Zwiesprache ohne Gegenüber

Mely Kiyak Eine Kolumne ist wie eine Zwiesprache ohne Gegenüber, sagt Mely Kiyak.

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Unter der maßlosen Überschrift „Hundert Jahre Mely Kiyak“ versammelte sich gestern die Gorki-Familie auf der Studio Я Bühne des Berliner Maxim Gorki Theaters an einer langen Tafel, um die hundertste Kolumne ihrer Lieblingskolumnistin zu feiern. Hausherrin Shermin Langhoff verkündete: „Für euch habe ich New York sausen lassen.“ Ihre Gorkis seien wichtiger als Trallala in Amerika. Es saßen zusammen (zu sehen auf dem Tafelbild) von links: Max Czollek, Necati Öziri, Mely Kiyak, Margarita Tsomou, Sasha Marianna Salzmann, Deniz Utlu und Mehmet Yılmaz.

Eingebetteter Medieninhalt

„Eine Kolumne ist wie eine Zwiesprache ohne Gegenüber und die am meisten journalistische aller literarischen Gattungen“, erklärt Mely Kiyak.

Man müsse sich von „Diskurssprache“ freimachen, um Kolumnen so schreiben zu können. Die Kolumnistin behauptet erkennen zu können, ob jemand auch liest oder nur schreibt. Ihre Texte sind jedenfalls Lektüre-Derivate.

„Ich lese alles.“

„Es gibt kein Schreiben ohne Lesen.“

Ich denke einen Satz, den ich Stunden zuvor von Ulla Berkéwicz hörte:

„Das Erzählen kommt aus der Wüste.“

Margarita Tsomou fällt die Aufgabe zu, das Tischgespräch zu dirigieren. Sie lässt sich über ihre Aufgabe aus und verspricht Strenge. Sie habe kein Problem mit der Rolle einer „Moderationsdomina“.

Tsomou will wissen, „was die Kolumne mit unseren Köpfen und Herzen macht“.

Kiyak zieht sich auf einen Außenposten des bekennenden Unbehagens zurück. Sie tritt nicht gern auf. Dabei ist sie schlagfertig. Die Weltlage und ihre Lust sind Seilerinnen jenes Taus, dass Kiyak im Takt der Veröffentlichungen ihren Asylheimbewohner*innen anbietet, um sich daran festzuhalten oder damit aufzuhängen.

Nach einer Kiyak-Melodie:

Worin man uns deportieren wird. Doch diesmal gewiss nicht in den Viehwagen der Deutschen Bahn.

Das Gorki ist eine Art Asylheim mit Theater-AG. – Ein Scharia Schtetl mit eingemotteter FlixBushaltestelle, an der bei Inbetriebnahme indigene Iphigenien das Schicksal der Vergeblichkeit ereilen wird. Sie dürfen nicht mit, wenn die Deportationen in den grünen FlixBussen losgehen.

Auch schön:

„Diese Nazis sind gegen Inklusion, brauchen aber zum Arschlochsein unsere Hilfe.“

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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