Hingebungsvolle Missachtung - Frei nach Wanda Sacher-Masoch

#TexasText/Jamal Tuschick Was den bürgerlichen Instinkt verstört, das zieht Leopold von Sacher-Masoch an. Er will verführt werden und unterdessen die ganze Bandbreite zwischen Liebreiz und Infamie erleben.

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Hingebungsvolle Missachtung

Im Kulturkampf seiner Epoche träumte Leopold von Sacher-Masoch im Tross des Fortschritts. Er erschien als ein Überwinder im Schlafrock. Er wollte die „weltverachtende, sehnsuchtsvolle Liebe“ einer Frau, die ihm erlaubte, „den Fußtritt zu segnen, den (sie) ihm gab“.

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Königlicher Verehrer/Bürgerlicher Instinkt

Aurora präsentiert sich in ihren Aufzeichnungen als eine von Sorgen getriebene Mutter und Ehefrau, die schlussendlich einen „unsauberen und unappetitlichen“ Schlafgast einquartieren muss, um finanziell über die Runden zu kommen.

Aurora ist die Herrin der Haushaltskasse. L. gibt alles, was reinkommt, sofort ab.

So sehr sie ihre Leser:innen über den erotischen Sturm und Drang des Gatten auf dem Laufenden hält, so diskret verhandelt Aurora die eigenen Bedürfnisse.

Nichts reizt L. mehr als eskapistische Manöver. Was den bürgerlichen Instinkt verstört, das zieht ihn an. Er will verführt werden und unterdessen die ganze Bandbreite zwischen Liebreiz und Infamie erleben. Ihn lockt die böse Kraft begnadeter Tentatrices. Der Webfehler in dieser Konstellation besteht darin, dass L. selbst für andere zum Versucher wird. Er ist ein Matador der Manipulation, klingend frei von jedem Verantwortungsgefühl. Wer sich der Gewalt seines Begehrens nicht gewachsen zeigt, geht auf eigene Rechnung vor die Hunde.

L. sprengt den bourgeoisen Rahmen. Doch sogar er findet seinen Meister. So labyrinthisch und änigmatisch, wie ‚Anatol‘ an die Sache herangeht, war vor ihm noch kein - in anonymer Schriftlichkeit aufkreuzender -Verehrer. Der vom ersten empfangenen Brief an bis in die Fingerspitzen affizierte L. reißt sich ein Bein aus, um mit Anatol persönlich zu verkehren. Doch Anatol scheut den direkten Umgang. Er bestellt das Ehepaar Sacher-Masoch an alle möglichen Orte, um da in Abwesenheit zu glänzen. Ab und zu vertritt ihn - in kostümfestlichen, absurd kostspieligen Arrangements - eine, sämtliche körperliche Vorzüge entbehrende Person.

Aurora spricht noch mit der derben Sprache des 19. Jahrhunderts über den Bedauernswerten. Ich überlasse es Ihrer Noblesse, sich an dieser Stelle nichts auszumalen. Nur möchte ich darauf hinweisen, dass Aurora endlich die Deckung aufgibt und aufhört so zu tun, als überschreite sie nur unter Zwang Grenzen der Schicklichkeit. Anatol versteht sich auf narkotisierendes Gefasel. Es verfängt bei Aurora so, dass ihre Maske fällt.

Wir sehen die rasend neugierige, mal entzückte, mal enttäuschte, alldieweil fleißig der Fährte folgende Gattin eines ewig als Sündenbock eingespannten Freigeistes.

Anatol zieht sich endlich unerkannt zurück. Doch setzt er eine Schlussmarke, die seine Enttarnung gestattet. Im Abschiedsbrief offenbart er seine Kongenialität. Jederzeit könnte er an Leopolds Stelle schwül werden. In einer Phantasie präsentiert er sich in einem „roten Hermelinpelz … und weißen Atlashosen“. Der Adressat liegt zu seinen Füßen und bestaunt den kapitalen Fang.

„Ich werde mich ohne Zweifel in Wanda verlieben, und sie sich in mich … ein wunderbares Leben - nur darf ich nicht vergessen, vorerst das unbefleckte Siegel meines Vaters zu zerschlagen und meinen Stammbaum zu zerreißen.“

So legt der Wittelsbacher Bayernkönig Ludwig II. eine Spur ins Haus der Sacher-Masochs. Dem Paar gelingt es, Ludwigs (wie Marlon Brando in „Apocalypse Now“ raunenden) Agenten zu identifizieren. Es handelt sich um den Prinzen Wilhelm von Oranien-Nassau. Aurora begeht an dieser Stelle einen Flüchtigkeitsfehler. Sie bezeichnet Wilhelms Bruder Alexander als jenen Stellvertreter, der ihr in den illustresten Kulissen die traurigsten Szenen machte. Ihr Prince d’Orange verausgabte sich im Pariser Nachleben bis zum verfrühten Exitus. Gemeinsam mit seiner Geliebten, der Schauspielerin Henriette Hauser, stand/saß er Édouard Manet Modell. HH verkörperte Manets unsterbliche ‚Nana‘. In ihrer Leiblichkeit paradierte sie als „Citron“. Ihren Liebhaber taufte Henriette „Prince de Citron“.

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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