Carley Fortune - Die Schaumkronen seiner Ekstase

#TexasText/Jamal Tuschick Carley Fortune, „Fünf Sommer mit dir“ - Die Aufhebung der Trennung von Arbeit und Leben vollzieht sie auf einem Grat zwischen Melancholie und Leichtigkeit.

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Power im göttlichen Maßstab

Die Aufhebung der Trennung von Arbeit und Leben vollzieht Persephone auf einem Grat zwischen Melancholie und Leichtigkeit.
Persephone! Zweifellos haben sich die Eltern bei der Namensgebung etwas ungeheuer Ambitioniertes gedacht: Die mythische Persephone ging aus einer göttlichen Inzestzeugung hervor. Demeter, ihre vielleicht nicht ganz so bekannte Mutter, verdankt sich einer erotischen Kollision der Titanen Kronos und Rhea. Kronos war dafür berüchtigt, seine Nachkommen zu fressen. Das gelang ihm nicht in jedem Fall. Persephone entstand in der geschwisterlichen Verbindung von Demeter und Zeus. Folglich steht Persephone für Power im göttlichen Maßstab.

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Die Schaumkronen seiner Ekstase

„Mittlerweile bin ich recht geübt darin, die Einsamkeit abzuwehren, die mir mit Anfang zwanzig noch den Boden unter den Füßen wegzog. Das Rezept setzt sich zusammen aus Arbeit, unverbindlichen Sex und überteuerten Cocktails.“

Ihre Domäne bilden Kombinationen von Hochglanz und Lebensart. Die Redakteurin Persephone Fraser aka Percy aka Pers aka P. weiß, „welches coole neue Restaurant den heißesten Koch hat“. Ihre Manhattans sind legendär.

Die Aufhebung der Trennung von Arbeit und Leben vollzieht sie auf einem Grat zwischen Melancholie und Leichtigkeit. Persephone verdient zwar wenig, schwimmt aber trotzdem im Teich der Toronto-Geldhechte.

Die Männer, mit denen sie ausgeht, sind Meister degoutanter Selbstinszenierungen; Snobs, die an jeder „Getränkeauswahl herummäkeln“. Eine Weinkarte dient ihnen grundsätzlich nur als Vorwand für eine Säuregehalt-Exegese. Mit olympischem Eifer setzen sie Kellner:innen herab. Ihre Niedertracht trägt das Markenzeichen der Vorsätzlichkeit. Sie makeln ihren Hochmut. Sie bringen ihn wie ein Produkt an die Frau.

Carley Fortune, „Fünf Sommer mit dir“, Roman, übersetzt von Carolin Müller, Penguin Verlag, 412 Seiten, 13,-

In ihrer Gegenwart kann Persephone keinen Aperol Spritz bestellen, ohne darauf hingewiesen zu werden, dass ihre Entscheidung sie zu einer ewig Gestrigen macht. Sie lacht über die polierte Performance jener, die stets das Teuerste bestellen, um keinen Zweifel an ihrem Status aufkommen zu lassen. Aus diesem Pool fischt Persephone ihre Liebhaber mit der gebotenen „Teilnahmslosigkeit“. Der Penis ersetzt den Vibrator. Mehr ist da nicht.

Über alle Fristen hinaus trauert Persephone ihrer einzigen großen Liebe nach.

Sam Florek wusste schon mit dreizehn, dass er Kardiologe werden wollte. Er wuchs naturkindlich in dem Ferienparadies Barry’s Bay - Wikipedia auf.

Die Gegend um den Kamaniskeg Lake schätzten schon Angehörige einer First-Nation-Union. Die Algonquin nannten den Landstrich „Kuaenash Ne-ishing - schöne Bucht“. Im Jetzt des Romangeschehens ist der See ein touristisches Ziel am Rande des Algonquin Provincial Parks - Wikipedia.

Ein trauriger Anlass führt Percy an den Sehnsuchtsort ihrer Jugend. Sie fährt zur Beerdigung von Sams Mutter Sue. Allerdings wurde sie von Sams älterem Bruder Charlie informiert. Der Anruf beendete eine Funkstille von zwölf Jahren. Er rüttelte an Percys existenziellen Grundfesten.

Die Dreißigjährige verbrachte ihre glücklichste Zeit in Sams Gesellschaft am Kamaniskeg-See. Percys Eltern, Diane und Arthur Fraser, beide Lehr- und Forschungskräfte an der Universität von Toronto, erwarben ein Ferienhaus in Barry’s Bay, als die Tochter dreizehn war und mit Anpassungsschwierigkeiten in der Schule zu kämpfen hatte. Sam nahm auf eine ernsthafte und verantwortungsvolle Weise Percys dringliches Freundschaftsangebot an.

„Die Art, wie er mich … ansah, fühlte sich an wie warmer Honig.“

Die beiden liebten es, zu schwimmen, auf einem Floss in der Sonne zu braten, und gemeinsam DVD-Horrorfilm zu gucken. Beide wuchsen in einem Klima liebevoller Großzügigkeit auf. Sams verwitwete Mutter führte ein Restaurant für polnische Spezialitäten. Die Spezialisierung verweist auf einen Migrationskontext.

Nun ist Sue tot. Das Unvermeidliche geschieht in ihrem Restaurant. Da begegnet Percy dem umwerfend schönen Sam. Ohne Vorlauf ist alles da, einschließlich einer Erinnerung an „die Schaumkronen seiner Ekstase“.

Aus der Ankündigung

Unendlich viele Erinnerungen verbindet Percy mit Barry’s Bay, dem idyllischen Ort in Kanada, an dem sie die Sommer ihrer Jugend in einem Cottage am See verbracht hat. Fünf unvergessliche Sommer, in denen sie und der Nachbarsjunge Sam unzertrennlich waren: Eisessen am Steg, Wettschwimmen und Sternezählen am See. Doch die Sache mit den Erinnerungen ist – sie gehören der Vergangenheit an. Aber als Percy erfährt, dass Sams Mutter gestorben ist, kann sie nicht anders, als sofort nach Barry’s Bay zu fahren. Und als sie Sam nach all der Zeit wiederbegegnet, ist plötzlich alles wieder da: das ganze Glück und der ganze Schmerz – über den einen Moment, der eine gemeinsame Zukunft unmöglich machte …

»Ein Debüt voller Nostalgie und Herz. So wie wir uns an unvergessliche Sommer erinnern, bleibt auch diese Liebesgeschichte weit über die Lektüre hinaus im Herzen.« USA Today (05. Juli 2022)

Zur Autorin

Carley Fortune ist eine preisgekrönte kanadische Journalistin. Ihr Debütroman »Fünf Sommer mit dir« über eine unvergessene Jugendliebe an einem kanadischen See eroberte sofort die Bestsellerlisten der »New York Times«, »Sunday Times«, »Globe and Mail« und des »Toronto Star«. Carley Fortune denkt so gern an die Sommer ihrer Kindheit in dem idyllischen Ort Barry’s Bay zurück, dass sie ihn unbedingt zum Schauplatz ihrer wunderschönen Liebesgeschichte machen musste. Sie lebt mit ihrer Familie in Toronto.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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