Chez Knackwurst

Fernsehen Kurt Krömer war einer von vielen Comedians. Jetzt avanciert er als professionelles Scheusal zum Roasting Star am Online-Himmel

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Kurt Krömer ahnt offensichtlich schon 2011, dass es bei ihm ein paar Jahre später recht formidable laufen wird
Kurt Krömer ahnt offensichtlich schon 2011, dass es bei ihm ein paar Jahre später recht formidable laufen wird

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Das Alter tut ihm gut, die entgrenzte und entgrenzende Frechheit, auch. Kurt Krömer steht seit zwanzig Jahren auf der Bühne und mimt den schlechtgelaunten Berliner der unteren Mittelklasse im schrillen Anzug. Der Herrenausstatter (laut eigener Aussage, brach er die Ausbildung ab) dreht sich im Comedy-Universum in der subversiv-intellektuellen Sphäre, was aber dennoch an dem Setting nicht wirklich was änderte. Die Gags nach einem festen Skript abzufeuern. Das alles kann genug sein, ihm aber nicht.

Das Fernsehen ist tot, wer das wirklich verstanden hat, der ist schon ein Stück weiter. Denn immer glauben noch viele Menschen beim Rundfunk, sie würden da wirklich noch einen Sendeauftrag per linearem Fernseher erfüllen. Wenn ein Fünfzehnjähriger überhaupt verstehen würde, von was die alten Menschen da reden, er würde sich vor Lachen an seiner eigenen Spucke verschlucken. Talkshows haben eine Form angenommen, dass man manchmal überlegen muss: ist das der Indikativ der Sendung oder doch schon die Parodie von Switch. Insbesondere die als ach-so-hart geführten politischen Talkshows müssen von wahren weltbegreifenden Menschen als letztes Bollwerk des bürgerlichen Schwachsinns angesehen werden. Negativer Erkenntnisgewinn und Lebenszeitverkürzung, wenn Sandra Maischberger mit alten und den irgendwie immer gleichen Männern einen „Diskurs“ dreht.

Küppi behind the scenes

Da kommt Krömer mit dem wirklich frischen Format einfach im Zweireiher nackt aus der Hecke gesprungen. Online first, sei ihm wichtig. Sagt er. Oder lässt ihn der Produzent Friedrich Küppersbusch sagen? Küppersbusch (sollte mal Radio Bremen-Intendant werden) und die post-Firma von Alfred Bioleks pro GmbH (Köln; z.B. Bios Bahnhof, Boulevard Bio) im Background (nein, nicht die Firma von Reinhold Beckmann, die heisst (höhö) Beckground), das erinnert an den weisen Hans Hütt hinter Jung & Naiv. Es ist für Krömer sicher das Fundament sich auf Klippen zu wagen, die einem Comedian per se eben nicht ab initio zuzutrauen sind.

Wenn man im englischen von roasting spricht, meint man, seinen Gesprächspartner zu grillen. Das ist dem deutschen Fernsehen doch wahrlich fremd geworden, will man es sehen, kann man es noch bei der Deutschen Welle erhaschen - aber auf englisch. Tim Sebastian grillt dort im Format Conflict Zone seine politischen Gegenüber. Er packt sie hart an, treibt sie in die Ecke - und blickt dennoch sehr britisch über eine Lesebrille, von der man immer erwartet, nun rutsche sie aber von seiner spitzen Nase.

Höller on the grill

Das da früher keiner draufgekommen ist. Hart facepalm. Roasting! Im Fernsehen! Online first! Community! Intellektueller Comedian mit Schnauze und einer gewissen Form von Fame-Immunität. Das wäre die Creme de la Creme. Nach fünf Jahren Fernsehabstinenz ist er wieder on stage. Wie eine Knackwurst im Siedebad, fast vorm Platzen vor Angriffslust: Verhörzellenstil, Remineszenz an die DDR, scharfer Ton und ein erster Gast, der ohne Handschlag nach der Sendung ging. Der arme Motivationsguru Jürgen Höller lächelte tapfer gegen eine halbe Stunde Demütigung, blickte wehleidig über Krömers Aktenkoffer und begriff, dass hier gar kein Blumentopf zu gewinnen war. Fand auch Krömer, der seinen Gast die Wasserflasche selbst am Tisch aufreissen ließ und ihm in die Augen blickend beschied: das sei ja gar nicht mal so interessant. Höller rückte demonstrativ den Aschenbecher von sich weg: denn seit Helmut Schmidt traut sich endlich mal wieder jemand in einer Sendung zu rauchen und keine Besserung zu geloben.

Erika beats Bojcan

Krömer steigert sich im Risikopotential der Gäste. Höller grillte er wie eine überreife Zucchini weg, Philipp "Fipsy" Amthor bekam so rote Ohren, das eins davon schon dunkelblau anlief und Raed Saleh entblößte sich als so stumpf, dass Krömer ihm erstaunt am Ende sagte, das sei ja "Comedygold" gewesen. Nichts ist derweil ohne Absturz, auch für Krömer. Denn auch mit der Steigerung der Gäste, kamen die Rückschläge: Erika Steinbach als Gast nannte Krömer selbst eine „Nahtoderfahrung“ - wenn das reicht. Die eiserne Erika brachte Alexander Bojcan an seine echten Grenzen. So sehr, dass er Pause machen musste - und aus diesem dramaturgischen Kniff Wirklichkeit wurde. Steinbach war und blieb Teflon und Krömer zahnlos, der berechtigte Hass ließ ihn hilflos werden. Es fehlten fundierte Detailkenntnisse, um hart zurückschlagen zu können. Aus dem Roast wurde ein lauwarmes Trauerspiel.

The one for us

Zum Schluss der zweiten Staffel beschenkte er sich mit „Prinz Karneval“, Prinz Markus von Anhalt, Bordellbetreiber und Jetsetter. Nach dem Steinbachschen Debakel war Krömer hier nun wieder in alerter Form. Er griff an, wusste aber auch still zurückzuweichen, wenn der Prinz ihn mit einem Blick kurz vor der Ohrfeige belegte.

Dieses Format ist kraftraubend für alle Seiten. Aber es ist endlich ein Grund, nein, nicht den Fernseher anzuschalten (pff!), aber sich den Alarm auf Youtube zu setzen. Was nun noch folgen muss, ist ein separater Kanal. Weil mit dem rbb, hat das alles nichts mehr zu tun. „You are the one for me...formidable“, singt Charles Aznavour im Intro.
Wie recht er damit bei Chez Krömer hat.

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