Mehr zur Kasseler Geheimgesellschaft ‚Orden der ritterlichen Schwestern‘

#TexasText/Jamal Tuschick Mehr zu der Kasseler Geheimgesellschaft ‚Orden der ritterlichen Schwestern‘

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„Der geschickte Taktiker kann mit der Shuairan verglichen werden. Die Shuairan ist eine Schlange, die in den Chang-Bergen gefunden wird. Schlage ihr auf den Kopf, und der Schwanz wird dich angreifen; schlage ihr auf den Schwanz, und der Kopf wird dich angreifen; schlage sie in der Mitte, und Kopf und Schwanz werden dich angreifen.“ Sunzi

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„Wenn man etwas erfolgreich umgestalten will, muss man so weit gehen, dass die (Nachfolger:innen*) nicht mehr umkehren können.“ Deng Xiaoping

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„Noch vor wenigen Jahren … waren wir froh, wenn wir ein Fahrrad besaßen. Jetzt sitzen wir in Privatjets. Von dort hierher in weniger als einem Leben - das ist unbegreiflich.“ Desmond Shum

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„Wahre Freiheit definiert sich über harte Arbeit und Entschlossenheit.“ Ai Weiwei

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„Was uns im Westen besonders beeindruckt hat, ist diese kühne Art und Weise, die Sujets zu beschneiden: … (Die Japaner) haben uns eine andere Art der Bildkomposition gelehrt.“ Claude Monet

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„Im Kampf ist ein mutiger Geist alles. Das erste Trommelschlagen erweckt diesen Geist, doch beim zweiten schwindet er bereits, und nach dem dritten ist er ganz verschwunden. Ich griff an, als ihr Geist sie verlassen hatte.“ Sunzi (sich auf Cao Gui berufend)

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„Dass es (den Russen) nicht gelingt, einen derart unterlegenen Gegner zu überrennen, ruiniert das Ansehen ihrer Armee.“ Herfried Münkler in der NZZ, Quelle

Was zuvor geschah

Als sich Cole von Pechstein zum ersten Mal einen Schwarzen Gürtel umbindet, ist er sieben. In seinen Adern fließt Karateblut. Daran zweifelt keine Meisterin*, die Maeve von Pechstein konsultiert, um sich Gewissheit über die Prädestination ihres Großneffen zu verschaffen. Die Gründerin der Karateschule Pechstein schickt Cole in ein Karatekloster auf Okinawa. Seine Ausbildung setzt er in China fort. Mit dreizehn hat der in Lubbock, Texas, geborene, in Kassel herangewachsene Cole sechs Jahre in Asien verbracht. Nach Kassel kehrt er als kompletter Karateka zurück. Nun ist es an ihm, Wissen weiterzugeben. Nur eben nicht an jede(n)*. Lien Thunderbolt überwindet die Zugangsbarrieren. Sie zählt zur ersten Kohorte des Frauenleistungskaders. Dreißig Jahre später bittet sie um Wiederaufnahme in den Orden der ritterlichen Schwestern zu Kassel. Sie legt ihr Schicksal in die Hände von Amina Coogan, Ex-Weltmeisterin, Hundert-Wo(man)-Kumite-Granate und Präsidentin des Gremiums, das den Orden, die Schule und eine Geheimgesellschaft regiert. Die Physiotherapeutin Amina sah keinen Grund, Kassel je zu verlassen. Wir treffen sie täglich im Habichtswald oder in der Söhre. Stille umgibt sie. Manche sagen tödliche Stille. Keine Göttin könnte bescheidener auftreten als Amina. Nebenbei leitet sie auch die Vortragsreihe in der Karateschule. Wir haben gestern schon von Liens Wiedereinstiegsreferat berichtet.

Mehr zu Liens Vortrag in der Kasseler Karateschule Pechstein. Siehe unbedingt Die Amina-Ära - Nachrichten aus der Kaderkeimzeit.

In China ist Langlebigkeit das Maß aller Dinge, erklärt Lien. Man dehnt die persönliche Spanne. Darüber hinaus überlebt man in seinen Nachkommen. Deshalb zählt für die greise Nomenklatura „Blutsverwandtschaft mehr als Ideologie“. Quelle

„Ihr Vermächtnis (erfüllt) sich nur dann, wenn die nächste Führungsgeneration aus ihren eigenen Kindern besteht.“ Quelle

Heute ist Lien eine Frau von gestern. Doch im Jetzt des Aufbruchs, der ihre Karriere mobilisierte, erschien sie im Dunstkreis des Entrepreneurs Xu Jiayin als veritable Masterin of the Universe. Xu war der chinesische Elon Musk der Startphase, die der bleiernen Zeit der abklingenden Kulturrevolution (1967 - 1976) folgte. Als Deng Xiaoping (1904 - 1997) zur Harmonisierung von kapitalistischem Wettbewerb und kommunistischer Ideologie aufrief, ging Xu wie eine Rakete ab durch die Mitte. Er begann als Stahlwerker, bevor er in der Sonderwirtschaftszone Shenzhen einen Immobilienentwickler aus sich machte.

Lien eierte hinter Xu her, so wie sie Cole gefolgt war.

Cole ist der Urheber unseres Karatefrauenwunders. Er schmiedete einen Weltklassekader einst, in dem Lien begeisterte Mitläuferin gewesen war. Gescheitert auf der ganzen Linie, fand sie Zuflucht im magischen Dōjō.

Das Politbüro-Regime zimmerte den Rahmen für massenhaften Wohlstand. Über Nacht entstand eine Klasse ohne historisches Vorbild. Für die aus ewigen Elendskreisläufen Herauskatapultierten baute Lien Wohnungen, die ins Bild vom neuen China passten. Nationalistischer Enthusiasmus war für die vom Glück Erfassten selbstverständlich. Junge Chines:innen* stehen loyaler zu ihrem Staat als ihre Eltern es taten.

Status erzeugt Stolz. Eine rasend schnell breiter werdende Mittelschicht bedankte sich mit beseeltem Konformismus für eine gedeihliche Gegenwart und die guten Aussichten als künftige Nummer Eins auf allen Weltspielfeldern.

Lien genoss ihren Paradeaufstieg in den Nullerjahren. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Im Herbst 2010 erschien ein Artikel, der Liens Delegitimierung einleitete. Die interessierte Öffentlichkeit erfuhr von Millionen Dollar auf dem Konto von Liens Mutter, einer Ingenieurin im Ruhestand. Das war der Anfang vom Ende. Am Ende war Lien bis über beide Ohren verschuldet und froh über die Rente ihrer Mutter. Sie wohnt wieder in ihrem Kinderzimmer.

Morgen mehr.

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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