Das Freud’sche Es der Kampfkunst © Jamal Tuschick

#TexasText/Jamal Tuschick Das Freud’sche Es der Kampfkunst (© Jamal Tuschick): It’s not me who hits, it’s it, which hits you. (Poetisierter Bruce Lee)

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“Yet Death is a seeker.” Bruce Lee

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“When attacked the natural reaction is to go back. You should practice hard to overcome this.” Hironori Otsuka

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“Even the most powerful human being has a limited sphere of strength. Draw him outside of that sphere and into your own, and his strength will dissipate.” Morihei Ueshiba, gesehen auf Instagram

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„Wie auch immer - am End wollen‘s alle a lichtdurchflutete Altbauscheiße.“ Helmut Dietl

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„Beim Kampf ums Überleben (verlieren) alle Maßstäbe ihre Bedeutung, auch die größte Niederlage (verstärkt) den Willen zur Weiterführung … des (Kampfes). Mit begrenztem Einsatzwillen (ist) ein Angreifer diesem Willen auch bei militärischer Überlegenheit nicht gewachsen.“ Martin von Creveld

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Die menschliche Kralle - Aus Coles Aufzeichnungen

Nicht der Fingernagel ist das Äquivalent zur Raubtierkralle, sondern die Intelligenz. Die Intelligenz ist die menschliche Kralle.

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Wenn ein Prinzip - wie zum Beispiel die Gleichzeitigkeit - in verschiedenen Kampfstilen auftaucht, funktioniert es universell.

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Auf dem Weg vom Bushido zum Budo verloren die japanischen Hauptinsel-Kampfkünste zwar ihren unbedingt tödlichen Charakter, nicht aber ihre aristokratische Grundierung. Seit einer Kastenkrise im Zuge der erzwungenen Öffnung Japans im 19. Jahrhundert zielten die Transformationen zunächst nicht auf eine Entkernung und Entschärfung jener Künste, die lange die Klasse der Krieger konstituierten, sondern auf den Einsatz in einem breiteren Rahmen. Die Aufnahme der Okinawa-Künste in diesem populären Ertüchtigungskonzept hing von eben jener Effizienz ab, die im nächsten Durchgang massiv in Frage gestellt wurde. Vergleicht man das moderne Karate mit dem antiken Okinawa-Te (Tode), fällt zuerst eine (dem Starren entgegenstrebende) Verfremdung des Ursprünglichen auf. Anstelle von runden, vibrierenden, elastischen und winkelsolventen Bewegungen sieht man viel linear-Statuarisches. Dabei bedarf es lediglich geringfügiger Modifikationen, um etwa eine Oi-Zuki-Zenkutsu-Dachi-Kombination an der Ursprungsquelle im Geist der Smart Force erfrischt aus der Taufe zu heben. Quelle

Wir erinnern uns. In den 1950er Jahren folgt die Kasseler Vulkanologin Antigone von Pechstein einem akademischen Ruf aus Japan. Als ledige Mutter lebt sie mit ihren Zwillingstöchtern Maeve und Ruth auf der Kaiserinsel Kyūshū in der Präfektur Miyazaki. Nach einer Legende herrschte da die erste japanisch gelesene Königin oder fürstliche Schamanin Himiko, abgeschirmt von tausend Dienerinnen. Die Schwestern folgen beinah von Geburt dem Budo Path. Als der Rock’n’Roll-Hüftschwung zum Dekadenzgipfel avanciert, zieht die Familie zurück nach Deutschland. Maeve und Ruth stromern durch Gefilde gediegener Ländlichkeit. Man residiert standesgemäß in einem Schloss auf halbem Weg zwischen Kassel und Göttingen hart an der Landesgrenze zwischen Hessen und Niedersachen und so auch an einer Sprach- und Wetterscheide. Die Debütantinnen schwimmen in einem trägen Daseinsstroms, getragen von den Gewissheiten einer in Generationen abgesicherten Zugehörigkeit. Beim Baden in der Weser tragen sie, nach Antigones Willen, altmodische Badeanzüge. Die Zeit der Selbstbestimmung ist noch nicht angebrochen.

Auf einem Vorhof der Freiheit geschieht das Unerwartete. Ruth verliebt sich in den aus aus Buddy Hollys Geburtsstadt Lubbock gebürtigen Tecumseh Sherman Winchester. Sie wird von dem Texaner von jetzt auf gleich schwanger. TS will unbedingt ein Texaskind. Die rasch zusammengezimmerte Soldatenfamilie lässt sich in Lubbock nieder. Cole Winchester ist drei, als seine Eltern bei einem Flugzeugabsturz in den Kordilleren sterben. Maeve nimmt den Verwaisten auf und macht aus ihm einen Karate-Pechstein. Die charismatische Großmeisterin ist kühler zu Cole als zu den Beitragszahlenden*. Er lebt in Maeves Dōjō am Kasseler Lokalbahnhof Wilhelmshöhe, bis die Tante den Neffen in ein Karateinternat auf Okinawa steckt.

Cole geht durch die Hölle. Er entgeht drei Mordversuchen. Die Attentäter sind eher noch jünger als Cole. Als Zehnjähriger erleidet er die nächste Initiationsstufe als Novize im ursprünglichen Shaolin Tempel von Dengfeng. In seinen einsamen Jahren, sie ziehen sich bis zu seinem dreizehnten Lebensjahr, erziehen ihn geisterhafte Expertinnen*. Monolithische Erscheinungen. Hermetische Existenzen im Orbit der Zazen-Offenbarungen.

Nach seiner Rückkehr macht Maeve den Neffen zu einer tragenden Säule der Karateschule Pechstein. Altklug und frühreif unterrichtet unser Supermännchen vier Stunden täglich an fünf Tagen pro Woche.

Cole vermittelt life changing stuff. Lien Beauregard-Lighthouse, Tochter einer alleinerziehenden, aus Hongkong gebürtigen Ingenieurin, kapiert das vor allen anderen. Lien erklärt sich zur ersten Abnehmerin von Coles Karate-Exzellenz. Sie stilisiert sich, mixt Muse mit Mandarine.

Lien läutet einen neuen Schick ein.

Dem Schick folgt der Kult. Die Adeptinnen fallen in maßgeschneiderten Edel-Keikogi und Hakama auf. So sitzen sie in ihren Klassen und tagen im Wilhelmshöher Ur-Eiscafé Frare.

Plötzlich ist Karate heilig. Trainingsversäumnisse sind unentschuldbar. Was gestern noch Zwang war, firmiert heute als Ritual, mit dem man sich vom unzulänglichen Rest absetzt. Der erste Kasseler Karate Konvent entsteht. Er löst sich bald auf im Orden der ritterlichen Schwestern zu Kassel.

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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