“We all should be feminist“

Chimamanda Ngozi Adichie Das Credo der Schriftstellerin lautet: “We all should be feminist.“

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Viele Männer auf dem Feld, das Obinze überblickt, quellen auf unter dem doppelten Druck, der sie dimensioniert und dynamisiert. Auf der einen Seite müssen sie am schnellsten und am lautesten lachen, wenn ihre Paten sie mit abgestandenen Witzen vorsätzlich ermüden. Sie müssen es sich in jedem Fall gefallen lassen, als Zuhälter ihrer Geliebten auftreten, sobald ein Boss die Gefolgsmannfrau begehrt, oder vielleicht auch einfach nur so tut, um einen Schergen in die Schranken zu weisen; um ihn zu deckeln, ihn kleinzuhalten und aufkochen zu lassen. Die Obinzes sind in ihrer Dependenz Meister der Unterwerfungsrituale einerseits. Beinah gleichzeitig stehen sie in der Pflicht, jederzeit eine überzeugende show of force abzuliefern. Zu ihrem Programm gehört es, zu buckeln, zu bluffen, zu blaffen und zu bouncen.

Männer mit Obinzes Reichweite existieren in Höllen der Vorläufigkeit. Sie haben viel zu verlieren (da sie von ihren Herren ausgestattet werden wie Mätressen), aber kaum eine Möglichkeit, etwas festzuhalten.

Chimamanda Ngozi Adichie, „Americanah“, Roman, übersetzt von Anette Grube, S. Fischer Verlag, 864 Seiten, 15,-

Obinze plagt „eine zehrende Mattigkeit an den Rändern seiner Gedanken“. Erleichterung sucht er in einem viralen Flirt mit Ifemelu. Sie verdankt Obinze durchgreifenden Sexgenuss im Rahmen adoleszenter Offenbarungen.

Die Frau aus Lagos will nach dreizehn Jahre in den Vereinigten Staaten zurück.

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Für Ifemelu unterscheidet sich Princeton von anderen amerikanischen Orten mit Markencharakter in einer besonders angenehmen Weise. Der Nigerianerin gefallen die „maßvoll überteuerten Geschäfte“. Den Campus findet sie „gravitätisch vor Gelehrsamkeit“. Sie erlebt Princeton als ein Schauplatz „wohlhabender Ungezwungenheit“.

Der Roman fädelt sich in Chimamanda Ngozi Adichies feministischer Großerzählung ein. Das Projekt erzeugt einen grandiosen Widerspruch zu der landläufigen Vorstellung, Feminismus sei „unafrikanisch“.

Ifemelu pflegt einen Blog, auf dem sie Zufallsbegegnungen auf den Allgemeinplätzen des Common Sense ausschlachtet. Ein weißer Social Justice Warrior erläutert ihr den Vorrang der Klassenfrage.

„Rasse wird total überschätzt“, behauptet er.

Ifemelu beobachtet Durchmärsche schlanker Weißer „in den Bahnhöfen von Manhattan“ - und Straßenszenen mit einer wachsenden Zahl dicker Schwarzer, je weiter sie die Brooklyner Zwiebel schält. Ifemelu weiß, dass „dick“ keine passende Bezeichnung in den Vereinigten Staaten ist, auch nicht für Dicke. Sie selbst begreift sich ohne einen sprachlichen Ausweg als dick.

Auf dem brüchigen Podest der Zuneigung, die Blaine für sie empfindet, versucht Ifemelu, sich attraktiv zu fühlen. Interessanterweise subsumiert sie ihren Beziehungsstatus unter die soziale Solvenz zwischen Studium und dem Zuspruch für ihren Blogaktivismus.

Ifemelu hat die Maximen der Leistungsgesellschaft verinnerlicht.

Die Jahre mit Blaine erscheinen ihr „wie ein glattgebügeltes Laken“. Sie enden gerade im Ringen um die richtigen Schlussformulierungen.

Troublesomeness

InIfemelus erster HeimatLagos spinnt Obinze einen Sehnsuchtsfaden weiter. Da glimmt eine lange Lunte zwischen der Expatriierten und dem Edelstrohmann; verheiratet nun, und Vater längst auch.

Obinze war Ifemelus bester Liebhaber. Er überzeugt auch die Zunft mafiös-nigerianischer Macher:innen. Allein seine Schwester findet ihn zu weichherzig. Sie akzeptiert ihren Bruder nicht als Partner.

„Ich brauche jemanden mitgra-gra.“

Was ist das denn?

Google bietet mirtroublesomenessundstubbornnessals Synonyme an. Das heißt wohl, Obinzes Schwester glaubt nicht auf einen Kompagnon verzichten zu können, dem man die Rolle eines Prinzen aus Eisen abnimmt.

Wohnzimmervorträge

Adichie erzählt Obinzes Geschichte. Obinze verdankt seinen Erfolg einem Geck, der sichChiefnennen lässt. Der Mann hält gern Wohnzimmervorträge. In der Rolle des Bittstellers bleibt Obinze nichts anderes übrig, als sich das Ohr abkauen zu lassen. Er applaudiert den Binsen seines Gönners.

Der Chief erklärt Nigeria mit einer Liedzeile:Niemand weiß, was morgen ist.

Er zieht vom Leder:

„Erinnert ihr euch an diese großen Banker währendAbachasRegierungszeit? Sie haben geglaubt, dass ihnen das Land gehört, und als Nächstes saßen sie im Gefängnis.“

Aus der Ankündigung

Eine einschneidende Liebesgeschichte zwischen drei Kontinenten – virtuos und gegenwartsnah erzählt von einer der großen jungen Stimmen der Weltliteratur.

Chimamanda Adichie erzählt von der Liebe zwischen Ifemelu und Obinze, die im Nigeria der neunziger Jahre ihren Lauf nimmt. Dann trennen sich ihre Wege: Die selbstbewusste Ifemelu studiert in Princeton, Obinze strandet als illegaler Einwanderer in London. Nach Jahren stehen sie plötzlich vor einer Entscheidung, die ihr Leben auf den Kopf stellt. Adichie gelingt ein eindringlicher, moderner und hochpolitischer Roman über Identität und Rassismus in unserer globale Welt.

Zur Autorin

Chimamanda Ngozi Adichie ist eine der großen Stimmen der Weltliteratur. Ihr Werk wird in 37 Sprachen übertragen. Für »Americanah« erhielt sie 2013 den Heartland Prize for Fiction und den National Book Critics Circle Award. Ihr Roman »Blauer Hibiskus« war für den Booker Prize nominiert, »Die Hälfte der Sonne« erhielt den Orange Prize for Fiction 2007. Mit ihrem TED-Talk »We should all be Feminists« verankerte die Nigerianerin den Feminismus fest in der Popkultur. Auf Deutsch liegt der Text im FISCHER Taschenbuch vor: »Mehr Feminismus! Ein Manifest und vier Stories«. Zuletzt erschien 2017 im FISCHER Taschenbuch »Liebe Ijeawele. Wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden«. 2018 wurde Chimamanda Ngozi Adichie mit dem PEN Pinter Prize und dem Everett M. Rogers Award ausgezeichnet. 2019 wurde ihr der Kasseler Bürgerpreis »Das Glas der Vernunft« verliehen. 2020 erhielt sie den Internationalen Hermann-Hesse-Preis für »Blauer Hibiskus«. Chimamanda Ngozi Adichie wurde 1977 in Nigeria geboren und lebt heute in Lagos und in den USA.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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