Wir sind in einem Kampf

Generationen im Gespräch Gestern Abend schloss Philipp Ruch im Gespräch mit Franziska Heinisch (vom Jugendrat der Generationenstiftung) in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche die AfD aus dem ...

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Gestern Abend schloss Philipp Ruch im Gespräch mit Franziska Heinisch (vom Jugendrat der Generationenstiftung) in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche die AfD aus dem Bund der Demokraten aus. „Die AfD hat den Konsens aufgekündigt“, erklärte der künstlerische Leiter des Zentrums für politische Schönheit.

Eingebetteter Medieninhalt

Philipp Ruch verurteilt die Bereitschaft zu einer „innerpolitischen Appeasement-Politik“ im Verhältnis zur AfD. Er vergleicht den Wimpernschlag der Gegenwart mit der Lage von 1932. Damals habe es kaum mehr als diese beiden Möglichkeiten gegeben:

„Die NSDAP einbinden oder zerschmettern.“

Solche, „die die Geschichte ernstnehmen“, könnten vor einer Einbindung der AfD nur „in gestochener Schärfe“ warnen.

Franziska Heinisch fragt, ob der Klimakampf nicht noch dringlicher sei als der Kampf gegen die AfD. Ruch spricht in seiner Entgegnung „eine Überlagerung verschiedener Kämpfe“ an, die seines Erachtens zusammengehören. Die AfD könne sich selbst wie das Kaninchen als „Antiklimawandelpartei“ aus einem alten Hut zaubern und so jene einsammeln, die Greta Thunberg für in jeder Hinsicht zu jung und Fridays for Future für eine Einladung zum Schule schwänzen halten.

„Das sind die Stillen,“, weiß Heinisch. Die, die sich zwar nicht äußern, aber von Wut getunt jederzeit bereit sind, Entscheidungen gegen ihre eigenen Interessen zu fällen, bloß um nicht Kinder an die Macht kommen und Merkel an der Macht bleiben zu lassen. Oder, um nicht national ungebundenen Eliten noch mehr Bedeutung zu geben. Oder, um der Einwanderung einen „Remigrations“-Riegel vorzuschieben. Das oder kann stets auch als und gelesen.

Die Stillen lassen sterben.

Ruch rät zur „wehrhaften Demokratie“. Wer sich wehrt, hat schon halb gewonnen. Während die anderen zuschauen können, wie die Geschichte über sie hinwegfegt.

Ruch vermisst ausgewiesene Menschenrechtler in Spitzenpositionen. Er fordert: „Schluss mit der Geduld“. So heißt auch sein aktueller Titel. Heinisch findet „Schluss mit der Geduld: klingt ein bisschen eilig“.

Ruch hat es eilig. Daran lässt er keinen Zweifel aufkommen.

Wo ist Robert Habeck?

Man spürt, Heinisch sucht das Konstruktive, die Handlungsanleitung, eine nicht polemische Bestimmung von Zukunftskoordinaten. Auch sie hat ein Buch geschrieben, das bald erscheinen wird und von einem politischen Plan handelt. Es geht um dominante Teilhabe nach den Regeln der demokratischen Aushandlungsprozesse; während Ruch für außerparlamentarisches Kawumm steht, für action-basierte Theatralik und einer zeitgenössischen Tugendterrorattitüde. Da sitzt eine zukünftige Politikerin mit einem Künstler zusammen, der bestimmt keine zweite Karriere nach seiner #politicalbeauty-Tour-de-Force als Parteivorsitzender starten möchte – und doch Heinisch zu einer Parteigründung rät, weil selbst „der Robert (Habeck)“ in der Klimafrage nicht zündet.

„Auf die Grünen könnte weniger Verlass sein als man denkt.“

„Wer sind Wir?“ fragt Heinisch leicht indigniert von dem losen Ton, mit dem Ruch das Mühsame und Bedenkliche ignoriert. Ein alter weißer Mann erzählt von „Ausgestorbenen, die plötzlich wieder da sind“, als sei ihm ein Dinosaurier mit Lesebrille im Kirchenschiff begegnet.

Sind nicht sogar die Rechten neu? Ist Gauland nicht nur ein trojanisches Pferd oder potemkinscher Dorfschulze – ein vermeintlicher Verwesungshüter?

„Wir leben in einem Albtraum“, raunt Ruch. Wieder rät er der jungen Kollegin zum Parlamentarismus. „Ein Abgeordneter hat mehr Macht“, als wir hier. Obwohl, so Ruch, ein „moralischer Hardliner“ nach eigener Angabe: „Ich kann den Abgeordneten zwingen und erpressen. Man muss wissen, wie man das macht.“

Heinisch möchte lieber eine Revolution planen. Mich erinnert das an ein - Lenin zugeschriebenes - Zitat: „Wenn die Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen sie sich erst einmal Bahnsteigkarten.“

Heinisch fragt nach einer Agenda:

„Was ist der erste Schritt?“

„Es gibt viele Möglichkeiten, die Politik zu kapern“, hält Ruch Heinisch entgegen. Beinah abschließend stellt er fest:

„Die Geschichte wird von Einzelnen geschrieben.“

Ich hoffe, bloß nie wieder von Leuten, die zu wissen glauben, wie manAbgeordnete zwingen und erpressen“ kann. Mit seinem Rechtsstaatsverständnis scheidet der „moralische Hardliner“ Ruch als Berater künftiger Parlamentarier*innen aus.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden