Villa Massimo des Nordens

Kulturförderung Vor zwei Jahren starb Roger Willemsen. Eine neu eingerichtete Stiftung lässt aus seinem Wohnhaus die "Villa Willemsen", einen Ort der Kulturförderung werden
Gleich kommt Roger Willemsen um die Ecke, meint man im Künstlerhaus – umgeben von seiner Bibliothek und seiner Musiksammlung
Gleich kommt Roger Willemsen um die Ecke, meint man im Künstlerhaus – umgeben von seiner Bibliothek und seiner Musiksammlung

Foto: Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Im August 2015 verstummte Roger Willemsen für die Öffentlichkeit, in der er jahrzehntelang als Intellektueller, grandioser Interviewer und Bestsellerautor reüssierte. Im Februar des Folgejahres verstarb er an einer kurz nach seinem sechzigsten Geburtstag diagnostizierten Krebserkrankung in seinem Wohnhaus in Wentdorf bei Hamburg.

Statt eines rauschenden Geburtstagsfest, plante er seine Trauerfeier minutiös selbst, aus Geburtstagsrednern wurden Trauerredner und seine Blumenhändlerin säumte seinen Sarg mit 300 Ranunkeltöpfen (einen davon nennt der Autor voller Stolz sein Eigen). Denn auch auf diesem letzten Weg, den er nur gedanklich miterlebte, beschenkte Roger Willemsen die Menschen. So strömten nach seiner öffentlichen Trauerfeier auf dem Ohlsdorfer Friedhof hunderte Gäste mit Ranunkeltöpfen in alle Himmelsrichtungen – wie Willemsens Gedanken.

Genau dieses Haus, in dem Willemsens Leben zu Ende ging, wurde nun zur „Villa Willemsen“. Möglich macht dies die Roger Willemsen Stiftung, die durch den mare Verlag und dessen Verleger Nikolaus Gelpke gegründet wurde und „außergewöhnliche Talente und mutige künstlerische Projekte“ durch Aufenthaltsstipendien fördern will. Auch ein Förderverein, der den Namen „Freunde der Villa Willemsen“ tragen wird, ist in Gründung.

Roger Willemsen kaufte das 1889 vom Hamburger Architekten Martin Haller am Mühlteich erbaute Haus, nur einen Steinwurf vom bald wegziehenden Rowohlt Verlag, im Sommer 2015 als Ort seiner Produktivität.

Als käme er gleich um die Ecke

Die Idee zur Nutzung als Künstlerhaus „Villa Willemsen“ entstand wenige Tage vor seinem Tod im Freundeskreis und erhielt sein Einverständnis. Hauptamtlich geleitet wird die Stiftung durch Willemsens langjährige Mitarbeiterin Julia Wittgens, im ehrenamtlichen Kuratorium finden sich unter anderem seine Nachlassverwalterin Insa Wilke und sein Vertrauter im S. Fischer Verlag, Oliver Vogel.

Die ersten Stipendiaten stehen indes auch schon fest. Ab Mai bewohnen die ersten Gäste das Haus. Claudia Rusch und Frank Schulz, beides Autoren, werden die Villa als erste zur kreativen Arbeit nutzen können. Betreut werden sie dabei von Annette Schiedeck, die das Haus dauerhaft bewohnt und dem Kuratorium angehört.

Ausgestattet mit seiner Bibliothek, seiner Musiksammlung und vielen Möbelstücken, die die Erben der Stiftung überließen, lassen die lichtdurchfluteten Räumlichkeiten das Gefühl aufkommen, gleich komme er um die Ecke. In seinen Pferdelederschuhen, mit seiner großen Brille, den wippenden Locken und dem verschmitzten Lächeln.

Es ist der Stiftung zu wünschen, kein Papiertiger der pflichtgemäßen Erinnerungskultur zu werden. Willemsens Nachwirken, sein Werk haben alle Kraft, als eine Villa Massimo Norddeutschlands zu avancieren.

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