Die Backmischung

Kriminalroman Im Kampa-Verlag wird mit den Lacroix-Krimis der Maigret-Saga in die Unendlichkeit verholfen. Ob der Teig aufgeht?

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Ich lehne an der Theke meines Stammcafés, die Marmorplatte ist kalt, mein Cortado heiß. Mein Barmann rührt den Teig für den neuen Kuchen an. Wenn er seine Kuchen bäckt, wirkt er noch zufriedener als sonst. Alles unterliegt einer Routine, die scheinbar meditative Hingabe ermöglicht. Was er wohl von einer viel praktischeren Backmischung hält?

Die Maigret-Romane bilden einen schier unendlichen Fundus und doch scheint der Kampa-Verlag auch dieses Lesegefühl mit allen Mitteln weiterführen zu wollen. Unter dem Pseudonym Alexander Lépic schreibt wer auch immer nun Krimis über den Pariser Kommissar Lacroix, der in den Romanen von den fiktiven Einwohnern Paris auch als „neuer Maigret“ angesprochen wird. Crazy shit. Bei der Aufmachung der Romane spart Kampe nicht, und doch ist das, was man bekommt, irgendwie mehr Backmischung als handgerührter Hefeteig. Auf Seite 108 ist dann für mich Schluss: mal wieder ein Dialog aus dem Fach für Holzschnitte. Klar, das Pariser Lebensgefühl wird fast auf Zwang mit genauen Ortsangaben und einer Map im Einband manifestiert, aber die Handlung...omg. "Muss los!", wie ein bekannter Youtuber sagen würde.

Kann etwas nur von der Atmosphäre leben, die auch bei Maigret vielfach beschworen wurde? Ich denke, leider nein. Ich würde gerne Krimis lesen können, allein mit den Maigrets hätte ich lange zu tun und die Auswahl fällt leicht. Doch es geht einfach nicht. Ich fühle Fließbandware. Und auch wenn man Simenon dafür bewundert, in kürzester Zeit Romane geschrieben zu haben, ob es das wirklich bringt? Bei Amazon bemängelte jemand das Preis-Leistungsverhältnis. Denn der Einband kann das Seichte nicht ausbessern, macht innen nichts dichter. Für‘n knappen Zehner wärs ok, mehr nicht. Vielleicht sollte man sich der alten Erkenntnis beugen, nicht alle schönen Momente prolongieren zu können.

Mein Barmann guckt mich erwartungsvoll an, als er mir am Tresen seine neueste Kreation mit Aprikosen präsentiert. Und schmeckts?, fragt er mich mit seinen großen dunklen Augen.
Sag mal, frage ich ihn, was hälts’n du eigentlich von Backmischungen?
Seine große Stirn legt sich in Falten, die Antwort ist ihm wohl fast zu anstrengend, so sinnlos erscheint ihm die Frage. Er nimmt aus einer der Schüsseln mit dem Finger frischen Teig und steckt ihn sich schmatzend in den Mund.
Weißt du, sagt er, das ist doch nix, egal wie du es nennst.

— Aha —

Noch einen Cortado, bitte!

Alexander Lépic: Lacroix und der Bäcker von Saint-Germain, Kampa-Verlag 2020, 16,90€

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