Stalins Comeback

#TexasText/Jamal Tuschick Jede philosophische Extraschleife hängt mit einer vitalen Notwendigkeit zusammen. Schenken Sie sich die Arabesken und suchen Sie den basalen Grund, bis Sie begreifen, was Denken in seinem Kern bedeutet: Konfliktmanagement.

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Intelligenter Idiot

Kommt Ihnen jemand krumm, machen Sie sich erst gerade und dann diesen Jemand rund.

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Jede philosophische Extraschleife hängt mit einer vitalen Notwendigkeit zusammen. Schenken Sie sich die Arabesken und suchen Sie den basalen Grund, bis Sie begreifen, was Denken in seinem Kern bedeutet: Konfliktmanagement.

Jiménez salbadert so im Spielzimmer einer Kneipe mit dem schlichten Namen Schwarzburg 82. Es mieft nach kaltem Rauch und Maische. Herr Lehmann-Zwo bestellt Makkaroni in Jägersoße, eine Kreation von Grete für Dreimarkzwanzig. So opponiert er gegen den vorauseilenden Unterwerfungsfuror seiner Freundinnen und Freunde aus der Nordend-Kanakster-Laufgruppe. Was ist das überhaupt für eine dämlich Masche, sich im Unterricht zu siezen? Auch dies geschieht, weil Jiménez es so will.

Den Feind lähmen Sie mit ihrer Zuversicht.

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Beachten Sie die Prinzipien, so machen Sie alles richtig, während die Deppen auf der Gegenseite im besten Fall nicht alles falsch machen.

Autonomous balance re-establishment

Turnmutter Jiménez Tyron ist als Staline im Gebiet (sprich Nordend) verschrien. Sie doziert über die „autonome Ausgleichsbewegung“ bei drohendem Gleichgewichtsverlust. Das kompensatorische Muster führe in die Depression der Dysfunktionalität. Die unbewusste Gleichgewichtswiederherstellung zerstöre den letzten Rest des Gleichgewichts.

Wie kann das sein? Warum sind wir nicht von Natur aus befähigt, unser Gleichgewicht zu wahren?

Acceleration and Alignment

Jiménez pfeift. Wie ein Mann geht die Gruppe im Günthersburgpark zu Boden. Liegestütze. Klappmesser. Liegestütze. Die Vorsitzende der Nordend-Kanakster-Laufgruppe (es wird noch nicht gegendert, anderenfalls wäre Jiménez die Erste) zählt krumm: „Bir buçuk, iki buçuk, üç buçuk. Yallah, meine Häschen.“

“Free yourself from all unnecessary tensions - Sans Souci.”

Neben Goya schnellt Malka auf die Füße. Sie kam in Ashkelon zur Welt, zehn Jahre nach dem größten Augenblick im Leben ihres Vaters. 1967 hatte er Shlomo Goren nach Jerusalem begleitet, wo der General zum Zeichen des Sieges (im Sechstagekrieg) das Schofar blies, während Juliette Gréco in Paris für Israel sang; 1973 wurde Goren an der Bar-Lew-Linie von ägyptischen Streitkräften überrannt.

Bei Malka muss sich keiner fragen, ob oder ob nicht. Sie hat. Sie könnte für die Zahal Modell gestanden haben, den Vollautomaten vor der Brust. Israel inszeniert den Wehrdienst als schicke Sache. Goya kennt Israels (ungünstige) Militärgeographie aus dem Effeff und Malkas Familiengeschichte immerhin so gut, wie Google es ihm eingab. Malka rechnet einen Bar-Giora-Gründer (Zionistischer Selbstverteidigungsclub in der Osmanischen Palästina Periode) und sogar Grandmaster MoD zu ihren Vorfahren. (Als Ben Gurion am 14. Mai 1948 in Tel Aviv Israel ausrief, stand Moshe Dajan in Galiläa und wartete auf die Syrer. Er formte die Haganah zur Zahal (IDF) wie Gott den Menschen aus Erde vom Ackerboden.) Malka durchlief das Testprogramm für das Caracal Bataillon (in Gründung). Es wird bald mit einem Frauenanteil von siebzig Prozent die Grenze zu Ägypten sichern. In ihm wird sich die erste Araberin, Elinor Joseph, an israelischen Kampfeinsätzen beteiligen.

Malka stellt eine gammelige Lässigkeit zur Schau, die ein Kommentar zu Jiménez’ maskulinem Stalin-meets-Shaolin-Stil sein könnte. Natürlich hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Die Bahnen der Meisterinnen kreuzen sich erst seit Wochen, angeblich sucht Malka (neu in Frankfurt) Anschluss an eine frauendominierte Gemeinschaft. Ihr wurde ein Zimmer in der feministischen Prominentenwohngemeinschaft am Friedberger Platz ohne Vorgespräch eingeräumt. Sie soll auf der Dachterrasse die Nase gerümpft haben.

Alle buhlen um Malka. Malka mobilisiert sich in einem Hatschepsut-Gedränge, mit einer an Ablehnung grenzenden Gleichgültigkeit für ihre Attraktivität. Auf ihrem Textilrücken steht: Let us make our future now. Das Statement versteht, wer weiß, dass die transsexuelle israelische Eurovision Song Contest-Gewinnerin Dana International Let us make our future now zu ihrem Slogan gemacht hat.

Die Kanaksterinnen und Kanakster überrollen den Strand (des Günthersburgparks). Staatsmännisch passiert Goya die Gasse zwischen Sitzenden. Von Jahr zu Jahr zieht sich die Gasse länger hin. Ein Bauarbeiterdekolleté sticht Goya ins Auge. Ekel schießt hoch und trifft einen grau gähnenden Vollbart. Wie unter Schenkeldruck setzt Goya der Anstrengung Tempo zu, zu schwer atmend für die gelinde Steigung. Wieder pfeift Jiménez, Goya fällt auf die Hände. Er verschärft für sich das Programm, der Wunsch, in Form zu bleiben, wenigstens halbwegs mit dem Asthma und den kaputten Knien, versteckt mehr Sehnsucht als Ehrgeiz. Goya tagträumt wehmütig von einer (schon lange flüchtigen) Leichtfüßigkeit. Über nachbildlichen Erinnerungsschneematsch wälzt sich eine leptosome Vergangenheit mit viel Sport und wenig Sex.

„Yallah, meine Damen.“

Malka stürmt vor. Sie überläuft Jiménez, die das nicht gern sieht.

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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