Kompromittierende Korrespondenz - Frei nach Wanda von Sacher-Masoch

#TexasText/Jamal Tuschick Aurora rechnet damit, dass Guinevere wie ein Vulkan ausbrechen wird. Die Schriftstellerin vermutet eine verborgene ... Rücksichts- und Schrankenlosigkeit. Schlummert in Guinevere eine Kraft, die das Schwert aus dem Stein löst?

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„Ich hatte erhalten, was ich so heiß ersehnt hatte, einen idealschönen blonden Knaben, der seinem Vater in nichts glich.“ Wanda von Sacher-Masoch

*

„Ohne Alkohol glaubte sie körperlich und seelisch zusammenbrechen zu müssen, folglich musste sie ihn haben. Es war der Ruin der Frau, dass ihr Hausarzt keine grundsätzliche Stellung zu der Frage einnahm.“ Elisabeth von Maltzahn

Kompromittierende Korrespondenz

Der Ritter korrespondiert ausführlich in alle Richtungen. Er hält sich jede Woche einen Tag für die Perepiska frei. Das Interesse der Brieffreund:innen erlebt L. als Widerhall seines literarischen Rufs. Das Echo der Reputation birgt Gefahren des Sirenengesangs. L. zieht exzentrischen Persönlichkeiten an, die Exaltation mit Genie verwechseln. Sie komprimierten sich wie im Rausch. Aurora, von Sorgen verschlissen und der unentwegten Posaunentheatralik des Gatten bis zur Abneigung entfremdet, fungiert als Postmeisterin mit Zensurgewalt. Briefe, die ins Haus kommen, sieht sie vor dem Angeschriebenen. Sie liest dann doch nicht alles, was der Gatte verzapft. Einem Fräulein v. O., das sich bei L. bereits in festen Händen wähnt, antwortet sie persönlich. Der drastische Ton verfehlt nicht seine Wirkung.

„Ich fing an, meine Lage und die Zukunft meiner Kinder in einer neuen Beleuchtung zu sehen. Dass mein Mann so weit gehen konnte, mit einer Person, die er nie gesehen, berechtigte mich, das Ärgste zu fürchten.“

*

Bei der Durchsetzung seiner sexuellen Interessen zeigt sich L. hartnäckig. Seine Obsessionen lassen ihm und Aurora keine Ruhe. Im Kindsbett bis auf den Tod ermattet muss die Gattin auf ein Inserat antworten, in dem ein Mann - in den Verhüllungen der Epoche - bürgerlichen Ehepaaren ein frivoles Angebot unterbreitet. Er präsentiert sich als finanziell unabhängiger und „energischer“ Liebhaber.

L. ist deswegen ganz aus dem Häuschen. Seit Jahren drängt er Aurora, ihn zum Geschlechtsverkehrszeugen mit einem virilen, ihm ganz entgegengesetzten Mann zu machen.

Der energische Liebhaber reagiert postwendend. Er heißt Nikolaus Teitelbaum. L. schlägt Purzelbäume der Begeisterung. Aurora soll nur schnell gesund werden, um den Nikolaus schleunigst empfangen zu können.

L. vertreibt sich die Zeit, indem er mit der Hebamme ringt. Sie muss bei den Übungen Pelze der Gnädigen tragen. Wieder verlangt L. von Aurora Zustimmung und Anteilnahme. Er will sich hemmungslos empowern, und Aurora soll darin ihr Vergnügen finden.

„Unterdes ging die Korrespondenz weiter. Es wurde ein Rendezvous in einem Hotel in Mürzzuschlag verabredet.“

Aurora trifft Nikolaus in einer ausgekühlten Gästekammer. Sie offenbart sich ihm sofort. Die Schilderung von häuslicher Not und Wöchnerinnenschwäche veranlasst den beinah jugendlichen Galan, sich als Gentleman aufzuführen und das Weitere auf sich beruhen zu lassen. Dies unter Qualen, die ihm sein feuriges Wesen bereitet.

Aurora erzählt das mehr oder weniger so.

Das Schwert im Stein

Almost all genetic variants have their origins in evolutionary events long before our journey starts. And this is where epigenetics begins. If you understand that, you can rebuild yourself massively.

I hear an echo of the Big Bang in my innerspace.

“There are no limits. There are plateaus, but you must not stay there, you must go beyond them. If it kills you, it kills you. A man must constantly exceed his level.” Bruce Lee

Die großartige Beobachterin beglückt ihre Leser:innen mit Bemerkungen wie von einem Rand der Welt. Aurora studiert die Gepflogenheiten eines Ehepaars in der Nachbarschaft. Die Frau ist ganz freundliche Zurückhaltung. Nennen wir sie Guinevere.

„Seltsam waren ihre Augen. Sie waren klein und lagen weit zurück, und von dort leuchteten sie und zogen den Blick an, wie zwei Flammen in einem dunklen Abgrund ... man beugt sich über seine Tiefe, nach dem Geheimnis suchend, das sie zu bewachen scheinen.“

Das Geheimnis erschöpft sich in ihrer Unberührtheit. Sie weiß sich geliebt. Aber was bedeutet ihr das?

„Weder ihr Mann, noch ihre Kinder, noch ihr Haus hatten ihre Seele berührt.“

Guinevere bewegt sich wie eine Erscheinung in ihrer Familiensphäre. Eine Verwandte kümmert sich um den Haushalt und die Kinder; „sie selbst (verbringt) ihre Zeit mit Musik und Lektüre“.

Aurora rechnet damit, dass Guinevere wie ein Vulkan ausbrechen wird. Die Schriftstellerin vermutet eine verborgene, gleichsam erdgeschichtliche Rücksichts- und Schrankenlosigkeit. Schlummert in Guinevere eine Kraft, die das Schwert aus dem Stein löst? Siehe Excalibur/Artussage.

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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