Stellt euch vor, die deutsche Literatur gäbe es nur auf Französisch.“

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Solange Poesie ein aristokratisches Vergnügen und dem Volk entzogen war, galt das in deutschen Ländern. Dichtung war ein höfisches Privileg und der Hof sprach Französisch. Das Beispiel beleuchtet das Verhältnis von Sprache und Herrschaft. Mũkoma wa Ngũgĩ führt dem Sinn nach aus: Die physische Potenz des Empires hat sich verflüchtigt, aber der metaphysische Griff in den Völkernacken wurde nicht gelockert. Wir sprechen, also denken wir in einem kontaminierten Kontext. Die Kolonisierung des Bewusstseins geht weiter, auch wenn Gegenkräfte spürbar sind. Die Infarkte des Ursprünglichen schwächen weiter die Emanzipation.

Die Sprache gehört zur Geschichte mehr als zur Kultur. Afrikaner haben keinen Zugang zu der weißbritischen Geschichte. Folglich sind sie von der Sprache ausgeschlossen, die ihren Alltag gesetzlich regelt.

Minna Salami wurde in Finnland geboren. Ein nigerianischer Vater spendete die Differenz. Ihr Blog „MsAfropolitan“ bekam einen Preis. Siehe https://www.msafropolitan.com/

Die Aktivistin findet, dass „Decolonising the Mind“ jede Menge Punkte auf der aktuellsten Gegenwartskarte trifft. Sie hält Sprache zwar für determinierend, findet aber die Fragen, die man auch auf Englisch stellen kann, wichtiger als die Sprache selbst. Minna Salami erklärt: „Die Dekolonisierung des Denkens ist ein Prozess, an dem die multinationalen Konzerne als die Erben der Kolonialmächte kein Interesse haben – egal in welcher Sprache.“

Sie fährt ungefähr so fort: Internationale Unternehmen haben nur eine Geschäftsidee. Die Idee heißt Ausbeutung. Sie führen das koloniale Projekt fort. Sich dagegen mit intellektueller Aufrüstung zu wehren, ist nicht leicht. „Man kann nicht einfach eine Pille schlucken und schon ist man dekolonialisiert.“

Minna Salami sieht eine positive Kontinuität im Kampf um die Deutungshoheit über die schwarze(n) Geschichte(n). Sie verbindet Dekolonisierung mit Feminismus.

„Ohne Feminismus findet Dekolonisierung überhaupt nicht statt.“

Mit Sarah Ladipo Manyika, Niq Mhlongo, Jennifer Nansubuga Makumbi, Chris Abani, Elnathan John

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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