Konfabulation - Frei nach Wanda Sacher-Masoch

#TexasText/Jamal Tuschick Fürst Adam Jerzy Czartoryski (1770 - 1861) startete seine Laufbahn (nach der Niederschlagung des Kościuszko-Aufstandes von 1794) als Geisel am russischen Hof. Der Generalssohn avancierte zum Vertrauten und Außenminister des Zaren ...

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Konfabulation

Fürst Adam Jerzy Czartoryski (1770 - 1861) startete seine Laufbahn (nach der Niederschlagung des Kościuszko-Aufstandes von 1794) als Geisel am russischen Hof. Der Generalssohn avancierte zum Vertrauten und Außenminister des Zaren Alexander I. Er tanzte auf dem Wiener Kongress, bevor er zum polnischen Verfassungsvater und Regierungschef wurde. Czartoryski war Mitglied der Warschauer Freimaurerloge Les trois frères. Nach dem Scheitern der polnischen 1830er-Revolution emigrierte er via Galizien und England nach Paris. Sein Exilstammsitz im Hôtel Lambert gab der polnischen Opposition eine noble Anschrift. 1842 gründete Czartoryski in der Türkei eine Kolonie - Adampol (Polonezköy). Er delegierte Ladislaus in Rufweite des osmanischen Herrschers Abdülhamid I. Auch der Sultan war lange ein Gefangener ruchloser Verwandter gewesen. In seinem Reich attachierte der Emissär zum Kommandeur der Reiterei in einem Krimkrieg. Er avancierte zum höfischen Zeremonienmeister und Pascha (wohl ohne zuvor konvertieren zu müssen). Ladislaus gewann dann auch noch das Vertrauen des ägyptischen Gouverneurs Ismail Pascha.

Unter dem Vorwand, eine Kur nötig zu haben, entzog er sich der orientalischen Sphäre. Er kaufte das zur Ruine abgesunkene Schloss Bertholdstein bei Gleichenberg, forcierte die Instandsetzung mit schier unbegrenzten Mitteln und brachte in dem Palast die gehaltvollste Orientsammlung Europas unter. Sie lässt sich heute noch im Polnischen Nationalmuseum in Krakau bewundern.

In der Steiermark tritt Graf Ladislaus als Sefer Pascha auf. Selbstherrlich lässt er eine Straße zum Schloss da anlegen, wo vorher nur ein Saumpfad war - den Sefer-Pascha-Weg.

So einen Gebirgssultan von eigenen Gnaden kann sich die zur Konfabulation begabte, in Graz gestrandete, mit den Sacher-Masochs auf vertrautem Fuß stehende Abenteuerin Anna-Catherine Strebinger nicht entgehen lassen. Sie schreibt dem Pascha.

„Schon am nächsten Tage kam eine sehr warme Einladung von Sefer Pascha.“

Aurora fährt mit. Zwar zeigt sich der Pascha zuvorkommend und ganz und gar als Grandseigneur, doch gelingt es ihm nicht, Aurora ein boshaftes Wesen zu verhehlen. Sie sieht einen tückischen Halbgreis, der Menschen wie Spielfiguren bewegt.

Aurora verdient unsere Bewunderung. Die ebenso unverbrauchte wie unvoreingenommene Chronistin schildert Bertholdstein als überladene Bruchbude.

„Es lag etwas Beleidigendes in dieser Verschwendung, diesem Reichtum, der einen kalt und steif anstarrte wie die Augen seines Besitzers.“

Aurora und Anna snacken mit dem Gastgeber unter einer Linde im Schlosshof. Ladislaus führt seine Pferde vor. Englische Reitknechte präsentieren die „kostbaren Tiere“. Die ihrem Zuspitzungseifer ausgelieferte Anna will wieder einmal die Dinge auf die Spitze treiben und dem Ganzen die Krone ihrer Intransigenz aufsetzen.

Die Ärmste hat sich dem Furor verpfändet.

„(Anna) war fest entschlossen, sich von Sefer Pascha (ein Pferd) schenken zu lassen.“

„In Graz auszureiten, Neid zu erregen, dieses Verlangen zitterte in ihr.“

Aurora fängt den Blick ein, mit dem der wetterfeste Stratege Anna durchschaut. „Ein junger schöner Nubier“ aus dem Tross der Bediensteten weckt Annas Begierde. Auch das entgeht Ladislaus nicht. Gleich erzählt er, dass er „der Kaiserin Elisabeth einen ebenso prächtigen geschenkt (habe)“.

Aurora und Anna begeben sich zur Nacht. Diener führen sie durch ein Labyrinth.

„Es war eine lange … Wanderung.“

Die Wanderinnen passieren Galerien, Korridore und Säle, „die von Waffen und geharnischten Rittern starren“. Durch Schießscharten fällt „gespenstisch das Mondlicht“. Sie queren einen vom Blitz getroffenen und verwüsteten Raum. Nicht viel später erreicht Aurora ihr Schlafzimmer. Sie fühlt sich in ein übles Loch verbannt.

„Hier hat die Angst Platz sich zu verstecken und nachts aus allen Winkeln zu kriechen und einen zu überfallen.“

Aurora inspiziert Annas Unterkunft. Sie liegt hinter einem „mit raffinierter Eleganz eingerichteten Toilette-Zimmer … (das) Schlafgemach war reizend … und voll schöner Dinge“.

Offenbar erfahren die Freundinnen eine Ungleichbehandlung nach den Vorlieben des Paschas. Erst am nächsten Morgen realisiert Aurora, dass vor ihrer Bude ein Balkon die Landschaft überragt, und ein köstlicher Fernblick bis zum Schloss Trauttmansdorff zum Verwöhnprogramm gehört.

Aurora holt Anna aus dem Bett und zeigt ihr das Panorama. Ein französisches Kammermädchen serviert den Kaffee in einer Mopsmeute, die über den Möbelparcours hinwegfegt.

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

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