„Mein Beruf ist ein unbedingtes Wollen“

Beruf Peter Bures lebt in Wien seinen Traumberuf als Trambahnfahrer. Auf Instagram erreicht er damit tausende begeisterte Fans

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Pittoresk – eine Tram des Typ E2 vor Wiener Landschaft
Pittoresk – eine Tram des Typ E2 vor Wiener Landschaft

Foto: Peter Bures

Ich lerne Peter Bures auf Instagram kennen. Dort hat der Wiener Trambahnfahrer inzwischen mehr als fünftausend Follower*innen, die ihm begeistert bei seiner Arbeit auf den Schienen der Wiener Linien folgen. Peter ist 28 und absolvierte eine Lehre als Mechatroniker. Anschließend arbeitete er als Verkäufer in einer Elektronikeinzelhandelskette. Glücklich wurde er da nicht, den ganzen Tag in einem fensterlosen Raum zu arbeiten. Doch sein Traum wurde war als er zur Ausbildung als Trambahnfahrer bei den Wiener Linien zugelassen wurde. Seine Begeisterung für das Thema stand ihm aber nicht im Weg, sie half ihm sogar. Und diese große Begeisterung für alles, was sich auf Schienen in Innenstädten bewegt, lebt er auf seinem Instagram-Account @tramnatic_ Seine Videos haben teils sechsstellige Aufrufzahlen, seine Community zeichnet ein enthusiastisch-liebesvolles Miteinander aus.

Im Winter 2019 treffen wir uns in Wien; ich begleite ihn fünf Stunden als Fahrgast auf der Linie 25 zwischen Aspern und Floridsdorf. Während ich nach fünf Stunden Mitfahrt auf einem Plastiksitz im Fahrgastraum ordentlich durchgeschüttelt bin und absteige, fährt er noch mehrere Stunden weiter – eine ganz normale Schicht, zu der er mir später sagt: „Die Zeit verging wie im Fluge!“

Wir treffen uns am nächsten Tag in seiner Privatzeit in der Nähe der Wiener Staatsoper zum – wie sollte es anders sein – Schnitzelessen und philosophieren über alle was einen Pantografen, vulgo: Stromabnehmer, hat. Wenn etwas authentisch ist und bleibt, ist es Peters Begeisterung für das, was er tut. Er versprüht Lebensfreude, die auf seinem Beruf und seiner privaten Lebensentwicklung zu beruhen scheint.

Kurz nach dem Interview hält die Corona-Pandemie die Welt in Atem und daher berufsgedingt den Autor dieses Artikels leider auch. Peters Trambahnleidenschaft, die er weiterhin gekonnt und authentisch auf Instagram darstellt, soll aber deshalb nicht in der Archiv-Schublade landen. Er hat seine Followerzahl mittlerweile verdoppelt.

Übrigens hat er derweil seine große Liebe gefunden. Die selige Elizabeth T. Spira (ORF) hätte es in ihren Liebesg´schichten nicht besser arrangieren können: Seine Freundin fährt zwar selber keine Tram, ist aber auch voller Enthusiasmus beim Thema dabei und näht mit Detailliebe Plüsch-Trams, die unter Kennern begeisterten Absatz finden.

Achtung, ein Zug fährt ein...

Fühlst du dich manchmal vereinsamt in deinem Führerstand?
Nein, ich fühle mich nicht einsam, denn ich habe viele Menschen in der Tram, die ich transportiere. In den Pausen oder auch vor und nach den Diensten, kann man sich mit seinen Kollegen auf der Dienststelle austauschen. Und solche spannenden Erlebnisse wie auf der Tram, habe ich im Einzelhandel nie erlebt. Es findet Interaktion mit den Fahrgästen statt, die sich zum Beispiel bedanken oder nach dem Weg fragen. Das macht mir Spaß und freut mich. Erinnerst du dich an das anrennende Pärchen gestern? Die beiden haben sich herzlich bedankt.

Sind Männer oder Frauen dankbarer?
Ich glaube, da gibt es keinen Unterschied. Frauen zeigen es vielleicht öfter?

Kann man sich in der Tram verlieben?
Ich habe Kollegen, denen das in der Tram geschehen ist.

Du hast einen Beruf, wo der Weg das Ziel ist, und nicht das Ankommen. Hast du manchmal das Gefühl, auch einfach mal ankommen zu wollen?
Das habe ich bei den Rotphasen an der Ampel als Entspannung. Ich fahre sehr gerne und bin glücklich beim Fahren. Das Glück bei meiner Arbeit erfährt auch mein Umfeld und reagiert sehr positiv darauf.

Du bist immer an den Verlauf der Schienen gebunden. Nichtsdestotrotz sind Schienenfahrzeuge allgemeinhin beliebter als der Bussektor. Warum hast du diesen Reiz für Trams?
Gelenkbusfahren ist auch eine tolle Sache, aber nicht jeder fährt eine Tram, die 35 Meter lang, 43 Tonnen schwer ist und rund 200 Personen transportieren kann. Das empfinde ich als große Verantwortung und ist ein wichtiger Teil dieser Menschen, da man sie sicher von A nach B bringt.

Zur Person

Peter Bures, geboren 1994 in Wien, absolvierte zunächst eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann mit anschließender Tätigkeit bei einer Elektronikkette. Dann erfüllte er sich seinen Berufswunsch und wurde Straßenbahnfahrer bei den Wiener Linien. Nach bestandener Einstellungsprüfung und Ausbildung, lenkt er seit mittlerweile mehr als fünf Jahren Bahnen durch ganz Wien. Er lebt mit seiner Freundin in Wien.

Instagram: @tramnatic_

Wie wird man denn überhaupt Trambahnfahrer?
Nachdem man den Arbeitsvertrag erfolgreich abgeschlossen hat, erhält man bei den Wiener Linien eine Ausbildung, die knapp vier Monate dauert. Hierbei lernt man alles, was man für seinen Alltag brauchen wird. Dazu gehören die Grundsätze des Betriebs, die Signalvorschrift, die verschiedenen Fahrzeugtypen und natürlich das Fahren selber. Nach dieser intensiven Zeit mündet es dann in die Abschlussprüfung.

Wie hast du dich auf die Einstellungstests vorbereitet?
Die Einstellungstests waren reine Konzentrationssache in Verbindung mit logischem Denken. Ich will damit sagen: Man kann es schaffen, wenn man sich auf die Sache einlässt.

Wie verlief die Ausbildung?
Ich fand es angenehm, dass man jeden Tag Theorie und Praxis hatte. Durch Wiederholungsfragen wurde das Wissen des Vortrags immer weiter gefestigt. Mit verschiedenen Fahrzeugtypen fuhren wir viel als Fahrschulwagen durch das Wiener Netz, um Praxis und Streckenkunde zu erlangen. Final folgten die Fahrten mit dem Lehrfahrer im regulären Fahrgastbetrieb und dann, ja, dann kam die Abschlussprüfung. Wie man sieht, ich habe sie bestanden!

Man sagte mir, ihr sucht Trambahnfahrer. Da könnte für einige Menschen noch ein beruflicher Kindheitstraum wahr werden. Was muss man mitbringen für diesen Beruf?
Ja, richtig! Wir suchen weitere motivierte Kolleg:innen. Man muss mindestens 21 Jahre alt sein und die Bereitschaft zum Schichtdienst mitbringen. Zu den Eigenschaften des Bewerbenden sollten Geduld und Stressresistenz gehören, die man im Alltag in dem anspruchsvollen Verkehr einer Großstadt einfach braucht, um freundlich und vor allem sicher agieren zu können. Ein Autoführerschein ist von Vorteil und natürlich ein wenig Kenntnis von Wien und seinem Netzsystem wären sinnvoll. Aber das wichtigste ist und bleibt: Die Liebe zur Tätigkeit. Ich weiß, wovon ich spreche! (lacht)

„Störungen sind aufreibend“

Wann merkst du am Schichtende, wenn der Tag mal nicht so toll war?
Störungen sind natürlich aufreibend, vor allem wenn man nicht genügend Informationen erhält. Man versucht das beste und in der Situation lösungsorientiert mitzudenken.

Hast du ein Ritual vor der Schicht?
Ich trete in der Früh mit aller Freundlichkeit auf und lächle oft, daraus entstehen auch nette Gespräche mit den Kollegen und Vorgesetzten. Man macht sich bereit um dann seinen Dienst am Fahrzeug zu starten und wünscht sich gegenseitig immer einen ruhigen Dienst.

Wie soll ein Dienst generell verlaufen?
Ich möchte meinen Dienst ohne eine Meldung (gemeint: Störung, etc. Anm. d. A.) zu Ende bringen.

Was nimmst du alles mit zum Dienst?
Die wichtigsten Arbeitsmittel für meinen Dienst. Dazu zählen zum Beispiel mein Schlüssel für die Fahrzeugübergabe, meine Warnweste, mein Anschriftenheft falls es zu einem Datenaustausch kommen sollte bei einem Unfall, im Sommer ein Handtuch für den Fahrersitz, ausreichend zum Trinken, Essen, Desinfektionsgel und Tücher.

Hast du ein Lieblingsfahrzeug?
Ich fahre am liebsten mit den Fahrzeugen der Typen E1 und E2.

Für alle, die sich nicht mit der Typenkunde so gut auskenne, was sind die E1 und E2?
Die E1 und E2 sind 6-achsige Gelenktriebwagen, die von 1966-1976 in 338 Stück (E1) gebaut wurden, und die E2, deren Nachfolgetype, zwischen 1977-1990. Die E1 waren eine Weiterentwicklung der optisch gleich aussehenden Fahrzeuge der Type E, mit den Unterschied, dass die Motorleistung der Type E1 stärker war, um einen guten Betrieb mit Beiwagen zu ermöglichen. Der Unterschied von den E1 und E2 der sofort auffällt: Der E2 hat eine ausfahrbare Trittstufe bei den Türen, die Linienanzeige ist eckig und einer orangenen LED Anzeige ausgestattet, wie auch die Zielanzeigen. Beim E1 symbolisieren Kreisrunde sogenannte Signalscheiben aus Metall die Linie, die Zielschilder sind in schwarzer Schrift auf einem weißen Zielschild. Der E2 hat gegenüber dem E1, ein größeres Fahrerfenster. Innen wirkt der E2 im Vergleich zum E1, etwas moderner (70er/80er Jahre Bauart), der E1 dafür heute nostalgischer.

Was macht diese Fahrzeuge aus?
Sie sind Kult und haben einfach Charakter! Wir kennen sie alle von klein auf und verbinden die ein oder andere Erinnerung mit ihnen.

Was lässt dich am Steuer schmunzeln?
Wenn beispielsweise Kollegen nett oder außergewöhnlich nett grüßen, Gesten von Passanten oder Autofahrern, wenn Passanten andere Passanten lautstark über eine Fehlverhaltung aufmerksam machen.

„Ich versuche auch meine privaten Wege möglichst mit den Öffentlichen zu erledigen“

Wie sieht so ein Schichtplan von dir aus?
Es gibt unterschiedliche Schichten. Frühdienst, Tagdienst, Unterbrecherdienst, Mitteldienst, Spätdienst, Nachtdienst. Die Nachtdienste betreffen uns bei der Straßenbahn vielleicht nur zu Silvester und wenn wir einen Ersatzverkehr für die U-Bahnen am Wochenende fahren. Sonst ist der Nachtdienst den Kollegen aus dem U-Bahn- und Busbetrieb vorbehalten. Ein Dienst ist ab sechs Stunden dreißig lang und kann auch schon über neun Stunden gehen mit mehreren Pausen dazwischen, die mindestens einmal dreißig Minuten und einmal fünfzehn 15 Minuten beinhalten.

Und wie ist das am jeweiligen Tag: Fährt man nur die eine Bahn hin und her oder wie geht das?
Man hat am Tag zwischen zwei bis vier Züge. Man beginnt mit einem Fahrzeug und fährt damit einige Runden bis zur Pause. Danach übernimmt man vom Kollegen ein anderes Fahrzeug und fährt weiter. Bis zum Schluss, wenn man entweder das Fahrzeug wieder weitergibt oder aber auch im Betriebsbahnhof abstellt.

Und fährst du in ganz Wien?
Ich fahre prinzipiell in ganz Wien, bin aber hauptsächlich auf den acht Linien meiner Dienststelle unterwegs.

Warum sind die Anfangsminuten bei euch so wichtig im Dienstplan?
Man muss sich vor Dienstantritt darüber informieren, ob es Neuigkeiten auf der Strecke gibt. Dazu gehören u.a. Baustellen, Geschwindigkeitsbeschränkungen, angekündigte Umleitungen oder Kurzführungen.

War es schon mal knapp mit deiner eigenen Ankunft?
Ja das war es, aber sowas kommt vor. Wenn man die meisten Wege öffentlich fährt, können dort eben auch mal Störungen einen selbst als Fahrgast betreffen.

„Der Takt liegt in Wien teilweise bei nur zwei bis drei Minuten“

Wie hat Corona deinen Arbeitsalltag verändert?
Die Einhaltung der geltenden Maßnahmen haben meinen Alltag verändert.

Wie verhalten sich die Fahrgäste?
Meistens gemäß der gültigen Beförderungsbestimmungen – mit wenigen Ausnahmen...(schmunzelt).

Wie sieht es aus mit Toiletten? Das kann ja schon einen Notfall auf Strecke für dich selbst darstellen.
Wir haben an jeder Endstation eine Toilette und ich versuche mir das bewusst einzuteilen. Wenn es aber wirklich pressiert, sind wir dazu angehalten, natürlich auch unterwegs eine Lokalität am Rande der Strecke aufzusuchen. Man sagt seinem Disponenten und den Fahrgästen Bescheid, und eilt los.

Was passiert, wenn deine Ablösung nicht kommt?
Das ist mir schon passiert. Also entweder fährt man in Absprache mit dem Disponenten erstmal weiter oder man zieht den Zug ein, das heißt man fährt den Betriebshof an und die Fahrgäste müssen auf die nächste Bahn warten. Bei unserem dichten Takt ist das aber kein großes Problem. Der Takt liegt in Wien teilweise bei nur zwei bis drei Minuten.

Wiener Linien in Zahlen

- Anzahl fahrendes Personal: 3206
- Anzahl Personal in Summe: 8700
- In Wien gibt es: 500 Straßenbahnzüge, über 400 Busse und über 150 U-Bahn-Züge
- Anzahl Betriebshöfe: 4 Tram-Bahnhöfe (und weitere, kleinere), 3 Bus Depots, 3 U-Bahn-Depots
- Anzahl Haltestellen nach Sparten: 1.147 Tram-Stationen (sechstgrößtes Netzwerk der Welt), 4.371 Bus-Stationen, 109 U-Bahn-Stationen insgesamt 164 Linien

Seit wann bist du auf Instagram?
So circa seit 2012/2013. Eine Freundin motivierte mich dazu. Ich kam aber mit dem System nicht so klar und blieb erstmal bei Facebook. Dann kam ich als Fahrer zu den Wiener Linien und habe mal ab und an von mir und von den Bahnen Bilder eingestellt. Das kam immer besser an und die Menschen, die man kennenlernte, waren sehr nett. Dass es dann mal so viele Menschen sind, die sich für meine Arbeit und mich interessieren, hätte ich nie gedacht. Man muss natürlich darauf achten, keinen Unsinn zu posten.

Ist es manchmal auch ein wenig Arbeit?
Ja, sicher. Viele Menschen haben Interesse an meiner Arbeit und den Details der Bahnen. Das können bis zu zehn Anfragen am Tag sein. Auch da muss man schauen, was man beantworten kann und darf.

Wie wählst du die Fotos aus, die du postest?
Meistens was mir gerade einfällt zu erzählen, oder einfach tagesaktuell passende Themen, wenn ich z.B. weiß, ein Fahrzeug ist eine bestimmte Zeit schon im Einsatz, oder ab hier wurde eine Linie eröffnet.

An was haben deine Follower:innen am meisten Interesse?
An meiner Arbeit, an den Fahrzeug-Modellen und an Fotos von Fahrzeugen.

Hat dich ein eigener Post schon mal geärgert?
Nein, zum Glück nicht.

Was bedeuten für dich die Betriebsbahnhöfe?
Wir haben hier in Wien einige, die einen Flair früherer Zeiten atmen. Das ist schon schön dort aus- und einzurücken. Manchmal bleibe ich deswegen nach der Schicht noch und tausche mich mit den Kolleg:innen des Betriebshofes aus.

Hast du schon in der Tram Gewalt erlebt?
Zum Glück hatte ich das noch nie innerst der Bahn. Verärgerte Gäste gibt es natürlich ab und zu.

Macht dich deine Arbeit glücklich?
Ja, ich freue mich auf die Arbeit. Und es ist nicht so wie bei meinen früheren Berufen, damit man Geld verdient, sondern weil man sich auf die nächste Schicht freut. Manchmal wundere ich mich sogar, dass die Schicht schon wieder rum ist. Der Arbeitsalltag ist viel schöner als im Einzelhandel, wo man den ganzen Tag in einem fensterlosen Raum arbeitet ohne frische Luft.

„Die Schiene ist eine Straße, die es zu kennen gilt“

Wann arbeitest du am liebsten?
Am Morgen, wenn die Sonne aufgeht und die Welt in den Tag startet. Mit dem ersten Kaffee und dem Austausch mit den Kollegen, wird es dann rund. Natürlich ist es auch anstrengend. Viele Menschen sind unterwegs, man muss besonders wachsam sein, wenn Menschen vor einem noch die Schienen kreuzen wollen und die Bahn besonders voll ist.

Manche Menschen denken, man muss nur den Hebel nach vorne legen und damit hat sich die Arbeit.
Dem ist natürlich nicht so. Man muss die Strecke kennen, im Herbst mit dem vielen Laub sehr vorausschauend fahren oder auch Stellen wissen, bei der man die Unebenheiten der Schiene kennt und daher besonders vorsichtig fährt. Die Schiene ist schlussendlich eine Straße, die man kennen muss, um sie sinnvoll befahren zu können.

Vorausschauendes Fahren ist schon sehr wichtig?
Ja, denn man kann einfach nicht ausweichen.

Macht dir das Sorge?
Nein, denn ich fahre ganz bewusst vorausschauend. Und an Stellen, bei denen man weiß, dass es risikoreich sein kann, weil dort beispielsweise Autofahrer spontan wenden, dann achte ich ganz genau auf das Verhalten der Autofahrer. Wenn man notbremsen muss, ist da natürlich immer die Sorge da, dass sich jemand in der Bahn verletzt.

Was bedeutet Autofahren für dich?
Ich benütze das Auto sehr selten. In Wien kommt man einfach mit den Öffentlichen und deren sehr enger Taktstruktur superschnell überall hin. Ich hatte mal ein Auto, das stand aber mehr als das ich damit fuhr; ich habe es verkauft.

„Die Rücksichtnahme hat nachgelassen“

„Bitte seien Sie achtsam...“, tönt es aus den Lautsprechern. Was bedeutet Rücksichtnahme als Fahrgast?
Als Fahrgast versuche ich freundlich, aber bestimmt auf Dinge hinzuweisen. Als Fahrer in den älteren Garnituren, wo wir keine Trennwand haben und jemand telefoniert laut hinter mir, weise ich darauf hin, dass mich das beim Fahren stört. Die Rücksichtnahme hat meiner Meinung nach schon deutlich nachgelassen. Wenn eine Schwangere zum Beispiel keinen Sitzplatz bekommt und ich merke das, greife ich da natürlich helfend ein.

Wenn du Urlaub machst oder freihast, scheint dich das Thema Tram auch nicht loszulassen?
Das stimmt (lacht). Es gibt für mich kaum Trennung von Beruf und Privatleben. Das Thema Tram begleitet mich immer. So reise ich gerne in andere Städte und schaue mir die dortigen Fahrzeuge an.

Wie ist das bei anderen Kollegen?
Es gibt sicher mehr Kollegen, für die das Tramfahren ein Beruf ist. Für mich ist es Beruf und Leidenschaft zugleich.

Du sammelst auch Modelle von Trams und Bussen. Wie kam es dazu?
Ich stand mit meiner Mutter am Stephansplatz, sah die U-Bahn und wollte ein Modell davon. Das habe ich dann auch irgendwann bekommen. Da war ich fünf und dann begann meine Sammelleidenschaft und Interesse für Bahnen.

„Meine Mutter freut sich sehr, was aus mir geworden ist“

Damit war es um dich geschehen?
Ja, es wurde immer mehr und mehr. Beim Sammeln gibt es auch keine Grenzen, der Fundus ist schier unendlich.

Freut sich deine Mutter darüber?
Sie freut sich sehr darüber, was aus mir geworden ist.

Worum geht bei den Modellen: Bauen, Sammeln, damit spielen?
Es ist schon das Anschauen in der Vitrine, aber auch das Fahrenlassen auf den Schienen. Ich verfeinere die Modelle auch mit selbst eingesetzten Scheiben, Spiegeln oder realistischen Zugzielanzeigen. Als nächstes soll dann in meiner neuen Wohnung eine richtige Anlage entstehen, wo ich meine vielen Modelle auch in einem passenden Diorama fahrenlassen kann.

Sind diese Fahrzeugmodelle teuer?
Man erwischt manchmal günstigere Schnäppchen, aber in der Regel sind die Modelle schon nicht so günstig. Durchschnittlich gebe ich für ein Modell ab etwa 80 Euro aufwärts aus.

Wie viele hast du mittlerweile?
Derzeit umfasst meine Sammlung mit allen eingerechnet an die 450 Fahrzeuge.

Hilfst du mit deinem Instagram-Account, dass sich Menschen für den Beruf interessieren und sich trauen, sich zu bewerben?
Ja, das gab es tatsächlich schon. Zwei, drei Personen haben sich dann bei Verkehrsbetrieben anderer Städte beworben und haben den Beruf ergriffen.Es freut mich natürlich sehr, wenn ich mit meinem Rat helfen kann.

Was verdient man als Trambahnfahrer so circa als Einsteiger?
Es kommt darauf an, und liegt auch an Nachtdiensten, Steuerklasse usw.Aber als Einsteiger so um 1800 Euro netto.

Sind die Dienstzeiten denn ein Problem für private Beziehungen?
Nein, wenn man das klar kommuniziert beim Kennenlernen, ist das, zumindest für mich, kein Problem.

„Ich würde gerne die neunziger Jahre nochmal erleben“

Man fährt bei euch immer in einem Segment. Du gehörst zu den Trambahnfahrern. Würde dich etwas an der U-Bahn reizen?
Ja, ich mag die Fahrzeuge sehr, aber ich finde es über der Erde dann doch spannender, weil man mehr sieht.

Wie stehst du zur Eisenbahn?
Die hat mich nie so interessiert, ehrlich gesagt. Nicht mal die S-Bahn. Und ich glaube, der dortige Arbeitsalltag bedeutet mehr Einschränkung für das Privatleben. Ich versuche auch grundsätzlich zu meinen Diensten mit Verkehrsmitteln der Wiener Linien zu kommen. Die Takte sind dichter und die Fahrzeuge sind mir lieber.

Wenn du eine Zeitreise machen könntest, in welcher Zeit würdest du gerne gebeamt werden?
Schon so in die Zeit, als nur das ältere Wagenmaterial hier fuhr. Also so Anfang der 90er. Da wäre ich wohl 24 Stunden am Tag gefahren (lacht).

Nun bieten moderne Fahrzeuge Vorteile für zum Beispiel mobilitätseingeschränkte Personen.
Ja, das stimmt. Für den alltäglichen Betrieb bieten moderne Fahrzeuge für Fahrgäste und auch für uns als Fahrpersonal viele Vorteile. Die Niederflurfahrzeuge helfen vielen Menschen beim Ein- und Aussteigen. Für uns Fahrer ist bei den neueren Fahrzeugen sehr hilfreich, dass wir eine abgeschlossene Kabine haben. Bei den alten Fahrzeugen sitzt man schon sehr offen. Das hat auch seinen Charme, aber gerade wenn es voll ist in der Bahn, kann es schon unangenehm sein.Die Liebe zu den älteren Fahrzeugen ist natürlich Nostalgie und hat nichts mit dem Alltag zu tun; das sollte man nicht verwechseln.

Wie sieht es im Sommer aus?
Wir haben Wasserspender und Obst in unseren Pausenräumen. In den neuen Fahrzeugen haben wir Klimaanlage. In den älteren Fahrzeugen wird es schon richtig warm im Sommer.

„Auch die Kinder lieben die Straßenbahn“

Manchmal gehst du auf Reisen und fährst dann als Fahrgast mit alten Bekannten.
Ja, in Krakau zum Beispiel fahren viele der alten Wiener Fahrzeuge und so reise ich gerne dorthin und erlebe die Fahrzeuge in neuem Farbkleid.

Seit gar nicht so kurzer Zeit begleitet dich inzwischen eine Frau, die ebenso trambegeistert ist wie du. Was bedeutet die Tram für euer gemeinsames Leben?
Wir machen einiges Straßenbahn-bezogenes Programm gerne, auch wegen der Kinder, da diese beim Thema Straßenbahn auch mitfiebern. Dazu zählen auch das Fotografieren der Fahrzeuge und der Modellbau. Vor allem bunte Werbewagen sind für uns alle interessant. Aber wir haben auch andere Hobbies.

Du machst die Fotos nicht nur für Instagram, sondern bist auch – wie man heute so sagt – „Tramspotter“. Wie geht das?
Die Fotografie ist mein Hobby. Es ist für mich ein schöner Ausgleich. Meistens suche ich nach Fahrzeugen wie beispielsweise neuen Werbewagen, neuen Fahrzeugen des Typs Flexity oder versuche noch schöne Motive mit älteren Fahrzeugen umzusetzen. Dabei achte ich auf den Sonnenstand, der zu gewissen Zeiten gegeben ist, auf das Umfeld bezüglich des Auto- oder Radverkehrs, Passanten und schätze ab, ob ich hier überhaupt ein Foto zu meiner Zufriedenheit machen kann. Ich reise auch gerne in andere Städte, wo mir oft sehr nette Kollegen beim Ablichten helfen.

Hat die Haltung zum Beruf einen positiven Einfluss auf den Alltag?
Ja, ich denke schon, dass die eigene Ausstrahlung einen Einfluss hat, wie der eigene Tag verläuft. Wenn es kein „müssen“, sondern ein „wollen“ ist, merken die Menschen das glaube ich schon. Und so habe ich das Gefühl, dass mir viele Dinge, die anderen Kollegen wiederfahren, entweder nicht passieren oder ich sie anders wahrnehme.

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